«feu sacré»: Tanz im Kloster Fahr

«feu sacré»: Tanz im Kloster Fahr

  • «Tanz gibt es real nicht im Kloster­all­t­ag», erk­lärt Pri­or­in Irene Gassmann vom Kloster Fahr und ergänzt mit einem Schmun­zeln: «Höch­stens an der Fas­nacht!».
  • Tanz gibt es bald ganz real im Kloster­all­t­ag. Vom 29. August bis 22. Sep­tem­ber 2019 im Kloster Fahr. Die Pro­duk­tion «feu sacré» ist eine tänz­erische Hom­mage an die Schrift­stel­lerin und Benedik­tiner­in Sil­ja Wal­ter und die leg­endäre Tänz­erin Susana.
  • Zwei Frauen; zwei völ­lig unter­schiedliche Lebenswel­ten und den­noch ver­band sie eine tiefe Fre­und­schaft.
 «Tanzen und Sein; ist das­selbe. Tanzen heisst; leben und lieben. Tanzen heisst; aufer­ste­hen.» Was Sil­ja Wal­ter 1972 in ihr Gedicht «Tan­zlied am Ende» fasste, lebte Susana. Am 10. Okto­ber 1916 in Nieder­scher­li im Kan­ton Bern als Susanne Loos­er in eine Arzt­fam­i­lie hinein geboren, spürte sie schon früh ihre Beru­fung zur Tänz­erin und zog folge dessen nach Sevil­la: «Ich kann nichts dafür, ich muss», lautete ihr Kom­men­tar. 1948 begann in Genf ihre weltweite Kar­riere als Tänz­erin zusam­men mit dem Spanier José de Udae­ta. Nach der Beendi­gung ihrer Tourneetätigkeit mit José konzen­tri­erte sich Susana auf ihre inten­sive Unter­richt­stätigkeit. 1983 ent­stand dazu ein Doku­men­tarfilm. Der Film «Fla­men­co at 5:15» wurde mit einem Oscar aus­geze­ich­net.

Zeitlose Schaffenskraft

Am 23. April 1919 kam in Rick­en­bach im Kan­ton Solothurn Sil­ja Wal­ter als zweites von neun Kindern ein­er Ver­legerfam­i­lie zur Welt. 1948 trat sie ins Benedik­tiner­in­nen­kloster Fahr ein. Nach Jahren des nicht ein­fachen Ein­lebens ins Kloster schrieb sie einzelne Auf­tragswerke wie «Wet­tinger Sternsinger». 1983 führte ein Radi­ogespräch Schwest­er Maria Hed­wig nach län­ger­er Schweigezeit wieder mit ihrem Brud­er Otto F. Wal­ter zusam­men; der in Anlehnung daran ent­standene Gesprächs­band «Eine Insel find­en» wurde ein Best­steller. In der Folge schrieb Sil­ja Wal­ter Lyrik, Pros­abände, Fest­spiele, Ora­to­rien und wichtige the­ol­o­gis­che Texte.

Verbindende Sehnsucht

«Susana und Sil­ja lern­ten sich über Peter Schif­fer­li ken­nen, dessen Arche-Ver­lag früher Sil­ja Wal­ters Texte her­aus­gab», weiss die Chore­ografin Brigit­ta Luisa Mer­ki. «Bei­de hat­ten Sehn­sucht nach dem, was die andere lebte.» So sehr die Kloster­frau Auftritte genoss, so sehr wün­schte sich die welt­berühmte Tänz­erin Rück­zug und Ruhe. «Begeg­neten sich die bei­den Frauen, tanzte die reformierte Susana mit der katholis­chen Nonne und Sil­ja Wal­ter wurde Susana zur geistlichen Beglei­t­erin.» Auch seien Tanz und klöster­liche Lebensweise dur­chaus ver­wandt, find­et die kün­st­lerische Lei­t­erin der Tanz­com­pag­nie «Fla­men­cos en route»: «Wer den Tanz zum Beruf macht oder im Kloster beste­hen will, muss mit sich im Reinen sein.»

Susana, Silja und Brigitta Luisa

Sil­ja Wal­ter war schon der jugendlichen Brigit­ta Luisa Mer­ki ein Begriff, war sie doch Wet­tinger Sternsin­gerin. Susana begeg­nete sie mit 18 Jahren, als sie erst­mals deren Som­merkurs in Zürich belegte: «Ich war sofort im Fla­men­co zuhause.» Susana und deren Mann Anto­nio Rob­le­do bee­in­flussten ihre kün­st­lerische Entwick­lung. 1984 wurde Susana auf Ini­tia­tive ihrer Meis­ter­schü­lerin Brigit­ta Luisa Mer­ki kün­st­lerische Lei­t­erin und Chore­ografin der Tanz­com­pag­nie «Fla­men­cos en route» in Baden. 1994 trat Brigit­ta Luisa Mer­ki ihre Nach­folge an.

Schritt für Schritt

Susana und Sil­ja umgaben Brigit­ta Luisa Mer­ki also bevor Pri­or­in Irene Gassmann sie anfragte, im Rah­men von «Sil­ja Wal­ter 1919–2019» ein Tanzpro­jekt zu real­isieren. «Schon bei der ersten Begeg­nung mit Brigit­ta Luisa Mer­ki ist der Funke gesprun­gen», erzählt die Pri­or­in. «Und das Pro­jekt entwick­elte sich fast wie ein Tanz – es ging Schritt für Schritt voran, eine Idee eröffnete die näch­ste.» Brigit­ta Luisa Mer­ki: «Überdies stellte ich in diesem Unter­wegs­sein freudig fest, dass ‚feu sacré’ die Jubiläum­spro­duk­tion zum 35-jähri­gen Beste­hen von ‚Fla­men­cos en route’ wird.»

Vom inneren Feuer

«feu sacré» ist eine tänz­erische Hom­mage an Susana und Sil­ja, an ihren Mut, ihre Inspi­ra­tion. Fünf Fla­men­co- und zwei zeit­genös­sis­che Tänz­erin­nen begleit­et von fünf Musik­erin­nen und Musik­ern kreieren aus­ge­hend von den klöster­lichen Räum­lichkeit­en St. Anna Kapelle, Prop­steigarten, dem Gang vor dem Sil­ja Wal­ter-Raum, Sprechz­im­mer, Kloster­garten, der Klosterkirche und dem Fried­hof ein Tanzpo­em, das sich zwis­chen der Sehn­sucht des Indi­vidu­ums und dem Wun­sch nach Aufge­hoben­sein in der Gemein­schaft bewegt», konkretisiert Chore­ografin Brigit­ta Luisa Mer­ki.

Tanzen und Sein ist dasselbe

Susana ver­starb 2010. Brigit­ta Luisa Mer­ki: «Sie war mir nahe als Men­sch, als Frau, als Kün­st­lerin. Ich betreute sie bis zum let­zten Atemzug.» In ihrem let­zten über­liefer­ten Tage­buchein­trag vom Dezem­ber 2010 schrieb Sil­ja Wal­ter: «Es ist hart (. . .) für mich, jet­zt zu tanzen.» Am 31. Jan­u­ar 2011 schloss auch sie für immer die Augen. Als tänz­erisch-musikalis­che Insze­nierung lebt die lebenslange Fre­und­schaft zwis­chen Susana und Sil­ja vom 29. August bis 22. Sep­tem­ber im Kloster Fahr nochmals auf, denn: «Tanzen und Sein; ist das­selbe. Tanzen heisst; leben und lieben. Tanzen heisst; aufer­ste­hen.» 
Marie-Christine Andres Schürch
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