Kein Exodus im Aargau

Kein Exodus im Aargau

Im Zuge unlängst veröf­fentlichter Sta­tis­tiken berichteten ver­schiedene Medi­en über ansteigende Kirchenaus­tritte. Im Aar­gau zeigt sich: Die Sit­u­a­tion präsen­tiert sich für 2016 entspan­nter als in den Jahren zuvor. Allein die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche Aar­gau verze­ich­net 8 Prozent weniger Aus­tritte und eine Zunahme bei den Ein­trit­ten um 27 Prozent.Im Aar­gau haben erneut weniger Katho­liken ihrer Kirche den Rück­en gekehrt. «Wir haben für 2016 weniger Aus­tritte zu verze­ich­nen als in den let­zten drei Jahren. Hinzu kommt, dass die Ein­tritte zugenom­men haben», freut sich Mar­cel Not­ter, Gen­er­alsekretär der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau.

«Zweithöchste Eintrittsrate ever»

In Zahlen aus­ge­drückt trat­en 2 791 Per­so­n­en im Jahre 2016 aus der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau aus. Das sind 8 Prozent weniger als 2015 (Anmerkung der Redak­tion: 2015 waren es 3 035). «Das ist der tief­ste Wert seit 2012», so Mar­cel Not­ter, und ergänzt, dass man 2016 mit der «zwei­thöch­sten Ein­trittsrate ever» aufwarten könne. 139 Per­so­n­en trat­en der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche im Aar­gau bei, ein Plus von 27 Prozent gemessen am Vor­jahr (Anmerkung der Redak­tion: 2015 waren es 109).Über die Gründe für das pos­i­tive Ergeb­nis mag Mar­cel Not­ter nur mut­massen: «Vielle­icht spielt eine Rolle, dass es 2016 wenig sach­liche Gründe für einen Kirchenaus­tritt gab.» Mit Sicher­heit, so glaubt der Gen­er­alsekretär, hät­ten die pos­i­tive Ausstrahlung der Arbeit von Pfar­reien, Kirchge­mein­den und Lan­deskirche einen Ein­fluss. Beispiel­sweise mit Pro­jek­ten wie der «Lan­gen Nacht der Kirchen». Und dann sei da ja noch Papst Franziskus mit seinen vie­len pos­i­tiv­en Sig­nalen.Als klein­er Wer­mut­stropfen bleibt für die Katho­liken der Rück­gang der Mit­gliederzahlen ins­ge­samt: War diese Zahl 2015 gegenüber dem Vor­jahr um lediglich 923 Per­so­n­en von 220 956 auf 220 033 zurück­ge­gan­gen, so weist die Rech­nung per Ende 2016 ein Minus von 1 250 Per­so­n­en aus, was einem Rück­gang von 0,6 Prozent entspricht. Mar­cel Not­ter spricht gle­ich­wohl von «sta­bilen Mit­gliederzahlen» und resümiert: « Der grösste Teil der Kirchenaus­tritte kann durch die Zuwan­derung aufge­fan­gen wer­den.»

Auch Christkatholiken bleiben stabil

Auch die Aar­gauer Christkatho­liken bleiben sta­bil. Hat­ten diese im let­zten Jahr noch einen Mit­glieder­rück­gang in Höhe von 4 Prozent zu verze­ich­nen, so ver­meldet Kirchen­rat­spräsi­dent Ernst Blust für 2016 eine «sta­bile Mit­gliederzahl». 2 952 hät­ten die acht Kirchge­mein­den im Rah­men der alljährlichen Umfrage für 2016 gemeldet. Das sind exakt gle­ich viel wie 2015 (Hor­i­zonte berichtete).Bei den Aar­gauer Reformierten wer­den die Zahlen für 2016 erst Anfang April 2017 veröf­fentlicht. Der Leit­er des Infor­ma­tions­di­en­stes der Reformierten Kirche Aar­gau, Frank Worbs, lässt allerd­ings schon jet­zt durch­blick­en, dass es in Sachen Aus­tritte wohl «nicht schlechter wird als 2015.» Zwar dürften die Gesamt­mit­gliederzahlen weit­er sinken – nach Schätzun­gen von Frank Worbs in etwa wie 2015, doch habe es im Jahre 2016 «etwas weniger deklar­i­erte Aus­tritte gegeben».Soll­ten sich diese Annah­men als richtig erweisen, wäre das ein Erfolg, zumal – wie auch Frank Worbs erk­lärt – Reformierte und Katho­liken zwar «ähn­lich viele Aus­tritte zu verze­ich­nen haben, jedoch die Mit­gliederzahl der Katho­liken auf­grund der Zuwan­derung nicht gle­ich stark zurück­ge­ht wie diejenige der Reformierten.» Von der Zuwan­derung prof­i­tiert vor allem die Römisch-Katholis­che Kirche, zumal noch immer die meis­ten in die Schweiz zuge­wan­derten Per­so­n­en aus den katholis­chen Län­dern Ital­ien, Deutsch­land und Por­tu­gal stam­men.

Reformierte Kirche will auf Distanzierte zugehen

Während die Aar­gauer Katho­liken keine speziellen Mass­nah­men ergreifen, um Kirchenaus­tritte zu ver­hin­dern, haben die Aar­gauer Reformierten das Pro­jekt «Lebenslang Mit­glied bleiben» lanciert. Ziel der Aktion ist es laut Frank Worbs, mit den dis­tanzierten Kirchen­mit­gliedern «bewusster und regelmäs­siger Kon­takt aufzunehmen». Denn, so der Leit­er des kirch­lichen Infor­ma­tions­di­en­stes bei der Reformierten Kirche Aar­gau: «Die meis­ten Aus­tritte kom­men von Dis­tanzierten, die von sich aus keinen Kon­takt zur Kirche suchen.»Ennet der Kan­ton­s­gren­ze liebäugeln auch die Katho­liken mit ein­er geschick­ten PR-Offen­sive. Das Ganze sei erst in der Ideen­phase, erk­lärt Dominik Thali von der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Luzern. Es werde darum gehen, zu zeigen, «wie Kirche wirkt». Wenn jemand in ein­er bes­timmten Lebenssi­t­u­a­tion über­legt, Unter­stützung in Anspruch zu nehmen, soll er bei der Suche nach Hil­fe rasch auf kirch­liche Ange­bote stossen und sehen, was diese leis­ten.

Beste Prävention: Engagierte Arbeit

Für Mar­cel Not­ter von der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche sind noch keine entsprechende Mass­nah­men angedacht: «Die beste Präven­tion ist die tägliche, engagierte Arbeit der Men­schen in den Pfar­reien und Kirchge­mein­den.» 

Nachtrag: Noch nie so viele Katholiken wie heute

Im Anschluss an die jüng­sten Veröf­fentlichun­gen durch das Bun­de­samt für Sta­tis­tik (BFS) und das Schweiz­erische Pas­toral­sozi­ol­o­gis­che Insti­tut St. Gallen (SPI) wurde von ver­schiede­nen Medi­en über steigende Kirchenaus­tritte und einen all­ge­meinen Rück­gang der kon­fes­sionellen Bevölkerungsan­teile berichtet.Das stimmt nur bed­ingt, wie auch Daniel Kosch, Gen­er­alsekretär der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz (RKZ) in einem Gast­beitrag für das katholis­che Medien­zen­trum deut­lich machte. Ein­mal abge­se­hen davon, dass die ein­gangs erwäh­n­ten Sta­tis­tiken erst den Zeitraum bis und mit 2015 abdeck­en, lebten laut Daniel Kosch in der Schweiz noch nie so viele Katho­liken wie heute. Gewiss sei der Anteil der Katho­liken an der Gesamt­bevölkerung von 46,7 Prozent im Jahre 1970 auf 37,3 Prozent im Jahre 2015 zurück­ge­gan­gen. Doch in absoluten Zahlen sei die katholis­che Kirche gewach­sen. Lebten 1970 in der Schweiz 2 136 719 Katho­liken, so waren es Ende 2015 bere­its 2 576 616.Die katholis­che Kirche kon­nte – im Gegen­satz zu den Reformierten — von der Zuwan­derung in die Schweiz stark prof­i­tieren. Laut dem Kirchen­boten für den Kan­ton Basel-Land­schaft ver­loren die Reformierten im gle­ichen Zeitraum «gut eine halbe Mil­lion Mit­glieder. Heute leben rund 1,7 Mil­lio­nen Protes­tanten in der Schweiz.»  
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben