«Kirche hat mit Heimat und Werten zu tun»
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«Kirche hat mit Heimat und Werten zu tun»

Er liebe die deutsche Kabarettkultur, sagt Luc Humbel (49), seit Januar Präsident der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz RKZ. Deshalb veranstaltet er Kabarett-Abende im Kulturhaus Odeon in Brugg. Kirche bedeutet für ihn Heimat und seine neue Aufgabe als RKZ-Präsident sei bewältigbar beim Gespräch in seinem Anwaltsbüro.

Das Kul­turhaus Odeon sei sein Steck­enpferd, sagt Luc Hum­bel und wirft einen Blick durchs Fen­ster des Sitzungsz­im­mers seines Anwalts­büros hinüber zum ange­baut­en rötlichen Nach­barhaus, wo sich der Ver­anstal­tun­gort befind­et. Vor bald zwanzig Jahren, als das Kul­turhaus sich einen Platz in der Kle­in­stadt Brugg suchte, leit­ete Luc Hum­bel die Kleinkun­st­bühne, die auf einem Vere­in von rund 1000 Mit­gliedern beruht. Heute führt er drei bis vier Ver­anstal­tun­gen pro Jahr sel­ber durch, vom Ver­trag bis zur Kün­stler­be­treu­ung, wie er sagt. Er sorge dafür, dass so ein Abend im wahrsten Sinn des Wortes gut über die Bühne gehe. «Meine Liebe in der Kleinkun­st liegt in der deutschen Kabarett-Kul­tur», sagt Luc Hum­bel. «Ich mag es schar­fzüngig, pointiert, präzis und auch mah­nend.»

Später wird er im Kul­turhaus eine junge Frau begrüssen, den Schlüs­sel­bund zück­en, die Tür zur Bühne auf­sper­ren und – leicht belustigt – für Fotos auf der Bühne posieren. Danach geht’s über haus­in­terne Türen wieder zurück ins Anwalts­büro.

Während Luc Hum­bel erzählt, lehnt er in seinem Stuhl und dreht sich mal hin mal her. Der Sitzungsraum seines Anwalts­büros zeigt sich in schlichter Ele­ganz – was sich auch von den ele­gant-lock­eren dun­klen Klei­dern des Anwalts sagen lässt. Da ein spiegel­nder Tisch mit schwarzen Stühlen, dort zeit­genös­sis­che Kun­st an der Wand. Vor dem Fen­ster eine Ter­rasse aus Holz.

Flüchtlinge und glaubwürdiges Christsein

Luc Hum­bel über­legt, bevor er spricht, seine Antworten tre­f­fen die Fra­gen exakt und sind kurz, so kurz, dass sie ab und zu eine Nach­frage erfordern. Im Gespräch schaut Luc Hum­bel sel­ten direkt, son­dern öfter von der Seite her zum Gegenüber hin. Fühlt er sich falsch ver­standen, stellt er die Dinge umge­hend klar. So etwa bei der Frage, ob ihn die Migra­tions- und Flüchtlings­the­matik inter­essiere. «Ich würde es nicht so for­mulieren», ent­geg­net der RKZ-Präsi­dent und set­zt zu ein­er Art Plä­doy­er an: «Wir sind im wahrsten Sinne betrof­fen. Es kommt nicht darauf an, ob wir uns dafür inter­essieren; wir sind gefragt.»

Die Flüchtlings­the­matik ste­he wortwörtlich vor der Tür. «Der Basler Bischof Felix Gmür hat mal etwas Schönes gesagt: ‘Wenn ein Fremder in die Schweiz kommt, woran merkt er, dass da Chris­ten leben?’», erzählt Hum­bel und antwortet gle­ich selb­st: «Wo soll ich Näch­sten­liebe leben, wenn nicht gegenüber dem Frem­den, der ver­loren ist und nicht weiss, wie es weit­erge­ht?» Der RKZ-Präsi­dent ist überzeugt: Will sie glaub­würdig sein, muss sich die Kirche in dieser Frage wahrnehm­bar engagieren.

Neue Verantwortung für Präsidenten

Im Aar­gau hat sie die The­matik ver­gle­ich­sweise früh aufgenom­men, wie Luc Hum­bel erk­lärt. Er ist seit 2010 auch Präsi­dent der Katholis­chen Kirche im Kan­ton Aar­gau. Bere­its 2011 hat seine Kör­per­schaft dazu aufgerufen, leere Liegen­schaften für Flüchtlinge und Asyl­suchende zu öff­nen.

Die Flüchtlings­frage und die Rolle der Kirche darin disku­tierte die RKZ an ihrer ersten Ple­narver­samm­lung unter Luc Hum­bels Leitung im März. Ja, da sei seine neue Ver­ant­wor­tung als RKZ-Präsi­dent an den Tag gekom­men, so Luc Hum­bel, scheint dem aber nicht allzu viel Bedeu­tung beizumessen. Wichtiger war für ihn, sich mit Kol­le­gen aus den Kan­ton­alkirchen aus­tauschen und tage­spoli­tis­che Fra­gen debat­tieren zu kön­nen. Das habe er schon immer als bere­ich­ernd emp­fun­den, seit er in der RKZ mitwirke, sagt Luc Hum­bel.

An Vereinbarungen mit Bischofskonferenz mitgewirkt

Mit sein­er neuen Auf­gabe als RKZ-Präsi­dent ist er zufrieden. Die Lust an der Tätigkeit an der RKZ-Spitze sei geblieben, zieht Luc Hum­bel nach rund 100 Tagen Bilanz. Im let­zten Jahr hat er als Vizepräsi­dent inten­siv bei den neuen Vere­in­barun­gen mit der Bischof­skon­ferenz mit­gewirkt. Wenn er sich so stark engagiere, könne er auch das Prä­sid­i­um übernehmen, erk­lärte Luc Hum­bel im let­zten Novem­ber seinen Entscheid gegenüber kath.ch. Den­noch hat­te er Respekt vor dem Umfang der Arbeit, die auf ihn zukom­men kön­nte. «Es ist inten­siv, aber dank dem her­aus­ra­gen­den Gen­er­alsekre­tari­at bewältig­bar», ist Luc Hum­bels Erfahrung nun.

Seine Beruf­ser­fahrung ist dem Juris­ten dabei dur­chaus von Nutzen. Ger­ade bei der Umset­zung der Zusam­me­nar­beitsvere­in­barung mit der Bischof­skon­ferenz gebe es Regle­mente zu machen und Abläufe zu definieren. Das sei ihm alles andere als fremd, so Luc Hum­bel. Der Anwalt ver­ste­ht sich aber auch als Für­sprech­er für Men­schen, die ihrem Anliegen kein Gehör ver­schaf­fen kön­nen, etwa für Flüchtlinge. Diese Hal­tung set­zt er im Rah­men seines kirch­lichen Engage­ments um.

Katholisch sozialisiert

Auf die Frage, weshalb er sich für die Kirche engagiere, ver­weist der RKZ-Präsi­dent auf seine katholis­che Sozial­isierung. Der in Zurzach aufgewach­sene Aar­gauer war jahre­lang engagiert­er Scharleit­er von Jung­wacht und Blau­r­ing. In der Kirche amtete er als Min­is­trant. Während sein­er Gym­nasialzeit habe er sog­ar als Siegrist ein Taschen­geld ver­di­ent, fügt er hinzu und wirkt dabei, als ob ihn diese Aus­sage selb­st über­raschte. Als prä­gend bleibt ihm auch der Umritt in Beromün­ster (Luzern) in Erin­nerung, an dem er sich als Bub mit sein­er Mut­ter beteiligte. Eine solche Selb­stver­ständlichkeit, den Glauben öffentlich zu zeigen, gibt es nach sein­er Ein­schätzung heute sel­ten.

In Luc Hum­bels Leben gab es eine Phase des «weniger inten­siv­en Dialogs mit der Kirche». Dann kam die Taufe sein­er Kinder. Die habe ihn emo­tion­al stark berührt. Der Entscheid, dem eige­nen Kind nicht nur seine Werte mitzugeben, son­dern mit der Taufe auch eine beson­dere Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, ging ihm sehr nahe. Als die Kinder später den Reli­gion­sun­ter­richt besucht­en, merk­te Luc Hum­bel erneut, wie nahe ihm alles noch war.

Beim gemein­samen Pal­men­binden fühlte er sich in der Pfar­rei sofort wieder behei­matet. Das Wort Heimat fällt mehrmals, wenn es um die Rolle der Kirche in seinem Leben geht. Die Kirche habe mit Heimat und Werten zu tun, so Luc Hum­bel. Auch die Fam­i­lie ist für ihn Heimat. Seinem inzwis­chen 19-jähri­gen Sohn und sein­er 17-jähri­gen Tochter will Luc Hum­bel einen guten Umgang mit der Schöp­fung und dem Gegenüber ver­mit­teln. Das habe viel mit dem christlichen Glauben und dessen Werten zu tun. Weit­ergeben will er aber auch eine «leicht kri­tis­che Hal­tung zu dem, was auf dem freien Markt und in der Poli­tik abge­ht».

Blume erinnert an Schöpfung

«Reli­gion ist die Unter­brechung des Nor­malen», zitierte Luc Hum­bel unlängst in einem Inter­view mit kath.ch einen The­olo­gen. Von dieser Aus­sage füh­le er sich stark abge­holt, bestätigt Luc Hum­bel. Er erlebe religiöse Erfahrung nicht nur im Gottes­di­enst – wo man ja zur Unter­brechung gezwun­gen sei –  son­dern auch im All­t­ag. Sehe er eine schöne Blume im Garten und widme sich ihr eine Weile, werde er sich der Schöp­fung bewusst, sagt Luc Hum­bel.

Wenige Gehminuten von der Anwalt­skan­zlei liegt die Kirche St. Niko­laus. «Das ist jet­zt meine Pfar­rei», sagt der Anwalt und set­zt sich auf eine Bank vor dem Seit­enein­gang. «Hier haben meine Kinder vor ein paar Jahren min­istri­ert». Das Engage­ment der Kinder habe ihm den Zugang zur Pfar­rei ver­schafft. Das sei ihm nach dem Umzug nach Brugg eine Hil­fe gewe­sen. Den Gottes­di­enst besucht er hier, sofern ihn nicht RKZ- oder kan­ton­alkirch­liche Auf­gaben daran hin­dern, etwa Sitzun­gen oder Anlässe, an denen seine Präsenz erwün­scht ist.

Erholung beim alpinen Wandern

Wie erholt sich der vielfach Engagierte? «Ich erlebe meine Fam­i­lie als erhol­sam – trotz teil­weise inten­siv­en Zeit­en», sagt Luc Hum­bel. Dort tanke er Kraft. Eine Berghütte in den Tessin­er Alpen hil­ft ihm, allein oder mit Fam­i­lie abzuschal­ten. Die grösste Erhol­ung finde er in den Bergen, beim alpinen Wan­dern, wie er sagt. Let­ztes Jahr wan­derte Luc Hum­bel mit ein­er Gruppe von Zer­matt nach Ander­matt, alles «oben durch».

 

Anne Burgmer
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