«Es ist nicht der Kreis, der mich fasziniert.»

«Es ist nicht der Kreis, der mich fasziniert.»

  • Zum Kirchen­jahreswech­sel wech­selt auch der Jahrskün­stler beim Hor­i­zonte und es gibt das tra­di­tionelle «Übergabe»-Gespräch.
  • In Erlins­bach besuchte Hor­i­zonte gemein­sam mit der schei­den­den Klara Frick­er die neue Jahreskün­st­lerin Jacque­line Fahrni.
 Unter dem Dach eines mod­er­nen, voll­ständig mit hellem Holz aus­gek­lei­de­ten Haus­es hat Jacque­line Fahrni ihr Ate­lier. Farb­s­tifte, Pin­sel, grosse Ein­machgläs­er, in denen szenisch arrang­iert kleine Fig­uren ste­hen – der Raum strahlt Wärme, Kreativ­ität und im pos­i­tiv­en Sinne Eigen­willigkeit aus.

Brücke zwischen zwei Welten

«Du kön­ntest meine Tochter sein», stellt Klara Frick­er fest und Jacque­line Fahrni erwidert: «Und du meine Muter». Sie sitzen nebeneinan­der am Ate­lier­tisch, die 73-jährige Klara Frick­er, die bei ihren Bildern die Gouache­far­ben mit den Fin­gern auf den Malka­r­ton aufträgt, und die 44-jährige Jacque­line Fahrni, die ihre Col­la­gen ana­log zusam­men­stellt und dig­i­tal vol­len­det. «Ich gehöre in die Welt, in der Bei­des präsent ist. Und deshalb will ich auch bei­des: Das hap­tis­che und das virtuelle», erk­lärt Jacque­line Fahrni.Die Mut­ter von drei Töchtern teilt die Fam­i­lien­ar­beit zu gle­ichen Teilen mit ihrem Mann. Sie hat ihre Aus­bil­dung an der Zürcher Hochschule der Kün­ste absolviert und arbeit­et haupt­säch­lich als Kom­mu­nika­torin im Muse­um für Kom­mu­nika­tion in Bern. Gle­ichzeit­ig ist sie wis­senschaftliche Mitar­bei­t­erin an der Zürcher Hochschule der Kün­ste im Pro­jekt «Bewahren beson­der­er Kul­turgüter». In «freien Momenten», wie Jacque­line Fahrni sie nen­nt, führt sie alleine oder mit ein­er Kol­le­gin unter dem Namen Stal­lal­lüren gestal­ter­ische Wet­tbe­werbe, Pro­jek­te und Aufträge durch.

Gedanken und Finger kreisen

Klara Frick­er, die beim let­zten Gespräch sagte, dass sie ihr Malen als Far­benge­bet betra­chte, im Grunde mit Far­ben bete, wirft einen Blick zurück. Uner­wartet sei sie Jahreskün­st­lerin gewor­den und habe die Arbeit gerne, wen­ngle­ich mit Respekt vor der Auf­gabe angenom­men. Jedes Bild habe einen neuen Prozess der Auseinan­der­set­zung mit dem Fest aus­gelöst und teil­weise über­raschende Aspek­te sicht­bar gemacht: «Ostern war eine schwierige Sache, denn das qua­dratis­che For­mat war störend. Ostern ist für mich hochfor­matig, weil es durch das Auf(er)stehen etwas mit Aufricht­en zu tun hat. Es hat mehrere Anläufe gebraucht».Am meis­ten abver­langt habe ihr aber das Bild zu Mar­iä Him­melfahrt. «Das Fest liegt mir nicht so sehr am Herzen», gibt Klara Frick­er unumwun­den zu und ergänzt: «Doch ich wollte eine Zugang find­en. Die Gedanken kreis­ten solange, bis ich auch mit Farbe und Fin­gern auf dem Mal­grund kreiste und das wiederum solange, bis ich mir sagte: ‚Ich brauche es nicht zu ver­ste­hen. Es ist gut so‘». Jedes Fest sei eine Frage an sie per­sön­lich gewe­sen, fasst Klara Frick­er ihren Schaf­fen­sprozess zusam­men. «Solange sich ein Bild nicht zu mein­er ure­ige­nen Antwort entwick­elte, kon­nte ich ein Bild nicht abgeben».

Kommunikation als roter Faden

Während die schei­dende Jahreskün­st­lerin erzählt, stellt Jacque­line Fahrni immer wieder Rück­fra­gen, notiert sich Gedanken und saugt wie ein Schwamm alles auf. «Ich pro­biere viel aus und ver­suche in meinem Kon­text eine Anre­gung zu find­en, aus der sich vielle­icht etwas machen lässt», beschreibt Jacque­line Fahrni. Ihr ist der Dia­log wichtig. Nicht nur der mit ihrer Vorgän­gerin, son­dern auch der zwis­chen den ver­schiede­nen Din­gen, zwis­chen Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart und ganz beson­ders zwis­chen Sachen, die eigentlich nicht zusam­men­passen.«Es ist nicht der Kreis, der mich fasziniert, es sind die Reduk­tio­nen, ins­beson­dere die Lin­ie, die aus dem Punkt wächst. Die Lin­ie ist verbindend und offen zugle­ich. Für die Jahreskun­strei­he will sie das The­ma Kom­mu­nika­tion als Leit­faden nehmen, denn etwas Grundle­gen­des an Reli­gion ist Kom­mu­nika­tion: «Im ersten Bild geht es um das Geheim­nis. Zu einem Geheim­nis gehört Ver­trauen und ein Geheim­nis, das ich mit jeman­dem teile, schafft eine tief­ere Beziehung. Ich ver­traue ein Geheim­nis ja nicht der ganzen Welt an», erläutert Jacque­line Fahrni.

Eine Himbeere als Symbol

Die Zutat­en für ihre Col­la­gen nimmt Jacque­line Fahrni von über­all her. Sie habe von ihrer Gross­mut­ter einst eine Foto­schatzk­iste geschenkt bekom­men; so könne die Ver­gan­gen­heit in der Gegen­wart mit­spie­len. Anre­gun­gen find­et die aufgestellte Kün­st­lerin auch in der Natur. «En detail» beschreibt sie, die passenden Farb­s­tifte in der Hand, eine Him­beere. Den zarten Fruchtkör­p­er, der beim Pflück­en so schnell Schaden nimmt. «Mir ist die sym­bol­hafte Sprache wichtig und als ich eine Him­beere anschaute, dachte ich: das ist die Frucht für Maria. Wenn man Him­beeren anschaut, sieht man, dass sie ein Gefäss sind, welch­es innen etwas tra­gen kön­nte – wie Maria, die Jesus in sich trägt. Gle­ichzeit­ig sind Him­beeren sehr ver­let­zlich, man kann sie kaum trans­portieren. Maria ist eben­falls ver­let­zlich als Schwan­gere und geht den­noch auf die Reise», erk­lärt Jacque­line Fahrni. Klara Frick­er, fasziniert von den Him­beer-Far­ben, pro­biert der­weil die entsprechen­den Stifte aus, «damit ich mich erin­nere, wenn ich daheim bin», sagt sie.Jacque­line Fahrni lässt sich offen, ob die Him­beere auch durch das ganze Jahr Sym­bol für Maria bleibt. «Mir ist es wichtig, unbe­fan­gen mit den Fes­ten umzuge­hen. Es ist mit den Fes­ten ähn­lich wie mit einem Reissver­schluss. Jed­er glaubt zu wis­sen, wie der funk­tion­iert. Doch wenn man die Leute fragt, ob sie es erk­lären kön­nen, kom­men sie ins Stock­en», zieht Jacque­line Fahrni einen grif­fi­gen Ver­gle­ich. Mit den Fes­ten im Kirchen­jahr sei es mit­tler­weile oft ähn­lich und sie erlaube sich, diesen reduzierten Blick­winkel einz­u­fan­gen, ihn zu über­prüfen und die Feste unge­wohnt frisch darzustellen. Fes­tkun­st Die Jahreskun­st hat Tra­di­tion bei Hor­i­zonte. Der Kün­stler oder die Kün­st­lerin set­zt sich in der eige­nen Aus­drucks­form ver­tieft mit den Hochfesten des Kirchen­jahres auseinan­der und ver­mit­telt den Leserin­nen und Lesern seine Sicht auf das Fest. Das Bild wird durch Text ergänzt. Ein Märk­li weist die entsprechen­den Bilder als Teil der Rei­he aus. Malerei, Kalligra­phie, Karikatur und Fotografie – die Aus­drucks­for­men wech­seln mit den jew­eili­gen Kun­stschaf­fend­en. Einzelne Front­bilder erzie­len bre­ite Res­o­nanz. Teils erre­ichen die Hor­i­zonte-Redak­tion auch Fra­gen nach der Möglichkeit, Kopi­en oder Orig­i­nale der Titel­w­erke zu erwer­ben. Hor­i­zonte ver­mit­telt in einem solchen Fall via den Kon­takt zum Künstler/zur Kün­st­lerin.
Anne Burgmer
mehr zum Autor
nach
soben