Zu Fuss aufs Korallenriff

Mit dem Mot­to «sanf­te Hügel, raue Gip­fel» regt der Ver­ein oeku Kir­che und Umwelt dazu an, die Ber­ge als Lebens­raum zu ent­decken. Weit zu rei­sen braucht man dafür nicht, denn beein­drucken­de Gip­fel­er­leb­nis­se bie­tet auch der Aar­gau.Ber­ge sind die Ver­bin­dung zwi­schen Him­mel und Erde. An die­sem Mor­gen auf dem Wald­pfad fliesst der Him­mel den Wan­de­rern schon von wei­tem ent­ge­gen.  Dun­kel­grü­ne Trop­fen plat­zen, Nebel­schlei­er huschen über die Berg­flan­ken. Die Füs­se auf dem kan­ti­gen Kalk­stein, den Kopf in den Wol­ken, stei­gen die Berg­gän­ger auf. Zuoberst ange­kom­men, sind sie vom Him­mel ganz umge­ben.Weg vom Hier und Jetzt An die­sem Mor­gen ver­steckt sich das spek­ta­ku­lä­re 360-Grad-Pan­ora­ma hin­ter Nebel­schwa­den. Den­noch ist das Ver­wei­len auf dem Gip­fel der Gis­li­flue auch ohne die Rund­um­sicht auf Sän­tis und Alpen und Schwarz­wald ein Erleb­nis. Der Ket­ten­ju­ra-Gip­fel zwi­schen Biber­stein und Auen­stein im Süden und Thal­heim im Nor­den gehört zum regio­na­len Natur­park «Jurapark Aar­gau». Die grü­ne Schatz­kam­mer zwi­schen Zürich und Basel umfasst 28 Gemein­den in den drei Bezir­ken Aar­au, Brugg und Lau­fen­burg. Chri­sti­ne Neff arbei­tet seit vier Jah­ren als Co-Geschäfts­lei­te­rin des Juraparks Aar­gau. Die Viel­falt der Lebens­räu­me und der Dör­fer mit ihren Eigen­hei­ten beein­drucke sie, sagt die in Brugg auf­ge­wach­se­ne Geo­gra­fin und fügt an: «Bemer­kens­wert fin­de ich auch, dass man hier innert zwan­zig Minu­ten zu Fuss von der Agglo­me­ra­ti­on Aar­au in die ursprüng­li­che Natur gelangt.» Von unten scheint die Gis­li­flue ganz von Wald bedeckt. Auf dem Gip­fel aber ver­mit­teln der blan­ke Stein und die medi­ter­ran anmu­ten­de Vege­ta­ti­on auf den Fels­na­sen das Gefühl, weit weg vom All­tag zu sein. Das Ver­wei­len auf der Gis­li­flue trägt einen weg vom Hier­Jetzt. Chri­sti­ne Neff weist durch den Nebel Rich­tung Süden: «Hier liegt das Molas­se­becken des Mit­tel­lan­des. Und das, wor­auf wir jetzt ste­hen, war ein­mal ein Koral­len­riff im Urmeer The­tys.»Stein gewor­de­ne Zeit Die Auf­fal­tung der Alpen setz­te vor 135 Mil­lio­nen Jah­ren ein und durch deren zuneh­men­den Druck ent­stand vor etwa 10 Mil­lio­nen Jah­ren der Fal­ten­ju­ra. So wur­de aus dem ein­sti­gen Mee­res­grund ein heu­te 772 Meter hoher Berg mit ver­stei­ner­ten Muscheln und Ammo­ni­ten. Das Ste­hen auf dem frü­he­ren Mee­res­grund mit­ten im Aar­gau macht demü­tig. «Ber­ge sind für uns Orte spi­ri­tu­el­len Erle­bens: Dort ist Erha­ben­heit und Stil­le, dort kommt der Mensch zu sich selbst», schreibt der Ver­ein oeku zur dies­jäh­ri­gen Akti­on «Schöp­fungs­Zeit», die sich dem Lebens­raum Ber­ge wid­met. Auf die Gis­li­flue trifft das zu. Die Erha­ben­heit der Natur vor der Nase und die Mil­lio­nen von Jah­ren im Rücken stim­men ehr­fürch­tig. Ter­min­druck und All­tags­sor­gen lösen sich auf im Ange­sicht der Stein gewor­de­nen Zeit.Die gros­se Hufeisennase Ganz aktu­ell hin­ge­gen ist der Jurapark Aar­gau in sei­nen Anlie­gen. «Wir set­zen uns für die Natur- und Kul­tur­land­schaft im Park ein», erklärt Chri­sti­ne Neff. Die Park­flä­che bie­tet unter­schied­lich­ste Lebens­räu­me von Auen­land­schaf­ten bis zu Mager­wie­sen, Hecken und Föh­ren­wäl­dern. Der Gar­ten­rot­schwanz und die gros­se Huf­ei­sen­na­se, eine sel­te­ne Fle­der­maus­art, pro­fi­tie­ren bei­spiels­wei­se von den Hoch­stamm­bäu­men. Damit ein Gebiet Natur­park wer­den kann, muss es eine viel­fäl­ti­ge Land­schaft, rei­che Bio­di­ver­si­tät und cha­rak­te­ri­sti­sche Kul­tur­gü­ter auf­wei­sen. Von den 28 Gemein­den im Jurapark besit­zen 14 ein Orts­bild von natio­na­ler Bedeu­tung. Das 241 Qua­drat­ki­lo­me­ter gros­se Gebiet beinhal­tet diver­se Schutz­ge­bie­te von natio­na­ler Bedeu­tung: Den Tafel­ju­ra und den Fal­ten­ju­ra mit sei­nen Jura­ket­ten, die Auen­land­schaft beim Was­ser­schloss sowie die Auen­land­schaft zwi­schen Aar­au und Wild­egg.Schön­heit vor der Haustür Finan­ziert wird der regio­na­le Natur­park vom Bund, von den Kan­to­nen Aar­gau und Solo­thurn, den betei­lig­ten Gemein­den und von Spon­so­ren. Die Gemein­den zah­len pro Jahr und Ein­woh­ner einen Fünf­li­ber an den Park. Regio­na­le Natur­parks bau­en im Gegen­satz zum Schwei­zer Natio­nal­park, des­sen Kern­zo­ne für Men­schen unzu­gäng­lich ist, auf «Schutz durch Nut­zung» sowie auf Mit­spra­che und Enga­ge­ment der Bevöl­ke­rung, wie Chri­sti­ne Neff erklärt. Recht­lich gese­hen gebe es kei­ne Hand­ha­be, das Park­ge­biet vor mensch­li­chen Ein­grif­fen und Ein­flüs­sen zu schüt­zen. Die Sen­si­bi­li­sie­rung der am Park betei­lig­ten Gemein­den sei eine Haupt­auf­ga­be, führt die Geo­gra­fin aus. Ziel sei es, mit den Natur­schön­hei­ten vor der Haus­tü­re bewusst umzu­ge­hen. Davon pro­fi­tiert die Regio­nal­wirt­schaft: Das Jurapark- Label für regio­na­le Pro­duk­te erwei­tert die Absatz­ka­nä­le der Land­wir­te, die Park­pro­jek­te för­dern natur­na­hen Tou­ris­mus. Die Geschäfts­stel­le des Juraparks in Linn mit acht Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern und ins­ge­samt 500 Stel­len­pro­zent nimmt Ideen auf und initi­iert eige­ne Pro­jek­te. Von der Schul­rei­se mit Ammo­ni­ten-Suche über den Besuch im ehe­ma­li­gen Berg­werk bis hin zum Gar­ten­rund­gang mit dem «Glögg­li­frosch » bie­tet der Jurapark Aar­gau ein viel­fäl­ti­ges Kul­tur- und Erleb­nis­pro­gramm.Feu­er­sa­la­man­der Auf dem Rück­marsch hin­un­ter nach Thal­heim im Schen­ken­ber­ger­tal kreuzt ein jun­ger Feu­er­sa­la­man­der den Weg der Wan­de­rer. Leben­di­ger Beweis, dass im Aar­gau­er Jura neben jahr­mil­lio­nen­al­ten Fos­si­li­en rei­ches Leben gedeiht. Schöp­fungs­zeit Die Zeit zwi­schen dem 1. Sep­tem­ber und dem 4. Okto­ber ist der Schöp­fung gewid­met. Der Monat schliesst Bet­tag und Ern­te­dank­fest ein. Der Ver­ein «oeku Kir­che und Umwelt» erar­bei­tet Grund­la­gen für die Umwelt­ar­beit in Kirch­ge­mein­den. Mit den Ber­gen schliesst oeku die Rei­he zu den Lebens­räu­men ab, die 2011 mit dem Wald begon­nen hat. Wer den Jurapark Aar­gau ken­nen­ler­nen möch­te, hat am Sams­tag, 5. Sep­tem­ber 2015, Gele­gen­heit dazu. Im Rah­men des Dorf­fe­stes Zei­hen fin­det das Jurapark-Fest statt. Ein Markt mit regio­na­len Pro­duk­ten, Demon­stra­tio­nen von altem Hand­werk und ein viel­fäl­ti­ges kuli­na­ri­sches Ange­bot erwar­ten die Besu­cher. www.oeku.ch und www.jurapark-aargau.ch
Marie-Christine Andres Schürch
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