Gott ist im Alltag anwesend

Gott ist im Alltag anwesend

Psalm 139,1–6Lebendi­ger, du hast mich erforscht und kennst mich. Du weisst, ob ich sitze oder ste­he, du ver­stehst meine Gedanken von fern. Mein Gehen und mein Liegen – du misst es ab. Mit all meinen Wegen bist du ver­traut. Kein Wort ist auf mein­er Zunge – Lebendi­ger, du kennst sie alle. Von hin­ten und vorn hast du mich umschlossen und deine Hand auf mich gelegt. Wun­der­bar ist die Erken­nt­nis für mich, unbe­grei­flich, ich kann sie nicht fassen.Bibel in gerechter Sprache 

Gott ist im Alltag anwesend

Einen Ohrwurm habe ich seit eini­gen Wochen. Ein Lied von Ger­hard Ter­stee­gen, das nicht in unserem Gesang­buch ste­ht und das mich berührt – trotz sein­er Sprache, die uns heute unver­traut ist, aber zusam­men mit der wun­der­schö­nen Musik unsere Herzen erre­icht. Hier kön­nen Sie es anhören.Ein Lied voller Mys­tik und Gottes­nähe. Voller Intim­ität und Ehrfurcht, wobei ich diesen Begriff lieber mit Gottes­liebe über­set­zen möchte.

Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder.

Gott ist in der Mitte: Das ist ein Beken­nt­nis. Gott der Mit­telpunkt? Oder etwas anderes? Gott, die Mitte von allem, was lebt. Das Herzens­ge­bet kommt mir da in den Sinn. Immer wieder den Namen Jesu wieder­holen, ein Gebet, das ich auswendig wie inwendig kann. Par cœur.

Majestätisch Wesen, möcht ich recht dich preisen und im Geist dir Dienst erweisen. Möcht ich wie die Engel immer vor dir stehen und dich gegenwärtig sehen. Lass mich dir für und für trachten zu gefallen, liebster Gott, in allem.

Eine Liebe­serk­lärung an Gott: Lass mich dir gefall­en. Lieb­ster Gott. Daraus zieht Ter­stee­gen Kon­se­quen­zen für das eigene Leben. Seinen Kauf­manns­beruf gibt er auf und zieht sich in ein ein­fach­es Leben als Leinen­we­ber aus der Öffentlichkeit zurück. 1774 über­ant­wortet er sich ganz Chris­tus und führt ein Leben im Rhyth­mus des Gebets. Aus freiem Entschluss.

Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben, Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder: ich senk mich in dich hinunter. Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden.

Oder auch: Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. So wie Niklaus von Flüe das in seinem Hingabege­bet for­muliert hat. Ver­trauen darauf, dass Gott über­all ist und alles Seiende durch­dringt. Von vorn und hin­ten umschliesst Gott mich und legt seine Hand auf mich.

Mache mich einfältig, innig, abgeschieden, sanft und still in deinem Frieden; mach mich reines Herzens, dass ich deine Klarheit schauen mag in Geist und Wahrheit; lass mein Herz überwärts wie ein’ Adler schweben und in dir nur leben.

Alles, was zer­streut, lenkt mich ab von der Mitte, vom Zen­trum, vom Göt­tlichen in mir. Sich fokussieren, auf das eine konzen­tri­eren. Das meint Ter­stee­gen mit «mache mich ein­fältig». Und der Adler, der so hoch fliegt wie kein ander­er Vogel, sym­bol­isiert die Gottes­nähe.

Herr, komm in mir wohnen, lass mein’ Geist auf Erden dir ein Heiligtum noch werden; komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre, dass ich dich stets lieb und ehre. Wo ich geh, sitz und steh, lass mich dich erblicken und vor dir mich bücken.

Mit ein­er Bitte schliesst Ter­stee­gen sein Lied. Mit der Bitte um die ständi­ge Gegen­wart Gottes. Wo ich geh, sitz und steh: Dort ist Gott gegen­wär­tig. Es ist nicht notwendig, sich ins Kloster zurück­zuziehen. Gott ist im All­t­ag anwe­send. So wie Tere­sa von Ávi­la es for­muliert: Gott ist auch in den Kochtöpfen.Und vielle­icht haben Sie jet­zt auch einen Ohrwurm, der Sie beim Kochen oder Spazierenge­hen begleit­et?Dorothee Beck­er, The­olo­gin und Seel­sorg­erin. Gemein­delei­t­erin der Pfar­rei St. Franziskus, Riehen-Bet­tin­gen    
Christian von Arx
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