Matthäus 10,36b–39Jesus sagte: Die Hausgenossen eines MenÂschen werÂden seine Feinde sein. Wer Vater oder MutÂter mehr liebt als mich, ist meinÂer nicht wert … Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachÂfolÂgt, ist meinÂer nicht wert. Wer das Leben findÂet, wird es verÂlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verÂliert, wird es findÂen. Neue EinÂheitÂsüberÂsetÂzung Familienzwist
BarÂbara hat trotz ihres Namens – «die BarÂbarin, die Fremde» – den Sprung in den erlauchtÂen Kreis der Vierzehn Nothelfer geschafft und wird zusamÂmen mit zwei KolÂleginÂnen mit einem eigeÂnen Vers geehrt:
«MarÂgareÂta mit dem Wurm,
BarÂbara mit dem Turm,
KathaÂriÂna mit dem Radl,
das sind die drei heiliÂgen Madl.»HinÂter den volkÂstümÂlichen Reimen verÂbirgt sich blutiger Ernst bis auf den heutiÂgen Tag. Weltweit werÂden MädÂchen und Frauen ausÂgeÂbeutet und zwangsweise verÂheiratet, verÂstümÂmelt und vergeÂwaltigt (auch aus religiösen MotivÂen, da gibts nichts zu beschöniÂgen). Vielerorts gilt die Ehre der FamÂiÂlie alles, nichts hingeÂgen die körÂperÂliche, geistige und seelÂisÂche Unversehrtheit der junÂgen Frau. GlaubenÂskrieg in der FamÂiÂlie: Auf dieser Bühne tritt BarÂbara, die Jungfrau-MärÂtyrin, als HoffÂnungsträgerin auf. Die LegÂende entÂlarvt den schweÂlenÂden FamÂiÂlienÂzwist, die sadisÂtisÂche Grausamkeit der nächÂsten AngeÂhöriÂgen, nenÂnt die hässliche RealÂität beim Namen, dass nämÂlich der Vater die eigene Tochter umbringt. Doch das «schwache Geschlecht» überÂsteÂht alle AnfechÂtung, geht in Würde den Weg bis zum Ende, bleibt treu bis in den Tod. Ob das der Grund ist, warum BarÂbara gerÂade für starke MänÂner (Bergleute und Kumpels, TunÂnelÂbauer und ArtillerisÂten) eine glaubÂwürdiÂge SchutzÂpaÂtronÂin ist?Die Kirche spricht mit BewunÂderung und Hochachtung von einem «zweifachen Sieg», den die heroÂisÂchen Frauen errunÂgen haben, einÂerÂseits durch ihr jungfräulichÂes Leben, anderÂseits durch ihr MarÂtyriÂum. Für heutige Ohren klingt das ein wenig verdächtig. Die frühe ChrisÂtenÂheit jedoch verÂstand die Jungfräulichkeit als Zeichen der UnabÂhängigkeit von familÂiären ZwänÂgen und männlichen MachÂtansprüchen. Die Jungfrau hatÂte sich emanzipÂiert von despoÂtisÂchen Vätern und aufÂdringlichen LiebÂhabern, von KonÂvenÂtioÂnen und TraÂdiÂtioÂnen, um sich exkÂluÂsiv ChrisÂtus hinzugeben, ein Akt, der seine höchÂste SubÂlimÂierung findÂet in der BereÂitschaft, aus Liebe zum götÂtlichen Bräutigam in den Tod zu gehen.Entsprechend tiefÂgründig sind die beiÂden Attribute der HeiliÂgen, der Turm und der Kelch mit der Hostie. Der Turm symÂbolÂisiert FesÂtigkeit und Treue, VerÂlässlichkeit und GeborÂgenÂheit, verÂweist auf die VerÂstossung durch die FamÂiÂlie und gleÂichzeitÂig auf die UnanÂtastÂbarkeit der GewisÂsensÂfreiÂheit: «Du, Gott, bist meine Zuflucht, ein fesÂter Turm gegen die Feinde» (Psalm 61). Kelch und Hostie in der Hand einÂer Frau: Ein starkes Stück! «Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des HerÂrn!» Dieser Vers aus Psalm 116 wurde früher gern aufs PrimÂizÂbildÂchen eines NeuÂpriesters gedruckt.Es liegt also nahe, in BarÂbara die PriesÂterin zu sehen, die berufen ist, SterÂbende mit dem heiliÂgen SakraÂment zu stärken, MutÂlose aufzurichtÂen, VerzaÂgte zu trösten. So hat sich an ihr die VerÂheisÂsung erfüllt: «Wer das Leben um meinetwillen verÂliert, wird es findÂen» – und weitÂergeben! Das ist auch die Botschaft des BarÂbarazweigs. Er wird am 4. DezemÂber vom Kirschbaum geschnitÂten, in der Erwartung, dass er an WeiÂhÂnachtÂen zum Blühen kommt. Schlicht und schön verÂheisst er in winÂterÂlichÂer Nacht und Kälte neues Leben.
Peter von Sury, Abt des BenedikÂtinÂerkÂlosters MariÂastein