Kirche ist mehr als ein Gebäude

Kirche ist mehr als ein Gebäude

Der Kirchen­rat wollte an der Syn­ode vom 16. Novem­ber 2016 die Grund­lage für einen ein­heitlichen Auftritt der 75 reformierten Kirchge­mein­den im Aar­gau schaf­fen. Allein die Syn­odalen gin­gen nur zum Teil auf den Antrag ein. Um den entsprechen­den Punkt in der Trak­tanden­liste war allerd­ings bere­its im Vor­feld gerun­gen wor­den.
Dem grund­sät­zlichen Anliegen, ein ein­heitlich­es Erschei­n­ungs­bild einzuführen, schloss sich die Syn­ode laut Medi­en­mit­teilung mit gross­er Mehrheit an, aber auch nur grund­sät­zlich. Über den ein­heitlichen Namen «Reformierte Kirche», der in ein­er gemein­samen Wort­marke auf allen Ebe­nen ver­wen­det wer­den soll, gin­gen die Mei­n­un­gen in der lan­gen und inten­siv­en Diskus­sion auseinan­der. In der Schlussab­stim­mung lehnte die Syn­ode gemäss Antrag der Geschäft­sprü­fungskomis­sion alle übri­gen Anträge des Kirchen­rats zum Erschei­n­ungs­bild ab.So wur­den die entsprechende Ergänzung der Kirchenord­nung und damit die Verbindlichkeit der Ein­führug ein­er Wort­marke noch nicht beschlossen, heisst es in der Mit­teilung weit­er. Das Geschäft muss zusam­men mit dem konkreten Entwurf der Syn­ode noch ein­mal vorgelegt wer­den. Christoph Weber-Berg würdigte als let­zter Red­ner vor der Abstim­mung die span­nende Diskus­sion über das Kirchen­ver­ständ­nis der Reformierten, die sich hier am The­ma Erschei­n­ungs­bild entzün­det hat­te.

Einheit in der Vielfalt

Die Erzäh­lun­gen wollen es, dass die Urchris­ten sich gegen­seit­ig durch das Sym­bol des Fis­ches zu erken­nen gaben. Ein­er zeich­nete den ersten Bogen in den Sand, der andere ergänzte um den Zweit­en zum Fisch. Der Fisch zeigte intern, wer dazu gehörte. Belegt ist das nicht, doch die Erzäh­lung zeigt: Erken­nungsze­ichen waren von Beginn der Kirche an wichtig.Der Auftritt gen Innen ste­ht heute nicht mehr im Fokus, im Blick sind eher die dis­tanzierten Mit­glieder der Reformierten Lan­deskirche Aar­gau. Konkret geht es bei der Vere­in­heitlichung der Wort­marke darum, dass sowohl die 75 reformierten Kirchge­mein­den im Aar­gau als auch die Lan­deskirche auf der Kom­mu­nika­tions-Ebene ein­heitlich als «Reformierte Kirche» auftreten. Die Wort­marke soll auf Kirchge­meinde- und Kan­ton­sebene Ele­mente enthal­ten, die fix und vorgegeben sind. Gle­ichzeit­ig sollen die Kirchge­mein­den die Vor­gabe um eigene Ele­mente ergänzen kön­nen. Der Antrag des Kirchen­rates an die Syn­ode bet­rifft aus­drück­lich nicht die rechtliche Ebene: «Diese Sprachregelung (…) wirkt sich nicht auf die weit­er­hin beste­hen­den, unter­schiedlichen juris­tis­chen Beze­ich­nun­gen der Kirchge­mein­den und der Lan­deskirche aus. Wed­er die Lan­deskirche noch die Kirchge­mein­den müssen rechtlich ihre Namen ändern oder Recht­s­texte anpassen, um das neue Erschei­n­ungs­bild anzuwen­den.»«Es geht gar nicht so sehr um uns Aktive, son­dern um den grossen Anteil der eher Pas­siv­en. Es ist eine Chance, indem wieder deut­lich­er wahrgenom­men wird, dass Kirche mehr ist als ein Gebäude und auch mehr als die Summe der Kirchgän­gerin­nen und Kirchgänger. Kirche find­et nicht nur im Kirchge­bäude statt», sagt Cather­ine Berg­er, Kirchenpflegepräsi­dentin der Reformierten Kirchge­meinde Rhe­in­felden, und Befür­wor­terin der Änderun­gen. Kirchenpflegepräsi­dentin Esther M. Meier aus Brugg argu­men­tiert anders. «Kirche, das ist das Gebäude oder die Insti­tu­tion», erk­lärt sie, «es muss unbe­d­ingt beim Begriff Kirchge­meinde bleiben. Zudem sind die Kirchge­mein­den sehr unter­schiedlich. Warum soll da jet­zt ein Ein­heits­brei geschaf­fen wer­den?».

Stärkere Identifikation mit der Marke

An den bei­den Posi­tio­nen wird deut­lich, was die Diskus­sion um die Vere­in­heitlichung des Auftrittes auch aus­gelöst hat. Die Auseinan­der­set­zung mit der Frage: Was ist über­haupt Kirche? Wie ist der Blick auf die eigene Kirche? «Im Prinzip wäre die katholis­che Kirche von der Struk­tur her prädes­tiniert für einen ein­heitlichen Auftritt, allen­falls auch bis auf die Bis­tum­sebene», sagt Luc Hum­bel, Kirchen­rat­spräsi­dent der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. Es habe dur­chaus Über­legun­gen gegeben, so erk­lärt er weit­er, doch «die Zeit ist allen­falls noch nicht reif dafür. Wichtig ist auch, dass die lokale Ver­wurzelung darunter nicht lei­det. Gemein­sames Anliegen muss sein: Gutes tun und darüber bericht­en. Die Erkennbarkeit unseres Han­delns muss bess­er wer­den».Christoph Weber-Berg, Kirchen­rat­spräsi­dent der Reformierten Lan­deskirche Aar­gau, hinge­gen sieht für die Reformierte Kirche, «dass die Zeit ein­fach reif ist für diese Diskus­sion. Vor allem die dis­tanzierten Mit­glieder sollen bess­er erken­nen, was alles zur «Reformierten Kirche» gehört und von ihr ange­boten wird. Jedes Mit­glied soll auch nach einem Umzug oder an einem anderen Ort ausser­halb sein­er Wohnge­meinde «seine» reformierte Kirche auf Anhieb wieder­erken­nen und sich darin behei­matet fühlen. Ob das Kirchenaus­tritte ver­hin­dert, kann nie­mand sagen, aber wir ver­sprechen uns davon eine stärkere Verbindung unser­er Mit­glieder zu ihrer Kirche und bessere Iden­ti­fika­tion».

Wo Kirche draufsteht, sind christliche Werte drin

Gewün­scht sind die Verän­derungs­be­stre­bun­gen auch auf Bun­de­sebene beim Schweiz­erischen Evan­ge­lis­chen Kirchen­bund (SEK). Bere­its im Juni 2015 beschäftigte sich dessen Abge­ord­neten­ver­samm­lung mit dem The­ma «Bün­delung der kirch­lichen Kom­mu­nika­tion Schweiz». Die reformierten Kirchen in den Kan­to­nen Luzern und Zürich arbeit­en bere­its mit ein­er ein­heitlichen Wort­marke. Dass die anste­hen­den Verän­derun­gen Emo­tio­nen und vielle­icht sog­ar Angst her­vor­rufen, kann Cather­ine Berg­er nachvol­lziehen: «Das muss man ernst nehmen und im Zweifels­fall ein­fach akzep­tieren. Den­noch meine ich, es ist wichtig, dass wir als Kirche gemein­sam diese Her­aus­forderung ange­hen. Da muss jede und jed­er vielle­icht auch mal sagen kön­nen: Es geht nicht um das, was ich  per­sön­lich will, son­dern um das, was der Sache dient.»Und einen weit­eren Gedanken wirft sie ins Ren­nen: In ein­er Gesellschaft, wo Poli­tik immer stärk­er mit christlichen Werten hantiere, sei es vielle­icht angezeigt, als Kirche klar und ein­heitlich Posi­tion zu beziehen und sich das Chris­ten­tum nicht von der Poli­tik definieren zu lassen. «Ein gutes Logo kann helfen, nach aussen zu zeigen, in wie vie­len gesellschaftlichen Bere­ichen die Kirche aktiv ist und damit christliche Werte gelebt wer­den.»
Anne Burgmer
mehr zum Autor
nach
soben