Katholisch ohne Papst

Katholisch ohne Papst

Christkatholisch: Das wird auf Seit­en von römisch-katholis­chen Gläu­bi­gen oft mit Fortschritt in Verbindung gebracht; da geht alles, was in der römisch-katholis­chen Kirche nicht erlaubt ist. Frauen wer­den zu Pries­terin­nen gewei­ht, Priester müssen nicht zwin­gend zöli­batär leben. Lenz Kirch­hofer, 30-jähriger christkatholis­ch­er Priester in Aarau, gibt auf die Frage nach dem grössten Unter­schie zwis­chen den bei­den Kon­fes­sio­nen eine zunächst über­raschende Antwort: «Ich würde sagen, es ist die Grösse. Oder bess­er die Klein­heit der christkatholis­chen Kirche in der Schweiz, die uns von den bei­den anderen Lan­deskirchen unter­schei­det.»Organ­i­sa­tion der Glaubensweit­er­gabe Je genauer man hin­sieht, desto ver­ständlich­er wird diese Antwort: Rund 12’000 Christkatho­liken leben in der Schweiz. Ihr Bis­tum entspricht den Gren­zen der Eidgenossen­schaft, die Gemein­den sind flächemäs­sig gross, die Gläu­bi­gen dementsprechend weit ver­streut. Für seel­sor­gliche Haus­be­suche ist ein christkatholis­ch­er Priester oft­mals Stun­den unter­wegs. Auch die Organ­i­sa­tion der Glaubensweit­er­gabe gestal­tet sich anders. «Es lohnt sich für uns beispiel­sweise oft nicht, in jed­er Stufe Reli­gion­sun­ter­richt anzu­bi­eten. Wir fassen mehrere Jahrgänge zusam­men, um genü­gend Schüler in ein­er Gruppe zu haben. Deswe­gen find­et der Reli­gion­sun­ter­richt sel­ten im Rah­men der Pri­marschule statt, wie bei den anderen bei­den grossen christlichen Kon­fes­sio­nen. Meist wird der Unter­richt am Mittwochnach­mit­tag oder Sam­stag durchge­führt», erk­lärt Lenz Kirch­hofer, der auch als Redak­tor bei «christkatholisch», dem christkatholis­chen Kirchen­blatt, tätig ist. Wer sich später für ein Studi­um entschei­det, studiert The­olo­gie an der Fakultät Bern und besucht in den Bere­ichen Dog­matik, Kirchengeschichte und Liturgik die christkatholis­chen Schw­er­punk­te. Es gilt, Syn­ergien zu nutzen.The­ol­o­gis­che Unter­schiede Neben der Grösse sind es bes­timmte Auf­fas­sun­gen vom Papst-Amt und den Dog­men, welche die Christkatho­liken von den römisch-katholis­chen Chris­ten unter­schei­den. Am deut­lich­esten: Die Christkatho­liken erken­nen die Unfehlbarkeit und den Pri­mat des Pap­stes nicht an. Dieses Ver­ständ­nis des Pap­stamtes wurde im Jahre 1870, im Rah­men des Ersten Vatikanis­chen Konzils, fest­gelegt. Daraufhin kam es in Deutsch­land, Öster­re­ich und der Schweiz zur Tren­nung der Christkatho­liken von den römisch-katholis­chen Chris­ten. Im Ein­gen­ver­ständ­nis der Christkatho­liken hiel­ten sie am alten Glauben fest, während die römisch-katholis­che Kirche diesen verän­derte. Die Christkatho­liken sind also katholisch ohne Papst. Aussergewöhn­lich ist auch, wenn, wie im Fall von Lenz Kirch­hofer und sein­er Frau Antje, ein Ehep­aar zum priester­lichen Dienst gewei­ht wird. Gle­ich zwei Kri­tikpunk­te der römisch-katholis­chen Basis an ihrer Kirche sind somit in der christkatholis­chen Kirche kein The­ma. Römisch-katholis­che The­olo­gen, die zur Schwest­erkirche kon­vertieren, erleben aber nicht sel­ten im litur­gis­chen Bere­ich eine Über­raschung. «Wir haben das Zweite Vatikanis­che Konzil und damit auch dessen Liturgiere­form nicht mit­gemacht. Wir haben in den 1970er-Jahren mit ein­er Annpas­sung ange­fan­gen, die erst jet­zt abgeschlossen ist. Auch, weil vieles dieser Erar­beitung in der Freizeit der Beteiligten passiert. Die Liturgie ist ein Punkt, mit dem wir uns pro­fil­ieren. Sie ist etwas Heiliges, beson­ders für ältere und amt­ser­fahrene Priester. Manch römisch-katholis­ch­er The­ologe, der zu uns kon­vertiert, stolpert zunächst über den alten Rit­us», schmun­zelt Lenz Kirch­hofer.Gross­es Engage­ment Gesamthaft muss sich auch die christkatholis­che Kirche mit ähn­lichen Fragestel­lun­gen auseinan­der­set­zen wie die römisch-katholis­che Kirche in der Schweiz. Immer mehr Men­schen fühlen sich kein­er Kon­fes­sion mehr zuge­hörig oder sind stille Mit­glieder, die sich nicht aktiv engagieren. Diejeni­gen, die beispiel­sweise in der Kirchenpflege mit­tun, erlebt Lenz Kirch­hofer allerd­ings als über­aus engagiert. Und er gibt zu bedenken: «Selb­st wenn jemand nicht an jeden Anlass der Pfar­rge­meinde kommt, die Werte und die Moral, die wir als Kirche ver­mit­teln, wer­den im All­t­ag gelebt. Das ist sta­tis­tisch nur schw­er mess­bar, das ver­ste­he ich aber gle­ich­wohl als Engage­ment für unseren christlichen Glauben.»Anne Burgmer
Anne Burgmer
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