Auf der Suche nach der Wahrheit

Auf der Suche nach der Wahrheit

Psalm 34,5–9Ich such­te den Herrn und er gab mir Ant­wort, er hat mich all mei­nen Äng­sten entrissen. Die auf ihn blick­ten, wer­den strah­len, nie soll ihr Ange­sicht vor Scham erröten. Da rief ein Armer und der Herr erhör­te ihn und half ihm aus all sei­nen Nöten. Der Engel des Herrn umschirmt, die ihn fürch­ten, und er befreit sie. Kostet und seht, wie gut der Herr ist! Selig der Mensch, der zu ihm sich flüchtet!Ein­heits­über­set­zung 2016 

Auf der Suche nach der Wahrheit

Ich erin­ne­re mich noch gut an die Anfangs­zei­ten mei­nes Theo­lo­gie­stu­di­ums. Irgend­wie war ich ent­täuscht, dass die ersten zwei Stu­di­en­jah­re zum gröss­ten Teil mit phi­lo­so­phi­schen Fächern gefüllt waren. Schliess­lich woll­te ich ja Theo­lo­gie stu­die­ren. Ich woll­te doch so schnell als mög­lich voll in die «rich­ti­ge Mate­rie» ein­stei­gen! War­um also die­sen Umweg über die Phi­lo­so­phie? Dass das für mich, als gläu­bi­ge jun­ge Frau, eine ganz gute Denk­schu­le war, habe ich erst etwas spä­ter begrif­fen.Den «Umweg» über die Phi­lo­so­phie ist auch der Hei­li­ge Justin gegan­gen. Er wuchs in einer heid­ni­schen Fami­lie auf und stu­dier­te in sei­ner Jugend­zeit Phi­lo­so­phie. Auf sei­ner lan­gen Suche nach der Wahr­heit durch­wan­der­te er die ver­schie­de­nen Schu­len der grie­chi­schen Phi­lo­so­phie – ins­be­son­de­re die pla­to­ni­sche und die stoi­sche Schu­le. Doch sein Durst nach Wahr­heit wur­de dadurch nicht gestillt. Die Phi­lo­so­phen ent­täusch­ten ihn.Als sich Justin an einen ein­sa­men Ort am Strand des Mee­res zurück­zog, hat­te er eine ent­schei­den­de Begeg­nung mit einem geheim­nis­vol­len grei­sen Mann. Die­ser stürz­te ihn zunächst in eine Kri­se, weil er ihm die Unfä­hig­keit des Men­schen bewies, das Stre­ben nach dem Gött­li­chen allein aus eige­ner Kraft zu befrie­di­gen. Dann zeig­te er ihm in den alten Pro­phe­ten die Men­schen, an die er sich wen­den soll­te, um den Weg Got­tes und die «wah­re Phi­lo­so­phie» zu fin­den. Bei der Ver­ab­schie­dung gab ihm der Greis fol­gen­den Rat mit auf den Weg: «Bete vor allem dar­um, dass dir die Tore des Lichts auf­ge­tan wer­den, denn nie­mand kann schau­en und begrei­fen, aus­ser wenn Gott und sein Chri­stus es einem gewäh­ren, dies zu ver­ste­hen» (Dial. 7,3). Die Erzäh­lung ver­sinn­bild­licht das ent­schei­den­de Ereig­nis im Leben des Justin: Am Ende eines lan­gen phi­lo­so­phi­schen Weges der Suche nach der Wahr­heit gelang­te er zum christ­li­chen Glau­ben.Das bedeu­tet aller­dings nicht, dass wir Chri­sten unse­ren Ver­stand aus­schal­ten müs­sen, wenn es um Gott geht. Chri­sten ist das Den­ken nicht ver­bo­ten!Das habe auch ich mit Freu­de ent­decken dür­fen in mei­nen ersten Stu­di­en­jah­ren. Eine mir nahe­ste­hen­de Per­son mein­te damals: «Pass auf, dass du vor lau­ter stu­die­ren und phi­lo­so­phie­ren, vor lau­ter den­ken und hin­ter­fra­gen, dei­nen Glau­ben nicht ver­lierst!»Doch die­se Sor­ge war unbe­grün­det. Ich durf­te erfah­ren, dass sich Glau­be und Ver­nunft nicht aus­schlies­sen, son­dern dass sie viel­mehr auf­ein­an­der ver­wei­sen. Heu­te behaup­te ich sogar, dass die phi­lo­so­phi­schen Fächer für mich zu den wich­tig­sten mei­nes gan­zen Stu­di­ums zäh­len. Das kri­ti­sche Hin­ter­fra­gen und Suchen, das Ver­ste­hen- und Erklä­ren-Wol­len und gleich­zei­tig Ein­se­hen-Müs­sen, dass man nicht alles ver­ste­hen und erklä­ren kann, hat mei­nen Glau­ben nicht geschmä­lert, son­dern bestä­tigt und bestärkt. Es hat mich mit Dank­bar­keit erfüllt, weil Glau­be letzt­lich ein Geschenk ist – ein Geschenk, um das wir Gott auch bit­ten dür­fen, wie der Psalm zum Gedenk­tag des Hei­li­gen Justin bestä­tigt: «Ich such­te den Herrn und er gab mir Ant­wort.»Nadia Miri­am Kel­ler, Theo­lo­gin, ursprüng­lich Pfle­ge­fach­frau, arbei­tet in der Pfar­rei St. Odi­lia, Arlesheim
Redaktion Lichtblick
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