
Bild: © Marie-Christine Andres
Freigeist mit starken Wurzeln
Der neue Aargauer Kirchenratspräsident im Porträt
Pascal Gregor tritt das Amt als Kirchenratspräsident der Römisch-katholischen Kirche im Aargau am 1. September an. Im Gespräch erzählt er, wo seine Wurzeln liegen und warum er gerne abhebt.
Auf der Klosterhalbinsel Wettingen bewegt sich Pascal Gregor auf vertrautem Terrain. Die Kirche, den Park mit den alten Bäumen, dem Teich und der Klostergärtnerei kennt er, seit er denken kann. Im Palazzo mit Blick auf die Limmat lernte Pascal Gregor einst Lesen und Schreiben.
In der Übungsschule
Gregors Vater hatte Romanistik und Theologie studiert und unterrichtete am Lehrerseminar im Kloster Wettingen, sowie später, am gleichen Ort, an der Kantonsschule. Die Familie Gregor wohnte damals in Neuenhof. Die Kinder der Lehrpersonen besuchten die «Übungsschule» des Seminars, wo die Kinder am Vormittag von Lehrer Gysi unterrichtet wurden und am Nachmittag die angehenden Lehrerinnen und Lehrer den Unterricht übernahmen.
Von Neuenhof nach Oberrohrdorf
Pascal Gregor erinnert sich gerne an die Zeit, als das Kloster Wettingen für ihn Lernort und Abenteurspielplatz war. Lehrer Georg Gysi, Methodiklehrer, Schriftsteller und Philosoph, lehrte die Schüler, ihre Umgebung und die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen. Lebhaft erinnert sich Gregor an den Schulweg von Neuenhof über die Holzbrücke auf die Klosterhalbinsel. Und an einen unerfüllten Kindheitswunsch: die grosse Glocke der Klosterkirche zu läuten. Als Erstklässler durfte er vorerst nur die kleinere Glocke läuten, doch er freute sich darauf, bald die grosse Glocke in Schwung zu bringen und am Seil ein Stück vom Boden abzuheben. Doch bevor es soweit kam, zog seine Familie von Neuenhof nach Oberrohrdorf. «Das schien mir damals unendlich weit weg», sagt Gregor. Noch heute erinnert er sich, wie er seinen besten Freund zum Abschied umarmte.
Hinstehen ist wichtig
Als Gymnasiast kehrte er ins Kloster Wettingen zurück. Bald schon wusste er, dass er Lehrer werden wollte, brach deshalb die Kantonsschule ab und trat ins Lehrerseminar St. Michael in Zug ein. Die Erlebnisse und Erinnerungen von der Klosterhalbinsel bereiteten den Boden für starke Wurzeln – und die Entfaltung vieler Talente.
Als langjähriger Geschäftsführer der Stiftung «Integra», die sich sozial für Menschen mit kognitiven, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen einsetzt, stand Gregor immer wieder Rampenlicht und gehört zu den bekannten Persönlichkeiten im Freiamt. In den letzten Jahren wirkte er eher im Hintergrund. «Aber wenn nötig, stehe ich hin. Ich habe gemerkt, dass das als Kirchenratspräsident wichtig ist.»
«Mich interessiert das Wesen, nicht die Leistung»
In den letzten Wochen führte der designierte Präsident Gespräche mit den Mitgliedern des Kirchenrats. «Ich besuchte die Kirchenrätinnen und Kirchenräte am Ort ihrer Wahl, dort, wo sie arbeiten oder im Alltag wirken.» Thema der Gespräche waren die Projekte und Pendenzen des jeweiligen Ressorts, aber auch die Wünsche an den neuen Präsidenten.
Die Mitglieder des Kirchenrats leiten je einzelne Ressorts. Gerade deshalb ist es Gregor wichtig, dass der Kirchenrat auch als Team funktioniert und sich bewusst macht, wohin die Römisch-katholische Kirche im Aargau steuern will. «Gerade bei schwierigen Entscheidungen wie beispielsweise der Streichung von finanziellen Mitteln, ist es wichtig, zu wissen, woran man sich orientiert.» Zu definieren, wohin die Reise gehen soll, entspricht Gregors Profil als Organisationsentwickler. Mit seiner Firma Camino Consulting unterstützt er Leitungsgremien und Führungskräfte dabei, neue Wege einzuschlagen.
Gregors Berufserfahrungen, etwa als junger Lehrer an einer Gesamtschule oder später als Geschäftsführer von «Integra», haben ihn darin bestärkt, sich für das Wesen der Menschen und nicht primär für ihre Leistung zu interessieren. «Es geht nicht darum, sich mit anderen zu vergleichen und zu messen, sondern sich ein Ziel zu setzen.»
Allein in der Luft
Zum Beispiel das Gleitschirmbrevet. Die Prüfung dafür hat Pascal Gregor vor kurzem erfolgreich bestanden. Seine erwachsenen Kinder, die ihm zum 60. Geburtstag einen Gleitschirmflug geschenkt hatten, gaben den Anstoss dazu. «Mir ist Freiheit wichtig, und Fliegen ist der stärkste Ausdruck davon. Allein in der Luft zu sein, ohne Motor und technische Hilfsmittel, ist ein wunderbares Gefühl», sagt Gregor.
Frei fühle er sich aber auch im Alltag, sagt Gregor. Frei, weil er das, was er täglich tut, gerne macht: «Ich stehe am Morgen gerne auf, ich arbeite gerne. Weil es mich interessiert und ich etwas beitragen will. Ich empfinde es als Aufgabe und Pflicht, das einzusetzen, was Gott mir geschenkt hat.»