Gott in allen Din­gen suchen und finden

Gott in allen Din­gen suchen und finden

Johan­nes 15,4–5.9Bleibt in mir und ich blei­be in euch. Wie die Rebe aus sich kei­ne Frucht brin­gen kann, son­dern nur, wenn sie am Wein­stock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Wein­stock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich blei­be, der bringt rei­che Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts voll­brin­gen. Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in mei­ner Liebe!Ein­heits­über­set­zung 2016 

Gott in allen Din­gen suchen und finden

«Der Christ der Zukunft wird ein Mysti­ker sein, oder er wird nicht sein», mit die­sem Satz schau­te der Theo­lo­ge Karl Rah­ner 1966 in die Zukunft. Wir Chri­stin­nen und Chri­sten kön­nen nur dann über­zeu­gend und glaub­wür­dig sein, wenn wir zutiefst inner­lich ange­rührt sind von Gott, von Jesus Chri­stus, von sei­nem Leben und sei­ner Bot­schaft. Wenn Glau­be mehr ist als Bekennt­nis und Pflicht­er­fül­lung. Wenn unser Leben getra­gen ist von unse­rer Bezie­hung zu Gott.Aus die­ser untrenn­ba­ren Ver­bin­dung zu Gott leb­ten und leben mystisch begab­te Men­schen durch die Jahr­hun­der­te hin­durch und haben einen gros­sen Schatz an spi­ri­tu­el­ler Lite­ra­tur hin­ter­las­sen. Das Wort Mystik stammt aus dem Grie­chi­schen und kann zurück­ge­bun­den wer­den an die Wor­te «myein» = «die Augen schlies­sen». Pierre Stutz schreibt dazu: «Schlies­se die Augen, schaue nach innen, um die tie­fe­re Ver­bun­den­heit mit allem kla­rer zu sehen und zu spü­ren.»Zahl­rei­che Namen kom­men mir in den Sinn, Frau­en und Män­ner, die als Mysti­ker und Mysti­ke­rin­nen in ihrem Leben auf der Suche nach Gott waren. Die die­se Ver­bin­dung zu Gott auch durch schwe­re Zei­ten und schein­ba­re Abwe­sen­heit Got­tes immer wie­der neu ersehnt haben. Sehn­sucht ist hier das Schlüs­sel­wort. Die Sehn­sucht nach dem «Mehr» – danach, immer mehr sein Leben dem Wil­len Got­tes ent­spre­chend zu füh­ren und Jesus Chri­stus immer mehr lie­ben zu ler­nen – sie gehört zur Spi­ri­tua­li­tät des Igna­ti­us von Loyo­la. Und der Satz «Alles zur grös­se­ren Ehre Got­tes» ist heu­te noch der Leit­spruch der Jesui­ten.Sehn­sucht treibt auch alle ande­ren Mysti­ker und Mysti­ke­rin­nen, sich immer mehr mit Gott zu ver­bin­den, wie die Rebe mit dem Wein­stock ver­bun­den ist, sich von Gott im Inner­sten berüh­ren zu las­sen. «Gott hat an allem genug, nur an der Berüh­rung der See­le hat er nie genug …», schreibt Mecht­hild von Mag­de­burg. Gott möch­te uns berüh­ren, uns nahe sein, und wir dür­fen uns dem immer wie­der öff­nen.Auch ande­re Mysti­ke­rin­nen wie Hil­de­gard von Bin­gen und Tere­sa von Avila fin­den Gott in allen Din­gen: Hil­de­gard in der Schöp­fung, sie spricht von einem Gott, der durch die Schöp­fung erkannt wird, und Tere­sa fin­det Gott in den Koch­töp­fen und bezeich­net das Gebet als «Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusam­men­kom­men, um mit ihm zu reden, weil wir sicher sind, dass er uns liebt».Mei­ster Eck­hart, der Domi­ni­ka­ner, schliess­lich spricht von der Got­tes­ge­burt in unse­rer See­le und ver­gleicht die­sen Pro­zess mit einem Künst­ler, der aus Stein oder Holz ein Kunst­werk her­aus­holt, das schon im Inne­ren ange­legt ist. «Gott gebiert sei­nen Sohn in dir, sei es dir lieb oder leid.» So kön­nen wir immer mehr wer­den, was wir im Grun­de schon sind: die­je­ni­gen, als die Gott uns will. Und Gott suchen und fin­den in allen Din­gen.(Zita­te aus: Pierre Stutz, Gebor­gen und frei, Mün­chen 22008; ders., Licht in dun­kel­ster Nacht, Mün­ster­schwarz­ach 22001.)Doro­thee Becker,  Theo­lo­gin und Seel­sor­ge­rin, Pfar­rei Heiliggeist 
Redaktion Lichtblick
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