«Jugendarbeit braucht Rückendeckung»

«Jugendarbeit braucht Rückendeckung»

  • Mitte let­zten Monats gab das Leitung­steam des Jugend­kellers «Starlight» im Pfar­rei­heim Men­ziken seinen sofor­ti­gen Rück­tritt bekan­nt. Betreiberin des Lokals ist die römisch-katholis­che Kirchge­meinde Men­ziken-Reinach.
  • Offen­bar hat­ten Kirchenpflege und Leitung­steam unter­schiedliche Vorstel­lun­gen davon, was kirch­liche Jugen­dar­beit leis­ten soll.
  • Urs Bisang von der Fach­stelle «Jugend und junge Erwach­sene» erk­lärt, wie man solche Kon­flik­te ver­mei­det und unter welchen Umstän­den Beten im Jugend­keller Sinn ergibt.
 Die Aus­sagen bei­der Parteien lassen erah­nen, dass der Kon­flikt in Men­ziken schon länger schwelte. Während das langjährige Leitung­steam betont, das Lokal sei in den let­zten Jahren kon­fes­sion­sneu­tral geführt wor­den und für Men­schen jeden Glaubens offen, spricht die Kirchenpflege von «christlich­er Jugen­dar­beit, die sich von der weltlichen der poli­tis­chen Gemeinde unter­schei­den» müsse. Offen­bar wün­scht­en sich einzelne Pfar­reivertreter mehr Aktiv­itäten mit Bezug zu Glauben und Kirche. Der Kaplan äusserte den Wun­sch, man solle an den Anlässen im Jugend­keller doch jew­eils auch beten (Die Aar­gauer Zeitung berichtete).

Wer äussert den Wunsch?

Urs Bisang, The­ologe und Mitar­beit­er der Fach­stelle «Jugend und junge Erwach­sene» der römisch-katholis­chen Kirche im Aar­gau, war sel­ber kirch­lich­er Jugen­dar­beit­er. Ganz grund­sät­zlich solle man in einem Jugen­draum das tun, was für die Jugendlichen wichtig ist, ihnen gut tut und sie fördert, find­et er. «Wenn Jugendliche mit dem Wun­sch, zu beten, an die Jugen­dar­bei­t­en­den her­antreten, so würde ich das nicht auss­chliessen.» Komme der Wun­sch aber primär von Erwach­se­nen, etwa von Seit­en der Behör­den, so sei es unwahrschein­lich, dass dieser in einem Jugendtr­e­ff frucht­bar umge­set­zt wer­den könne. In diesem Fall sei ein spez­i­fis­ches Ange­bot für Jugendliche, etwa eine Gebets- oder Bibel­gruppe, sin­nvoller.

Offen für alle

Wie im Men­zik­er Jugend­keller «Starlight» verkehren in Jugendtr­e­ffs neben katholis­chen auch reformierte, mus­lim­is­che und kon­fes­sion­slose Jugendliche — oft mit unter­schiedlichem kul­turellem Hin­ter­grund. Der Jugendtr­e­ff soll offen für alle sein. Wenn also gebetet wer­den soll, müssen die Ver­ant­wortlichen weit­ere Über­legun­gen anstellen: «Wie soll gebetet wer­den? In welchen Sprachen? Mit Gebeten aus welchen Reli­gio­nen und Kon­fes­sio­nen?

Jede zweite Pfarrei mit Jugendraum

Wie die Kirchenpflege Men­ziken-Reinach in ihrer Stel­lung­nahme betont, befind­et sich der Jugend­keller «Starlight» im Keller des katholis­chen Pfar­rei­heims in Men­ziken. Die Kirche steuerte jährlich 1’800 Franken an den Betrieb bei. Zwar ken­nt die Fach­stelle Jugend und junge Erwach­sene keine genauen Zahlen, sie geht aber davon aus, dass etwa die Hälfte der rund 120 katholis­chen Aar­gauer Pfar­reien einen eige­nen Jugen­draum betreibt oder einen solchen unter­stützt. Fach­stel­len­mi­tar­beit­er Urs Bisang erläutert, dass Pfar­reien bei der Jugen­dar­beit mancherorts mit der poli­tis­chen Gemeinde zusam­menspan­nen: «Oft ist es so, dass Kirchge­mein­den einen finanziellen Beitrag an die Jugen­dar­beit der Gemeinde oder eines Vere­ins für die offene Jugen­dar­beit leis­ten. Manch­mal arbeit­en auch kirch­liche Mitar­bei­t­ende in solchen Jugendtr­e­ffs mit.» Das ermögliche inten­sive Kon­tak­te zu den Jugendlichen und zu anderen Jugen­dar­bei­t­en­den.

Unklarheiten sorgen für Ärger

Urs Bisang ist unter anderem für die Beratung und Begleitung der Pas­toral­räume in Sachen Jugen­dar­beit ver­ant­wortlich. Kon­flik­te entstün­den oft durch ungek­lärte Ziele oder unter­schiedliche Erwartun­gen der ver­schiede­nen Akteure in der kirch­lichen Jugen­dar­beit, sagt er: «Zum Beispiel wenn Seel­sor­gende erwarten, dass die Jugen­dar­beit mehr Jugendliche in den Gottes­di­enst bringt, die Jugen­dar­bei­t­en­den ihre Arbeit aber primär als Per­sön­lichkeits­förderung ver­ste­hen.» Eben­so prob­lema­tisch könne sein, wenn die Jugen­dar­beit auss­chliesslich an die Jugen­dar­bei­t­en­den delegiert und zu wenig als Teil der Pfar­reiar­beit gese­hen werde. Auch struk­turelle Unklarheit­en, also Fra­gen wie «Wer ist wofür ver­ant­wortlich?» und «Wer entschei­det über das Pro­gramm der Jugen­dar­beit?» kön­nen für Missver­ständ­nisse und Ärg­er sor­gen.

Wichtige «Player» einbeziehen

Deshalb achtet die Fach­stelle «Jugend und junge Erwach­sene» in der Beratung darauf, dass alle Beteiligten wichtige Punk­te miteinan­der klären. Ziele und Erwartun­gen, Ziel­grup­pen, Strate­gie, konkrete Mass­nah­men, Dienst­wege, Zuständigkeit­en und Ver­ant­wortlichkeit­en müssen fest­gelegt wer­den. Neb­st der Kirchenpflege und den Jugen­dar­bei­t­en­den sind dabei auch die Gemein­deleitung sowie das Seel­sor­geteam wichtige «Play­er».

Klarer Auftrag und kurze Kommunikationswege

Urs Bisang hält fest: «Jugendtr­e­ffs kön­nen dann gut arbeit­en, wenn sie von ihrem ‚Auf­tragge­ber’ – im Fall Men­ziken also von der Kirchenpflege und der Gemein­deleitung – gute Rück­endeck­ung, Ver­ständ­nis für ihre Arbeitsweise, einen klaren Auf­trag und kurze Kom­mu­nika­tion­swege haben.»

Religiöse Dimension gehört zum Menschsein

Jugen­dar­beit ver­ste­ht sich als Begleitung der Jugendlichen in ein­er nicht immer ein­fachen Leben­sphase. Der primäre Auf­trag ist deshalb, die Jugendlichen in ihrer Per­sön­lichkeit, ihrer Selb­st- und Sozialkom­pe­tenz zu fördern. Urs Bisang: «Das blendet religiöse The­men nicht aus, denn die kirch­liche Jugen­dar­beit geht davon aus, dass eine religiöse Dimen­sion zum Men­sch­sein dazuge­hört.» Vielerorts gibt es Ange­bote wie Taizé- oder Rom­reisen, Städtereisen mit spir­ituellem Inhalt und ähn­lich­es. Die kirch­liche Jugen­dar­beit zeich­net sich dabei aus durch Frei­willigkeit und Par­tizipa­tion. «Es geht darum, Bedürfnisse von Jugendlichen aufzunehmen und sie gemein­sam, das heisst unter Beteili­gung und Mitver­ant­wor­tung der Jugendlichen, auf geeignete Weise umzuset­zen. Dazu ist inten­sive Beziehungsar­beit notwendig, ein guter Draht zu den Jugendlichen, den es oft über lange Jahre aufzubauen gilt.»

Am Beispiel Jesu orientieren

Die Kirchenpflege Men­ziken-Reinach sprach gegenüber lokalen Medi­en davon, dass es sich bei ihrem Jugen­draum um «christliche Jugen­dar­beit» han­dle, die sich von der «weltlichen» der poli­tis­chen Gemeinde unter­schei­den müsse. Dazu hat Urs Bisang eine klare Mei­n­ung: «Wenn ‚christliche Jugen­dar­beit’ christlich sein will, dann muss sie sich am Beispiel Jesu ori­en­tieren. Jesus war für alle Men­schen da, ungeachtet ihrer Reli­gion, ihres Standes, ihres Geschlechts. Er hat sich für diejeni­gen einge­set­zt, die Hil­fe nötig hat­ten, die am Rand der Gesellschaft standen. Wer in diesem Sinn voll und ganz für die Jugendlichen da ist, der han­delt christlich. Dieses pos­i­tive Beispiel gelebter Zuwen­dung im christlichen Sinn und Geist wird auch Wirkung ent­fal­ten.» Hil­f­s­mit­telEmpfehlun­gen oder Hin­weise zur kirch­lichen Jugen­dar­beit find­en sich in ver­schiede­nen Deutschschweiz­er Hil­f­s­mit­teln zur kirch­lichen Jugen­dar­beit, etwa im «Klar­sicht» , im Grund­la­gen­doku­ment zum Berufs­bild Kirch­liche Jugen­dar­beit oder in der Arbeit­shil­fe «Jugend: Kirch­liche Jugen­dar­beit» des Bis­tums Basel  
Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben