Jubla bekommt Herbert Haag-Preis

Jubla bekommt Herbert Haag-Preis

  • Der Her­bert Haag Preis 2019 geht an Jung­wacht Blau­r­ing Schweiz, die Preisver­lei­hung find­et am 24. März statt. Die Her­bert Haag Stiftung zeich­net Per­so­n­en und Insti­tu­tio­nen aus, die sich durch freie Mei­n­ungsäusserung und mutiges Han­deln in der Chris­ten­heit exponieren.
  • Im grossen Inter­view erk­lären Valentin Beck, 35, The­ologe und Bun­de­spräs­es von Jubla Schweiz, Alice Stier­li, 32, Co-Prä­sid­i­um Jubla Schweiz, und Elias Müller, 26, Co-Präsi­dent Jubla Kan­ton Luzern, weshalb die Jubla wohl diesen Preis erhal­ten hat: «Frei­heit in der Kirche» lebt die Jubla dahinge­hend, dass längst nicht mehr Kirchen­mit­glied sein muss, wer mit­machen will. Auch kon­fes­sion­slose Scharleit­er sind kein Tabu.
 Die Jubla erhält den Her­bert-Haag-Preis 2019. Weshalb? Valentin Beck: Ein­er­seits für unser Kerngeschäft, Kindern und Jugendlichen eine sin­nvolle Freizeitbeschäf­ti­gung zu bieten. Das wird als wertvoller Beitrag für die Gesellschaft erachtet. Dies allein hätte für den Haag-Preis mit dem Titel «Für Frei­heit in der Kirche» wohl aber nicht gere­icht. Aus­geze­ich­net wer­den wir auch für den Prozess, in dem unser neues Leit­bild und das Hal­tungspa­pi­er Glauben und Kirche ent­standen ist. Ein Prozess, bei dem die Basis mit­tels Onlinebe­fra­gung und dutzen­den Work­shops bre­it ein­be­zo­gen wurde. Dabei dachte die Stiftung wohl an den umstrit­ten­sten unser­er fünf Grund­sätze, «Glauben leben». Wir tru­gen die Auseinan­der­set­zung darüber selb­st­be­wusst nach aussen – auch zu den Bis­chöfen.Kommt die Ausze­ich­nung über­raschend? Alice Stier­li: Nein, wir fühlen uns aber geehrt. Wir fassen den Preis als Kom­pli­ment dafür auf, dass wir uns mit dem The­ma Glauben und Kirche im Ver­band aus­führlich auseinan­derge­set­zt und wie wir die Diskus­sion um Wertvorstel­lun­gen geführt haben. Elias Müller: Ehrlich gesagt, von diesem Preis hat­te ich zuvor noch nie etwas gehört.In der Begrün­dung der Her­bert-Haag-Stiftung heisst es, in der Jubla lern­ten junge Men­schen «eigen­ständig, […] der Bedeu­tung des Evan­geli­ums für ihr Leben auf die Spur zu kom­men». Was heisst das für Sie? Elias Müller: Schwierig zu sagen… nur weil ich in der Jubla bin, kann ich nicht das Evan­geli­um erk­lären. Ich würde es offen­er aus­drück­en: In der Jubla wird das Evan­geli­um erleb­bar: Wir unternehmen zusam­men etwas, erleben Gemein­schaft. Spir­ituelle Erfahrun­gen sind dabei nicht an die Kirche als Gebäude geknüpft. Alice Stier­li: Der Punkt ist, dass wir unseren Glauben leben, und nicht erk­lären müssen. Man kann mit­machen, wird aber nicht gezwun­gen, und ent­deckt dabei vielle­icht etwas für sich. Elias Müller: Das Religiöse ste­ht nicht immer im Vorder­grund, man macht es ein­fach, ohne sich religiöse Gedanken dazu zu machen. Mich packt es auch, wenn wir zusam­men das Lied «Lauda­to si» sin­gen.Die Her­bert-Haag-Stiftung set­zt sich für «Frei­heit in der Kirche» ein. Die Jubla will sich diese offen­bar nehmen. Valentin Beck: Auch, ja. Wir sind ein Teil der katholis­chen Kirche. Da denkt man natür­lich schnell nur an Rom, an die Hier­ar­chie. Die Kirche hat aber nicht nur Struk­turen, son­dern vor allem Funk­tio­nen. Für uns ist sie wie ein Tisch, an den wir ein­laden. Wer mag, set­zt sich hin, und erhält so über­haupt die Gele­gen­heit, mit Fra­gen von Reli­gion und Glaube in Berührung zu kom­men. Wichtig sind uns ins­beson­dere die Gemein­schafts­bil­dung und die Ver­mit­tlung von Werten, indem wir diese vor­leben. Die Jubla-Werte sind dur­chaus christlich inspiri­ert und lassen sich aus dem Evan­geli­um begrün­den. Aber wir vere­in­nah­men diese Werte nicht für das Christliche allein. Für die Bewahrung der Schöp­fung zum Beispiel kann man sich auch aus anderen Glaubensper­spek­tiv­en oder in anderen Reli­gion­s­ge­mein­schaften ein­set­zen.Und die «Frei­heit­en», bezo­gen auf die kirch­lichen Dauer­bren­ner? Valentin Beck: Wir sind nicht die einzi­gen, die junge Men­schen befra­gen. Auch wir sprechen die oft disku­tierten «heis­sen Eisen» an, wie die Stel­lung der Frau in der Kirche oder die kirch­liche Sex­ual­moral, und auch bei uns zeigen sich klare Mehrheit­en für eine frei­heitliche Hal­tung. Die gele­gentliche Kri­tik der insti­tu­tionellen Kirche an uns knüpft hier an. Schon dass wir uns die Frei­heit her­aus­nehmen, unsere Mit­glieder über­haupt zu fra­gen, wie sie Kirche und Glauben ver­ste­hen, ist noch unge­wohnt. In der Jugendsyn­ode wurde ein erster Schritt in diese Rich­tung gemacht. Die Inter­pre­ta­tion ist dann ein weit­er­er Schritt — in der Jubla gibt es kein römis­ches Lehramt.Sie sagten, der Jubla-Grund­satz «Glauben leben» sei bei der Erar­beitung des neuen Leit­bilds der umstrit­ten­ste gewe­sen. Alice Stier­li: Glaube und Reli­gion polar­isieren. Es ist doch aber gut, wenn es dazu ver­schiedene Mei­n­un­gen gibt und man diese disku­tieren kann. Elias Müller: Dass der Grund­satz umstrit­ten war, hängt damit zusam­men, dass viele die Vorstel­lung haben, den Glauben lebe man in der Kirche und gemein­sam mit der Pfar­rei. Das ist zwar eine Vari­ante, und sie hat auch Platz. Der erwäh­nte Grund­satz ist aber viel offen­er for­muliert. Es heisst darin unter anderem: «Wir schaf­fen Raum für Fra­gen des Lebens. Wir set­zen uns ein für ein friedlich­es, gerecht­es und sol­i­darisches Leben.» Valentin Beck: Es gibt so viele Hal­tun­gen wie Mit­glieder und in den Jubla-Scharen vor Ort eine grosse Spannbre­ite, wie der Grund­satz «Glauben leben» ver­standen wird. So, wie er jet­zt vor­liegt, ist er der grösste gemein­same Nen­ner. Es war aber klar, dass die Jubla weit­er­hin ein kirch­lich­er Ver­band sein will. Der struk­turelle Hin­ter­grund des Ver­ban­des bleibt katholisch, das einzelne Mit­glied muss aber nicht Kirchen­mit­glied sein.Das heisst… Valentin Beck: …dass uns zum Beispiel ein Pfar­reileit­er anruft und reklamiert, der neue Scharleit­er sei ja aus der Kirche aus­ge­treten, das gehe doch nicht.Geht das? Valentin Beck: Ja, wir sind kon­fes­sionell offen. Und eine Schar wählt ihre Leitung sel­ber. Klar muss sie sich über­legen, ob es klug ist, jeman­den einzuset­zen, der antikirch­lich unter­wegs ist. Jubla ist aber als erstes Diakonie an der Jugend und für alle da. In der Gassechuchi gibts Suppe ja auch nicht nur für Kirchen­mit­glieder.Gibt es im Lager noch Eucharistiefeiern? Alice Stier­li: Also bei uns kam der Pfar­rer nie mit ins Lager. Wir haben aber eine Feier, sie hat ihren fes­ten Platz. Elias Müller: Unsere Feiern sind offen und sollen nicht nur Katho­liken ansprechen. Valentin Beck: In unserem Hal­tungspa­pi­er heisst es, spir­ituelle Ani­ma­tion solle so gestal­tet sein, dass sie zur Zusam­menset­zung und Tra­di­tion vor Ort passe. Ich kenne Beispiele, wo eine Eucharistiefeier unhin­ter­fragt Platz hat oder man vor jedem Essen das Vaterunser betet. Solche Scharen sind aber klar in der Min­der­heit. Ander­norts stösst man auf Ablehnung, wenn das Wort «Gottes­di­enst» schon nur erwäh­nt wird. Es gibt die ganze Span­nweite und viel dazwis­chen. Bräuche wie Sternsin­gen oder die Auf­nahme von Kindern oder Lei­t­en­den in einem Gottes­di­enst wiederum sind weit ver­bre­it­et. Alice Stier­li: Wenn in einem Lager vor dem Essen gemein­sam ein Text, ein Vers, gesprochen wird, heisst es mitunter: Ui, ihr habt gebetet. Aber wenn Fuss­baller vor einem Match zusam­men­ste­hen und sich Mut zus­prechen, würde das nie­mand sagen. Dabei ist es das nichts anderes. Ein Rit­u­al.Die Frei­heit, wie Sie sie nun beschrieben haben, kann vor Ort, in der Pfar­rei, auf Wider­stand stossen. Elias Müller: Die Verbindung der Scharen zu ihren Pfar­reien ist unter­schiedlich. Wenn der Kon­takt gut ist, eckt man wegen solch­er Fra­gen weniger an. Alice Stier­li: Die Leit­bild-Diskus­sion, die wir auf nationaler Ebene hat­ten, muss man auch in der eige­nen Pfar­rei führen.Gren­zt sich die Jubla ab von den charis­ma­tis­chen Bewe­gun­gen – Stich­wort Welt­ge­bet­stag –, die eben­falls viele Jugendliche anziehen? Valentin Beck: Die Jugend ist vielfältig, es braucht ver­schiedene Ange­bote, die nicht gegeneinan­der aus­ge­spielt wer­den sollen. Wir wer­den mitunter mit den Bewe­gun­gen ver­glichen – nicht etwa von den Jugendlichen selb­st aber –, und es kommt vor, dass man uns dann abspricht, noch katholisch zu sein. Das gren­zt aus der Per­spek­tive eines Präs­es, der sich aus christlich­er Moti­va­tion für Kinder und Jugendliche ein­set­zt, an eine Belei­di­gung. Katholisch zu sein kann sich auf ver­schiedene Weise aus­drück­en.Die Jubla will ein kirch­lich­er Ver­band bleiben. In eine Pfar­rei einge­bet­tet zu sein, hat für eine Schar ja auch materielle Vorteile. Valentin Beck: Dur­chaus. Wobei wir jenen unaus­ge­sproch­enen Han­del ver­mei­den wollen, wie es ihn früher da und dort gab: Ihr bekommt einen Raum, wenn ihr dieses und jenes für die Pfar­rei macht. Die Jubla soll ernst genom­men wer­den und selb­st­be­wusst auftreten; sie und die Pfar­rei sollen aus Überzeu­gung zusam­me­nar­beit­en und so gegen­seit­ig voneinan­der prof­i­tieren. Alice Stier­li: Wobei es nicht ver­w­er­flich ist, wenn man sich gegen­seit­ig aushil­ft, son­dern eine Frage der Moti­va­tion. Valentin Beck: Ja, aber die Teil­nahme an religiösen Ver­anstal­tun­gen darf auf keinen Fall ein Druck­mit­tel sein.Ist es ein Ziel, dass sich das Mit­machen in der Jubla später im Mit­machen in der Pfar­rei fort­set­zt? Valentin Beck: Innerkirch­lich argu­men­tiert, ja. Und vor 80 Jahren wurde die Jung­wacht tat­säch­lich auch für die kirch­liche Nach­wuch­srekru­tierung gegrün­det. Heute ist es sich­er ein Ziel, dass das Zusam­men­wirken von Jubla und Pfar­rei zu guten Kirch­en­er­fahrun­gen führt. Die logis­che Folge wäre, dass man sich später immer noch für die Kirche inter­essiert. Alice Stier­li: Wer in jun­gen Jahren Kirche in ver­schiede­nen Facetten erlebt, kann sie später auch so leben und besten­falls entsprechend prä­gen. Vielle­icht trägt dies zu ein­er Verän­derung bei.Die Jubla hält zur Kirche, wiewohl sie sich Frei­heit­en her­aus­nimmt. Müssen Sie sich dafür auch per­sön­lich recht­fer­ti­gen? Elias Müller: Wenig. Im katholisch geprägten Kan­ton Luzern weiss man zwar, dass die Jubla ein kirch­lich geprägter Ver­band ist. Man weiss jedoch auch, wie «Kirche» in unserem Ver­band gelebt wird. Alice Stier­li: Ich nicht. Aber Men­schen in meinem Umfeld, die nicht in der Jubla sind, stellen mir schon kri­tis­che Fra­gen. Ich ent­geg­ne ihnen, ich könne katholisch bleiben, auch ohne alles zu unter­stützen, was ver­meintlich dazu gehört. Der katholis­che Glaube passt eben nicht in einen einzi­gen Topf. Valentin Beck: Die Jubla sieht sich als Teil der katholis­chen Kirche, will diese Kirche mit­gestal­ten und auch verän­dern. Wir engagieren uns deshalb auch in der Allianz «Es reicht». Da hal­ten wir es gle­ich wie etwa der Frauen­bund.
Andreas C. Müller
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