In der Natur begeg­nen sie Gott

In der Natur begeg­nen sie Gott

  • Sie waren die Hel­din­nen der ersten Staf­fel «SRF bi de Lüt – Land­frau­en­kü­che», im Herbst 2007.
  • Jedes Jahr tref­fen sich die Land­frau­en der ersten Staf­fel, zusam­men mit ihren Män­nern und in der Rei­hen­fol­ge ihres Auf­tritts in der Sen­dung, bei einer von ihnen zu Hau­se, um bei einem fei­nen Essen die Erin­ne­rung an die gemein­sa­me Fern­seh­zeit hoch­le­ben zu lassen.
  • Hori­zon­te durf­te die­ses Jahr bei Anto­nia Rudin in Zie­fen (BL) dabei­sein und woll­te erfah­ren, ob der Glau­be und der Got­tes­be­zug in der Land­wirt­schaft heu­te über­haupt noch eine Rol­le spielen.

Ein­mal im Jahr tref­fen sich die Teil­neh­me­rin­nen der ersten Staf­fel von «SRF bi de Lüt – Land­frau­en­kü­che», akku­rat der Rei­hen­fol­ge ihres Auf­tritts in der Sen­dung fol­gend, bei einer von ihnen zu Hau­se und fei­ern sich und den Erfolg die­ses tele­vi­so­ri­schen Dau­er­bren­ners bei einem lecke­ren Essen zusam­men mit ihren Männern.

Hori­zont­e­re­dak­tor Chri­sti­an Breit­schmid war 2007 noch als Pro­du­zent der Redak­ti­on Volks­kul­tur beim Schwei­zer Fern­se­hen dafür ver­ant­wort­lich, die­ses neue Sen­de­for­mat zu ent­wickeln und mit den ersten sie­ben, muti­gen Land­frau­en aus der Tau­fe zu heben. Die Sen­dung wur­de ein natio­na­ler, dann auch inter­na­tio­na­ler Erfolg. Die­ses Jahr geht bereits die 15. Staf­fel der «Land­frau­en­kü­che» über den Sender.

Der Fun­ke springt über

[esf_wordpressimage id=34897 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Es gibt sicher vie­le Grün­de, war­um das Schwei­zer Publi­kum die «Land­frau­en­kü­che» liebt. Die Sen­dung zeigt die land­schaft­li­che Viel­falt die­ses Lan­des in wun­der­schö­nen Bil­dern. In jeder Epi­so­de erfah­ren die Zuschau­er Wis­sens­wer­tes aus der jewei­li­gen Regi­on und erhal­ten einen sehr per­sön­li­chen Ein­blick in das all­täg­li­che Leben und Wir­ken einer Land­frau und ihrer gan­zen Fami­lie. Im Zen­trum jeder Sen­dung steht aber das leib­li­che Wohl. Die Land­frau­en zei­gen, wo und wie ihre Lebens­mit­tel pro­du­ziert wer­den, vor allem aber, wie man sie genuss­voll zube­rei­ten kann.

Essen und Trin­ken hält Leib und See­le zusam­men. Die­se Volks­weis­heit wird in der «Land­frau­en­kü­che» mit fil­mi­schen Mit­teln ganz ein­fach und direkt ver­ständ­lich gemacht. Das wäre aller­dings nicht mög­lich, wenn die Hel­din­nen einer jeden neu­en Staf­fel, die Land­frau­en, nicht so natür­lich, unver­krampft, gera­de­her­aus und echt wären. Der Schrei­ben­de hat es immer wie­der erlebt, wie schnell der Fun­ke über­sprang, ange­fan­gen beim Casting der neu­en Land­frau­en, über die Dreh­ta­ge auf dem jewei­li­gen Hof, bis hin zum Wett­be­werbs­es­sen und natür­lich dem gros­sen Fina­le mit der Siegerehrung.

Gewin­ne­rin­nen sind und waren sie von der ersten Sen­dung an alle. Es geht ihnen ja auch nicht pri­mär um den Koch­wett­be­werb, son­dern dar­um, eine Hal­tung, eine grund­sätz­li­che Lebens­ein­stel­lung zu ver­mit­teln. Da wird nicht ein­fach ein Land­schafts­thea­ter insze­niert für eine net­te Fern­seh­sen­dung, da geht es um den Respekt vor dem, was die Natur den Men­schen schenkt, damit die­se leben können. 

Arbeit vor Vergnügen

Die enge Ver­bin­dung zum Boden, den man bepflanzt, und zu den Tie­ren, die man züch­tet und als wert­vol­le Nah­rungs­lie­fe­ran­ten ent­spre­chend pflegt, wird auch dann spür­bar, wenn kei­ne Fern­seh­ka­me­ra dabei ist. So zum Bei­spiel beim dies­jäh­ri­gen Tref­fen der «ersten Land­frau­en», wie sie sich mit leicht iro­ni­schem Lächeln im Gesicht ger­ne bezeich­nen. An einem strah­len­den Herbst­tag kamen sie auf dem Hof Rosa­cher im basel­land­schaft­li­chen Zie­fen zusam­men, wo sie von Anto­nia Rudin und ihrem Mann, Mar­tin, nach allen Regeln der Kunst ver­wöhnt wur­den: Anne­lies und Hans Graf aus Wal­krin­gen (BE), Lina und Peter Bern­hardsgrüt­ter aus Gos­s­au (SG), Käthy und Karl Hüze­l­er aus Grod (SO) und Sil­via und Peter Lima­cher aus Flüh­li (LU).

Und auch das ist typisch für den All­tag einer Bau­ern­fa­mi­lie: Wenn die Arbeit ruft, dann folgt man, auch wenn man des­we­gen auf eine schö­ne Ein­la­dung unter Freun­den ver­zich­ten muss. So konn­ten Mig­ga und Fre­do Falett aus Ber­gün (GR) und Mar­grit und Paul Oder­matt aus Stans (NW) die­ses Mal nicht am Jah­res­treff teil­neh­men, weil zu Hau­se zuviel zu tun war.

Land­frau­en fei­ern Erntedank

[esf_wordpressimage id=34894 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Im Herbst, wenn die Ern­te ein­ge­fah­ren ist, gehört es vie­ler­orts zur Tra­di­ti­on, Ern­te­dank­fei­ern zu ver­an­stal­ten. In vie­len Kir­chen sind es die Land­frau­en, die für den ent­spre­chen­den Schmuck und üppi­ge Deko­ra­tio­nen ver­ant­wort­lich zeich­nen. Die Fra­ge drängt sich auf, wel­chen Stel­len­wert christ­li­ches Brauch­tum, der Glau­be über­haupt und ein wie auch immer gear­te­ter Got­tes­be­zug für die Land­frau­en und ‑män­ner in die­ser Run­de hat. Wel­ches Bild haben sie von Gott? Die Emmen­ta­le­rin Anne­lies Graf beschreibt es so: «Das Gött­li­che ist für mich ein Gefühl von Dank­bar­keit, Ver­trau­en und Zufrie­den­heit.» Und dann zitiert sie, in klin­gen­dem Dia­lekt: «We mir i allem, wo mer gschoue, doch Got­tes Vater­lie­bi gseh u dank­bar, froh u voll Vertroue e jede Tag ent­gä­ge näh, de wird  is ou i Not u Plag e jede Tag zum gschänk­te Tag.»

[esf_wordpressimage id=34895 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Auch Käthy Hür­ze­l­er spricht von gött­li­chem Ver­trau­en: «Wenn ich bete, habe ich das Gefühl, eine höhe­re Macht schenkt Ver­trau­en, hört zu, ist da, ich bin nicht allein.» Für Anto­nia Rudin ist das Gött­li­che «wie eine Hand, die mich führt und in schwie­ri­gen Pha­sen trägt, aber sonst habe ich kein kon­kre­tes Bild im Kopf, etwa von einem Mann mit Bart oder so ähn­lich.» Dazu Sil­via Lima­cher: «Beim Beten sehe ich vor mei­nem inne­ren Auge häu­fig Ver­stor­be­ne, aber auch ein­fach nichts oder manch­mal stel­le ich mir Gott vor. Dabei las­se ich mir das kind­li­che Got­tes­bild eines Man­nes mit lan­gem Bart nicht neh­men. Dazu ste­he ich.»

Feste und Rituale

[esf_wordpressimage id=34891 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Kirchenfeste, vor allem die Hoch­fe­ste, gehö­ren bei allen Land­frau­en fest zum Jah­res­pro­gramm. Bei jeder von ihnen mit unter­schied­li­chen Bräu­chen ver­se­hen. So bäckt Anto­nia zu fest­li­chen Anläs­sen ger­ne Anis­bröt­chen: «Das habe ich von mei­ner Schwie­ger­mut­ter über­nom­men.» Bei Anne­lies gibt es am Bet­tag tra­di­tio­nell immer Zwetsch­ge­n­ku­chen. Im Hau­se Hür­ze­l­er gilt die strik­te Regel, dass es kei­ne Man­darin­li vor dem 6. Dezem­ber und kei­nen Weih­nachts­baum vor dem 24. gibt. Ein wich­ti­ges Ritu­al ist für Käthy aus­ser­dem das Auf­hän­gen eines geweih­ten Palm­zweigs vom Palm­sonn­tag zum Segen für das Haus. Die­sen Brauch pflegt man auch bei Sil­via im Ent­le­buch und aus­ser­dem: «Am Kar­frei­tag gibt es kei­ne Milch und natür­lich auch kein Fleisch. Seit Jah­ren gehe ich mit Vro­ni, mei­ner besten Freun­din, zur Kar­frei­tags­pro­zes­si­on, und danach gibt’s Eier und ‹ä Schwar­ze›.» Die­se spe­zi­el­le Ent­le­bu­cher Kaf­fee­zu­be­rei­tung hellt auch die düster­ste Kar­frei­tags­stim­mung im Null­kom­ma­nichts auf.

«Es braucht Gottvertrauen»

[esf_wordpressimage id=34893 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Wer bei den Land­frau­en frömm­le­ri­sche Got­tes­fürch­tig­keit erwar­tet, liegt falsch. Dafür ste­hen sie und auch ihre Män­ner zu soli­de im Hier und Heu­te. Alle beken­nen sich über­zeugt zum christ­li­chen Glau­ben und den dar­in ver­an­ker­ten Wer­ten, aber des­we­gen legen sie ihren kri­ti­schen Geist nicht vor der Kir­chen­tür ab. Kari Hür­ze­l­er fasst es so zusam­men: «Als Land­wir­te haben wir gelernt, dass wir zwar auf vie­les Ein­fluss neh­men kön­nen, aber nicht auf alles. Das Wet­ter müs­sen wir neh­men, wie es ist. Es braucht immer wie­der etwas Gott­ver­trau­en, zum Bei­spiel, dass es nach einer lan­gen Regen­pe­ri­ode auch wie­der trocken wird.»

Gera­de die Arbeit draus­sen, in und mit der Natur, öff­net den Land­frau­en immer wie­der die Augen für die Gross­ar­tig­keit der Schöp­fung. Lina bringt es auf den Punkt: «Die Jah­res­zei­ten zei­gen uns den Weg. So mit der Natur zu leben, ist wie eine Reli­gi­on.» Alle nicken zustim­mend, als Käthy erzählt, wie für sie das Jäten ein men­ta­ler Akt, eine Art Medi­ta­ti­on ist. Kir­che ist für Lina da, wo sie guten Men­schen begeg­net. Aus Dank­bar­keit pflegt sie zusam­men mit ihrem Peter seit ihrer Trau­ung ein wich­ti­ges Ritu­al: «Jeden Abend, vor dem Ein­schla­fen, beten wir zusam­men das Vaterunser.»

Das Menu in Kürze

Und für all jene, die seit Jah­ren die «Land­frau­en­kü­che» schau­en und sich an den tol­len Tel­lern nicht satt­se­hen kön­nen, sei hier noch das Menu des dies­jäh­ri­gen Land­frau­en­tref­fens auf dem Hof Rosa­cher erwähnt. Anto­nia Rudin ver­wöhn­te ihre Gäste mit

  • Apé­ro­pa­stet­li mit Ran­den-Knob­lauch-Mus und Kür­bis­pa­ste­ten aus dem Basel­bi­ät, gefolgt von einem
  • gar­ten­fri­schen Herbst­sa­lat, anschliessend
  • Pou­let­brüst­li aus eige­ner Pro­duk­ti­on, gefüllt mit Kräu­ter­frisch­kä­se auf Rüeb­li-Sel­le­riesauce, dazu
  • Kür­bis­knö­pli und pikan­te Ofen-Tomaten.
  • Zum Des­sert dann ein geschich­te­tes Zwetsch­gen-Joghurt-Fina­le und
  • Anis­bröt­li vom Rosa­cher zum Kaffee.
Christian Breitschmid
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