«Hel­lo Pra­gue, this is Wis­li­kofen calling»

«Hel­lo Pra­gue, this is Wis­li­kofen calling»

  • Die Online-Dele­gier­ten neh­men in der Prop­stei Wis­li­kofen an der Syn­ode in Prag teil.
  • Über reli­giö­se und sprach­li­che Bar­rie­ren hin­weg leben die Teil­neh­men­den Synodalität.
  • Am Diens­tag­abend haben Tat­ja­na Diste­li und Hele­na Jep­pe­sen den Schwei­zer Bei­trag vorgetragen.

Diens­tag ist Tag drei der Kon­ti­nen­ta­len Syn­ode in Prag. Seit ver­gan­ge­nem Frei­tag befin­det sich die Drei­er­de­le­ga­ti­on aus der Schweiz, bestehend aus Bischof Felix Gmür, Tat­ja­na Diste­li, Gene­ral­se­kre­tä­rin der Lan­des­kir­che Aar­gau und Hele­na Jep­pe­sen von Fasten­ak­ti­on, in Prag.

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«Tags­über füh­ren wir vie­le inter­es­san­te Gesprä­che mit Men­schen aus aller Her­ren Län­der», schreibt Tat­ja­na Diste­li in ihrem Pra­ger Tage­buch, das sie auf Hori­zon­te lau­fend publi­ziert. Zum Auf­takt­got­tes­dienst am Sonn­tag sei die Kir­che «bre­chend voll» gewe­sen», berich­te­te sie aus der Haupt­stadt in Tsche­chi­en. «Pres­se überall.»

In der Prop­stei Wis­li­kofen geht es ruhi­ger zu und her. Zehn Schwei­zer Online-Dele­gier­te haben sich hier im Bil­dungs­haus zusam­men­ge­fun­den. Das phy­si­sche Tref­fen ist aus­ser­ge­wöhn­lich. Die mei­sten der ins­ge­samt 390 Online-Dele­gier­ten sit­zen, ver­sprengt im gan­zen Land, allein hin­ter ihren Computern.

Die Wis­li­ko­fer Online-Dele­ga­ti­on besteht aus der RKZ-Prä­si­den­tin Rena­ta Asal-Ste­ger, Men­ta­ri Bau­mann, Geschäfts­lei­te­rin der Reform­grup­pe «Alli­anz Gleich­wür­dig Katho­lisch», Clai­re Jonard, der Koor­di­na­to­rin des Zen­trums für Berufs­pa­sto­ral in der West­schweiz, der Tes­si­ner Theo­lo­gin Valen­ti­na Anzini, Marie-Antoi­net­te Lor­wich, West­schwei­zer Theo­lo­gin, Mar­jan Mar­ku, Prie­ster im St. Gal­ler Dom­ka­pi­tel, Schwe­ster Lui­za Mila­ni, in der Thur­gau­er Migra­ti­onspa­sto­ral tätig,  Simon Speng­ler, Spre­cher der Zür­cher Kan­to­nal­kir­che, Felix Ter­ri­er, Prie­ster des Bis­tums Basel und Mali­ka Schaef­fer ver­ant­wort­lich für den Web­auf­tritt und die sozia­len Medi­en der Kan­to­nal­kir­che in der Waadt.

Die Wis­li­ko­fer Grup­pe mag es direk­ter und lebt dabei gleich Syn­oda­li­tät. Der Begriff bedeu­tet: Gemein­sam auf dem Weg sein. Das sei «nicht ein­fach», hört man auch in der Sit­zung der Wis­li­ko­fer Grup­pe immer wie­der. Auch hier sind sich nicht alle einig. Nicht zur Ordi­na­ti­on der Frau­en, nicht zur Ehe für alle, nicht zum Bild der Kirche.

In der Pau­se lau­sche ich im Gang einem Zwie­ge­spräch zum The­ma Ehe für alle. Es wird hart geführt. Aber nach dem Kaf­fee keh­ren auch die Kon­tra­hen­ten gemein­sam an die Sit­zung zurück. Neben den Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten gibt es auch Sprach­bar­rie­ren. Zum Glück hel­fen ver­sier­te Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, dies zu über­win­den. Geleb­te Syn­oda­li­tät ist kein Spaziergang.

Geleb­te Synodalität

Um neun Uhr sind die deutsch­spra­chi­gen Dele­gier­ten im Bene­dikt­saal bereit. Die fran­zö­sisch spre­chen­den Dele­gier­ten zie­hen sich in ein ande­res Zim­mer zurück. Nun fol­gen online die Bei­trä­ge der ver­schie­de­nen Län­der. 200 Dele­gier­te aus ganz Euro­pa sind in Prag. Jede Dele­ga­ti­on hat sechs Minu­ten Redezeit.

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Gut zuhö­ren, kri­tisch reflektieren

Im Bene­dikt­saal herrscht gespann­te Auf­merk­sam­keit. Auf einer Gross­lein­wand sind die Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten zu sehen. Die Wis­kli­ko­fer Grup­pe hört auf­merk­sam zu. Ab und zu schmun­zelt jemand über das Rin­gen der Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer um die rich­ti­gen Wor­te. Dann und wann ver­nimmt man ein ange­spann­tes Schnau­ben im Saal. Wer ver­ste­hen will, muss sehr gut zuhö­ren. Auch wenn die längst wider­legt geglaub­ten Argu­men­te ermüden.

Die gros­sen Fen­ster im Sit­zungs­raum geben die Sicht frei auf die wei­ten Fel­der hin­ter dem ehe­ma­li­gen Bene­dik­ti­ner­klo­ster. Anders als im quir­li­gen Kon­fe­renz­ho­tel in Prag kann die Wis­li­ko­fer Grup­pe die gehör­ten Bei­trä­ge aus aller Welt in Ruhe reflek­tie­ren. Viel­leicht ist das ein Grund, wes­halb die Urtei­le hier in der idyl­li­schen und kom­for­ta­blen Umge­bung des Klo­sters oft kri­ti­scher aus­fal­len als bei den Schwei­zer Dele­gier­ten in Prag.

Ist das Kirchensprache?

Die Spra­che vie­ler Refe­rie­ren­den ist vol­ler Meta­phern. Manch­mal sind sie tref­fend, manch­mal ver­wir­rend. Oft nicht greif­bar. Ist das die Kir­chen­spra­che, die so vie­le von der Basis nicht mehr ver­ste­hen, wie in den Voten der Dele­gier­ten moniert wird?

Die Posi­tio­nen der ver­schie­de­nen Län­der sind aller­dings auch sehr ver­schie­den. Da ist der lau­te Ruf nach Öku­me­ne aus Lett­land, der Apell aus Luxem­burg, das schal­len­de Schwei­gen der­je­ni­gen, die nichts sagen, eben­so wahr­zu­neh­men. Die Mone­gas­sen sind besorgt, ihre Jun­gen nicht mehr zu errei­chen. In Mol­da­wi­en will man sich erst mal die syn­oda­le Metho­de aneig­nen und rich­tet einen kla­ren Fokus auf Migran­tin­nen und Migranten.

In der ukrai­ni­schen Epar­chie Mukat­sche­we kom­men Vor­be­hal­te gegen die Bedürf­nis­se ein­zel­ner Anspruchs­grup­pen zum Vor­schein. LGBTQI sei ein poli­ti­sches The­ma und kein Pro­blem der Kir­che. Im Votum der Nor­di­schen Län­der wünscht man sich die Betei­li­gung der Frau­en und dass die Kir­che im Ein­klang ste­he mit der moder­nen Welt.

Ver­un­si­che­rung über das Abschlusspapier

Beim Mit­tag­essen in Wis­li­kofen gibt das zwei­te Abschluss­pa­pier viel zu reden. Erst am Mor­gen haben die Dele­gier­ten erfah­ren, dass ein sol­ches Doku­ment nach Rom geschickt wer­den müs­se. Die Bischö­fe hät­ten die­ses allein zu ver­fas­sen. Das ist nicht syn­odal, sind sich vie­le in der Grup­pe einig.

Nach dem Essen folgt der Aus­tausch mit den Dele­gier­ten in Prag. Das zwei­te Abschluss­do­ku­ment gibt auch in Prag zu reden. Bischof Felix Gmür will sich dafür ein­set­zen, dass es nur ein gemein­sa­mes Abschluss­do­ku­ment geben sol­le. Allen­falls kön­ne es ein Begleit­do­ku­ment der Bischö­fe geben. Etwas ande­res erge­be schlicht kei­nen Sinn, fin­det der Bischof.

Prag – Wislikofen

Die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Wis­li­kofen und Prag geht durch das Mikro­phon eins Lap­tops. Wer reden will muss sich vor den Com­pu­ter stel­len und laut und deut­lich spre­chen. Jede Fra­ge und  jede Ant­wort wird auf Deutsch und Fran­zö­sisch übersetzt.

Auch die Pra­ger Grup­pe weiss nichts Genau­es über die Schluss­re­dak­ti­on des Abschluss­do­ku­ments. Hele­na Jep­pe­sen moti­viert die Wis­li­ko­fer Grup­pe, einen eige­nen Text zu ver­fas­sen, der vom sechs­köp­fi­gen Redak­ti­ons­team in den Abschluss­text ein­ge­ar­bei­tet werde.

Extre­me Span­nun­gen und Paradigmenwechsel

Bischof Felix Gemür ergreift das Wort: «Span­nun­gen, hier sind die extre­men Span­nun­gen das zen­tra­le The­ma». Sol­che Span­nun­gen neh­men alle Dele­gier­ten in ihren Aus­tausch­grup­pen wahr. Es gehe jetzt dar­um, respekt­voll mit den zugrun­de­lie­gen­den Dif­fe­ren­zen umzu­ge­hen, sagt Tat­ja­na Disteli.

Bemer­kens­wert fin­det die Gene­ral­se­kre­tä­rin der Aar­gau­er Lan­des­kir­che, dass alles bespro­chen wer­den kön­ne. «Das erle­be ich zum ersten Mal auf die­se Wei­se.» Alle The­men wür­den auf den Tisch gelegt: Got­tes­bild, Sün­den­ver­ständ­nis, Moral­vor­stel­lun­gen. Letzt­lich gehe es um die Fra­ge nach Recht­gläu­big­keit. Und die­se Fra­ge wer­de in allen Län­dern gestellt, in Ost und West. Was die Län­der unter­schei­de, sei­en die Mehr­heits­ver­hält­nis­se, sagt Tat­ja­na Diste­li. Was jedoch deut­lich zu spü­ren sei, ist der Wunsch, gemein­sam auf dem Weg zu einer Kir­che zu sein.

Theo­lo­gisch sehen Bischof Felix Gmür und Tat­ja­na Diste­li einen Para­dig­men­wech­sel. Viel häu­fi­ger wür­den die Tex­te aus dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil zitiert. Bischof Felix Gmür erin­nert, dass es Län­der gebe, wel­che die­se Tex­te erst seit kur­zer Zeit rezi­pie­ren, da sie vor­her schlicht ver­bo­ten gewe­sen sei­en. In Lett­land etwa sei­en die Tex­te erst vor fünf Jah­ren ins Let­ti­sche über­setzt worden.

Vor­trag der Schwei­zer Delegation

Die Span­nung in Prag und Wis­li­kofen steigt. Um 18 Uhr wird die Schwei­zer Dele­ga­ti­on ihr Votum abge­ben. Klar ist jetzt schon, vor­tra­gen wer­den die Frau­en. Um 18 Uhr tre­ten Tat­ja­na Diste­li und Hele­na Jep­pe­sen, bei­de in Schwarz, vor das Publi­kum. «Die Zeit drängt: Wir sehen die Not­wen­dig­keit einer ech­ten Umkehr. Des­halb ist die jet­zi­ge syn­oda­le Erfah­rung für vie­le ein wich­ti­ges Hoff­nungs­zei­chen…», sagt Tat­ja­na Diste­li. Die Red­ne­rin­nen pran­gern den sexu­el­len und spi­ri­tu­el­len Miss­brauch an und ver­lan­gen die Aner­ken­nung der Wür­de und Beru­fung aller Getauf­ten, sprich die Gleich­be­rech­ti­gung in der katho­li­schen Kirche.

Sie machen auf die schwei­ze­ri­schen Struk­tu­ren der Mit­be­stim­mung auf­merk­sam. Sie könn­ten ein Vor­bild für die Welt­kir­che sein. Hele­na Jep­pe­sen und Tat­ja­na Diste­li for­dern Inklu­si­on für Frau­en, que­e­re Men­schen, Arme, Flüch­ten­de, Men­schen ande­rer Her­kunft, Kran­ke, Men­schen mit Behin­de­rung. Für die Syn­ode im Herbst wün­schen sie sich: Bera­tung der Rol­le der Frau in der Kir­che unter der Mit­wir­kung von Frau­en – syn­odal eben.

Eva Meienberg
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