Kein Reformationsspiel im Surbtal

Kein Reformationsspiel im Surbtal

Während für den Pfar­reileit­er Gre­gor Doman­s­ki weltlich­es The­ater in der Kirche ein «No Go» ist, sieht Kirchen­rechtler Urs Brosi da dur­chaus Ermessensspiel­raum. Ver­schiedene Gläu­bige hinge­gen rät­seln und fra­gen sich, wie kon­ser­v­a­tiv ihre Pfar­rei gewor­den ist.Gal­lus Ottiger, seines Zeichens Katho­lik, Land­schafts­gärt­ner und The­ater­regis­seur ist im Surb­tal bekan­nt wie ein bunter Hund. 2010 hat er mit sechs Gelich­gesin­nten die Freilicht­bühne Surb­tal ins Leben gerufen und mit dieser bere­its zwei grosse sowie mehrere kleinere The­ater­pro­duk­tio­nen real­isiert. Die als Vere­in organ­isierte The­ater­gruppe zählt zurzeit rund 80 Aktivmit­glieder.

Pfarrer macht Haushälterin Antrag in der Kirche

Für 2017 hätte es anlässlich des Refor­ma­tion­sju­biläums ein Refor­ma­tion­sspiel in den Kirchen Leng­nau, Endin­gen und Tegerfelden geben sollen. «Mein Stück hätte gezeigt, wie sich die Kirche im Zuge der Ref­or­ma­tion verän­dert hat, und das Kirchenin­nere hätte dafür die ide­ale Kulisse abgegeben», erk­lärt der pas­sion­ierte The­ater­regis­seur. «Beispiel­sweise für eine Messe, wie sie vor 500 Jahren zele­bri­ert wurde. Aber auch für Verän­derun­gen, wie sie im Zuge der Ref­or­ma­tion Einzug gehal­ten haben.» In Gal­lus Ottigers Stück war auch ein Pfar­rer vorge­se­hen, der sich nach etlichem Rin­gen zum neuen Glauben beken­nen sollte, auf Deutsch predigt und schliesslich sein­er Haushäl­terin einen Heirat­santrag macht.Das alles war den Ver­ant­wortlichen in den Pfar­reien Leng­nau und Endin­gen zu gewagt: Von den Kirchenpfle­gen und von der Pfar­reileitung, Gre­gor Doman­s­ki, wurde die Auf­führung im Kirchen­raum abgelehnt. «Gal­lus Ottiger hat sich vorgestellt, dass die Schaus­piel­er am Altar qua­si eine Messe lesen. Das geht nicht», erk­lärt der Leng­nauer Kirchenpflegepräsi­dent Mario Schö­nen­berg­er. Und Gre­gor Doman­s­ki machte im Gespräch mit Hor­i­zonte gel­tend: «Es ist aus­drück­lich ver­boten, Sakral­räume für weltlich­es The­ater und andere Ver­anstal­tun­gen zu ver­wen­den.» Man habe Her­rn Ottiger stattdessen den abtrennbaren Gemein­der­aum zur Benützung ange­boten.

«Vom Kirchenrecht her ist Offenheit gegeben»

In der Tat besagt das Kirchen­recht (can. 1210 Codex Iuris Canon­i­ci), dass «an einem heili­gen Ort darf nur das zuge­lassen wer­den darf, was der Ausübung oder Förderung von Gottes­di­enst, Fröm­migkeit und Gottesverehrung dient». Zudem «ist das ver­boten, was mit der Heiligkeit des Ortes unvere­in­bar ist. Der Ordi­nar­ius kann aber im Einzelfall einen anderen, der Heiligkeit des Ortes nicht ent­ge­gen­ste­hen­den Gebrauch ges­tat­ten.»«Vom Kirchen­recht her ist da eine gewisse Offen­heit gegeben», erk­lärt der Thur­gauer Kirchen­rechtler Urs Brosi. «Man darf nicht vergessen, dass Kirchen früher auch für Gemein­de­v­er­samm­lun­gen genutzt wur­den.» Alles, was sich in der Tol­er­anz­zone zwis­chen Verkündi­gungsauf­trag und Unvere­in­barkeit bewegt, «muss allerd­ings vom Ordi­nar­ius, also vom Bischof oder von dessen Bischofsvikar geprüft wer­den.» Fak­tisch sei es in der Schweiz aber so, dass solche Dinge vor Ort von den Gemein­delei­t­en­den entsch­ieden wür­den.

Pfarreileitung: «Das Stück ist provozierend»

«Konz­erte mit ras­sis­tis­chen Liedern gehen nicht», erk­lärt Urs Brosi. Aber darüber hin­aus sei es schwierig abzuschätzen, was als unvere­in­bar gilt. Auch für das von der Freilicht­bühne beab­sichtigte The­ater­pro­jekt sieht Urs Brosi kein Prob­lem, sofern dieses nicht auf Kosten der kün­st­lerischen Frei­heit Reli­gion verunglimpft oder aus der reinen Lust an der Pro­voka­tion Gren­zen aus­lotet.Doch genau diesen Sachver­halt sahen die Gemein­de­v­er­ant­wortlichen im Falle des geplanten Surb­taler Refor­ma­tion­sspiels als erfüllt an. Gre­gor Doman­s­ki beze­ich­nete gegenüber Hor­i­zonte den Inhalt des geplanten Stücks als «provozierend» und meinte: «Unsere from­men Gläu­bi­gen kön­nten durch so etwas über­rascht wer­den. Aus diesem Grund kon­nte ich das nicht zulassen.»

Auch der reformierte Pfarrer will nicht

Bei der Freilicht­bühne Surb­tal reagierte man entsprechend ent­täuscht. Erst recht, als auch von Seit­en der Reformierten eine Absage kam. Pfar­rer Bern­hard Wintzer erk­lärte gegenüber Hor­i­zonte, er sel­ber hätte eine solche Idee an und für sich als sehr reizvoll emp­fun­den. Nur sei es schade, dass Gal­lus Ottiger im Jan­u­ar bere­its mit dem fer­ti­gen Stück an die Kirchge­mein­den herange­treten sei. Es wäre wichtig gewe­sen, wenn er bere­its vorher das Gespräch gesucht hätte. In diesem Fall hätte man gemein­sam sich­er einen Weg find­en kön­nen, der für alle gang­bar gewe­sen wäre. So aber gebe es inhaltlich und in öku­menis­ch­er Sicht zu viele Prob­leme, dieses Stück in ein­er reformierten Kirche im Refor­ma­tion­s­jahr aufzuführen.Ver­schiedene Sym­pa­thisan­ten der Surb­taler The­ater­schaf­fend­en äusserten angesichts dieser Ent­täuschung gegenüber Hor­i­zonte den Ver­dacht, dass das Pro­jekt let­ztlich «an der kon­ser­v­a­tiv­en Hal­tung des aktuellen Gemein­deleit­ers» gescheit­ert sei. Pfar­reim­it­glieder, die jedoch nicht namentlich erwäh­nt wer­den mocht­en, beklagten gegenüber Hor­i­zonte, dass Leng­nau früher offen­er und aktiv­er gewe­sen sei. Für Gemein­deleit­er Doman­s­ki zäh­le vor allem die Eucharistie, alles andere habe für ihn nicht dieselbe Bedeu­tung, hiess es beispiel­sweise.

Vorgänger hätten vermutlich anders gehandelt

Weit­er wurde gemut­masst, dass unter Gre­gor Doman­skis Vorgängern Dorothee Hafn­er und Andreas Wieland das geplante Refor­ma­tion­sspiel dur­chaus eine Chance gehabt hätte. Darauf ange­sprochen erk­lärt Dorothee Hafn­er: «Ich kenne die Freilicht­bühne Surb­tal und auch Gal­lus Ottiger — die machen gute Sachen. Unter mir und bes­timmt auch unter Her­rn Wieland hätte das Pro­jekt sich­er eine Chance bekom­men.»Doch es find­en sich auch Stim­men, die das anders sehen. So erk­lärt beispiel­sweise Eri­ka Müller aus Leng­nau: «Ich habe Ver­ständ­nis für den Entscheid der Gemein­de­v­er­ant­wortlichen. Man darf doch keine Heilige Messe als The­ater in ein­er Kirche auf­führen. Wenn man das in ein­er Turn­halle macht, ist das etwas anderes als in ein­er gewei­ht­en Kirche.»

Theatergruppe bringt neues Stück in einer Scheune

Wie auch immer: Anstelle eines grossen Refor­ma­tion­sspiels real­isiert die Freilicht­bühne Surb­tal dieses Jahr eine kleine Pro­duk­tion. Gespielt wird nicht in der Kirche, son­dern in ein­er Sche­une. Er habe darum etwas völ­lig Neues konzip­ieren müssen, erk­lärt Gal­lus Ottiger. «Weil die ursprüngliche Idee für die Kirche angelegt war». Doch es liess sich nicht erzwin­gen. Möglicher­weise in Erin­nerung an diesen Umstand trägt das neue Stück, das im Herb­st in Vogel­sang zur Auf­führung gelangt, den viel­sagen­den Titel «Erzwingli». 
Andreas C. Müller
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