
«Ich habe meinen Raum genutzt»
- PriÂorÂin Irene Gassmann vom Kloster Fahr plädiert seit Jahren für die GleÂichÂberechÂtiÂgung der Frauen innerÂhalb der römisch-katholisÂchen Kirche.
- Anlässlich der VereiÂdiÂgung der neuen SchweizÂerÂgardisÂten hielt sie als erste Frau eine Predigt in einem GottesÂdiÂenst im Vatikan.
- Das ist ein Schritt vorÂwärts, der die HoffÂnung auf VeränÂderung wachÂhält.
Dass der AarÂgau dieses Jahr als GastkanÂton zur VereiÂdiÂgung der neuen SchweizÂerÂgardisÂten am 6. Mai einÂgeÂladen war, bereÂitÂete den Boden für ein besonÂderes EreigÂnis. PriÂorÂin Irene Gassmann vom Kloster Fahr war zusamÂmen mit ClauÂdia MenÂnen, der LeiÂtÂerin der FachÂstelle BilÂdung und PropÂstei, verÂantÂwortlich für die VorÂbereÂitung der Liturgien für die VesÂper am FreÂitagabend und die Heilige Messe am SamÂstagÂmorÂgen. In der Frühmesse im PetersÂdom predigt traÂdiÂtionell ein KarÂdiÂnal, dieses Jahr der SchweizÂer KarÂdiÂnal Kurt Koch. Die Predigt in der VesÂper am VorÂabend der VereiÂdiÂgung hielt bis jetÂzt jewÂeils ein Bischof. PriÂorÂin Irene realÂisierte jedoch bei der VorÂbereÂitung: «JetÂzt ist der Moment, ich bin bereÂit.» Sie beschloss, den Raum, der sich ihr da bot, zu füllen: «Die VesÂper ist keine Messe, da kann ich einen Part übernehmen», sagte sie sich.
Ein gutes Miteinander
Bischof Felix Gmür, den sie im VorÂfeld informierte, war einÂverÂstanden. Es war abgemacht, dass PriÂorÂin Irene auf Deutsch predigt und Bischof Felix Gmür einen Teil auf FranzöÂsisch und ItalÂienisch anfügt. Als Bischof Felix nach ihr das Wort ergreifen sollte, habe er zuerst einen Moment der Stille gehalÂten und danach auf FranzöÂsisch und ItalÂienisch schlicht gesagt: «Wir fraÂgen in dieser Stille: was will Gott von mir?», erzählt PriÂorÂin Irene. Für sie ein schönes Zeichen: «Ich habe meinen Raum genutzt – und Bischof Felix hat mir diesen Raum gelassen.»
Damit war die PriÂorÂin des Klosters Fahr die erste Frau, die im Vatikan gepredigt hat. «Das ist ein Schritt vorÂwärts, der mich freut und mir Mut macht», sagt sie. Die stimÂmige Erfahrung stärke sie, denn es habe auch Mut gebraucht, sich dieser AufÂgabe zu stellen.
Gegenbild zu Prunk und Macht
Für PriÂorÂin Irene war klar, dass sie am VorÂabend der VereiÂdiÂgung etwas SpirÂituelles in den MitÂtelpunkt ihrer Predigt stellen würde und nicht kirchenÂpoliÂtisÂche Anliegen. «Ich habe mir überÂlegt, was ich diesen junÂgen MänÂnern sagen soll», sagt sie. «Da habe ich irgendÂwo den Satz geleÂsen ‘Gott ist diskret’. Das Bild von Gott als sanÂftes, leisÂes Säuseln bot sich mir als passendes GegenÂbild zum Vatikan an, der als ZenÂtrum der katholisÂchen Welt Macht und Prunk ausstrahlt.»
Die junÂgen GardisÂten und BunÂdesrätin VioÂla Amherd in der ersten ReiÂhe haben PriÂorÂin Irene aufmerkÂsam zugeÂhört. Lesen auch Sie hier, was PriÂorÂin Irene am VorÂabend der VereiÂdiÂgung gepredigt hat.
Aus dir bin ich ganz
Du hast mich, mein Gott, in Dir erdacht,
bevor du gemacht hast den Tag
und die Nacht.
Aus dir bin ich ganz.
Bin ganz Deine Gabe.
Im Feuer im Glanz DeinÂer Liebe erwacht.
Was ich bin, was ich habe.
Für wen? Wozu?
Seid still.
Das muss ich tief innen
besinÂnen.
Zurück will mein Wesen,
in Dich, Gott, hinein.
Woher es kam,
dass ich lebe und bin,
da gehöre ich hin,
da will ich sein,
seitÂdem ich verÂnahm
und erfahre:
Ich selbÂst, meine Habe,
ist Deine Gabe.
Für wen? Wozu?
Seid still.
Das muss ich tief innen
besinÂnen.
Du hast mich geschafÂfen
und mich mir gegeben,
ich soll so leben
wie Du:
Ein Quell
zum VerÂschenken,
die Leere im stillen zu füllen,
die Dürre zu tränken;
mit WassÂer,
das hell
aus dem Herzen springt
und singt.
Mit der Liebe, die gibt
und vergibt.
Die Liebe aus Gott,
die alle,
die jede und jeden
grenÂzenÂlos liebt.
Seid still.
Das muss ich tief innen
besinÂnen.
SilÂja WalÂter OSB
Predigt von Priorin Irene Gassmann
Predigt von PriÂorÂin Irene Gassmann zum Psalm von SilÂja WalÂter «Aus dir bin ich ganz» und der Lesung aus dem ersten Buch der Könige (19,9–13), gehalÂten am FreÂitag, 5. Mai 2023, in der Kirche SanÂta Maria delÂla Pietà in CamÂpo SanÂto TeuÂtonÂiÂco im Vatikan.
Für wen? Wozu? So fragt SilÂja WalÂter im Text, «Aus dir bin ich ganz»
Für wen? Wozu?
Liebe GottesÂdiÂenÂstÂgeÂmeinde, liebe GardisÂten, das sind FraÂgen, die uns MenÂschen nicht fremd sind.
Für wen? Wozu? Seid still. Das muss ich tief innen besinÂnen.
Es sind FraÂgen, die Zeit und Stille brauchen, bis sich eine Antwort zeigt. Wenn wir mit FraÂgen leben, so kann es geschehen, dass wir allmähÂlich in die Antwort hineinwachÂsen.
Auch der Prophet Elja lebte mit FraÂgen. Elja war ein leiÂdenÂschaftlichÂer Prophet. Ein Prophet sagt nicht die ZukunÂft voraus – wie wir das oft meinen, wenn wir z.B. von «WetÂterÂpropheten» sprechen. Nein, ein Prophet verkünÂdet das, was Gott in einÂer besÂtimmten SitÂuÂaÂtion zu sagen hat — und nicht das, was der Prophet will oder was die MenÂschen gerne hören möchtÂen. Propheten sind deshalb oft unbeÂliebt.
Diese Erfahrung machte auch Elja. Der Prophet Elja war ein gottverÂbunÂdenÂer MenÂsch, er pflegte die Beziehung mit Gott. Und denÂnoch machte auch er GrenÂzÂerÂfahrunÂgen im Leben. Er musste um sein Leben banÂgen und so floh er in die Wüste. Ja, er wünÂschte sich sogÂar den Tod.
In diesem Moment rührte ihn ein Engel an und sprach: «Steh auf, iss und trink, denn dein Weg, der vor dir liegt, ist noch weit!»
Elja stand auf, ass und trank und ging, gestärkt durch diese Speise, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum GottesÂberg Horeb.
AngekomÂmen beim GottesÂberg begab sich Elja in eine HöhÂle, um dort zu überÂnachtÂen. Und da ergÂing das Wort des HerÂrn an ihn: «Was willst du hier Elja?»
Gott ergreift die IniÂtiaÂtive. Er nimmt mit Elja die Verbindung wieder auf. In dieser neu gewonnenen VerÂbunÂdenÂheit verÂtraut Elja Gott seinen KumÂmer an.
Und dann macht Elja eine tiefe, berührende GotteÂserÂfahrung. Er erfährt: Gott ist diskret. Gott ist wedÂer im Sturm noch im ErdÂbeben noch im Feuer, sonÂdern in einem sanÂften leisen Säuseln. Oder wie MarÂtin Buber überÂsetÂzt: «Stimme verÂschwebenÂden Schweigens».
Gott ist diskret und gleÂichzeitÂig unbeschreibÂlich stark.
Elja spürt in sich neue LebenÂskraft, er tritt hinÂaus und stellt sich an den EinÂgang der HöhÂle.
Liebe SchwestÂern und Brüder, diese Stimme verÂschwebenÂden Schweigens kann jedÂer MenÂsch hören. OftÂmals unerÂwartet. Es ist Gottes Art mit uns in Beziehung zu komÂmen.
«Seid still. Das muss ich tief innen besinÂnen.»
Liebe GardisÂten, ihr verÂbringt viele StunÂden in Stille, im Schweigen, wenn ihr Wache steÂht. Und vielleÂicht fragt ihr euch manchÂmal auch: Für wen? Wozu?
Lebt diese FraÂgen. Nutzt diese StunÂden der Stille, um On-line – in Verbindung, in Beziehung – mit Gott zu komÂmen. Ihr werdet wie Elja erfahren: Gott ist diskret, er drängt sich nicht auf. Aber er ist da – in verÂschwebenÂdem Schweigen.
Liebe GottesÂdiÂenÂstÂgeÂmeinde, liebe GardisÂten, die Erfahrung von Gott berührt und geliebt zu werÂden, kann man nicht verÂschweigen. Wir sollen diese Liebe weitÂer verÂschenken. Das ist unsere BeruÂfung als ChristinÂnen und ChrisÂten.
Du hast mich geschafÂfen
und mich mir gegeben,
ich soll so leben wie du.
Eine Quelle zum VerÂschenken,
die Leere im stillen zu füllen,
die Dürre zu tränken;
mit WassÂer das hell aus dem Herzen springt und singt.
Mit der Liebe, die gibt
und vergibt.
Die Liebe aus Gott,
die alle,
die jede und jeden
grenÂzenÂlos liebt.
Seid still. Das muss ich tief innen besinÂnen.