Er dreht, dreht, weht der Wind

Er dreht, dreht, weht der Wind

Spätestens seit dem Unglück in Fukushi­ma wird die Prob­lematik von Kernkraftwerken erkan­nt, Saubere, natür­liche, erneuer­bare Energiegewin­nung wird The­ma, und damit rück­en auch die Winden­ergie-Anla­gen ver­mehrt ins Zen­trum. In der Schweiz gibt es ein gutes Wind­strom-Poten­zial, auf den Jura- und Voralpen-Höhen, in den Alpen­tälern und auf Pässen weht der Wind so stark, dass seine Energie sin­nvoll genutzt wer­den kann. Im Bern­er Jura auf dem Mont Crosin befind­et sich der älteste und grösste Wind­park der Schweiz.Auf der Hin­fahrt reden wir noch von «Win­dredli», Assozi­a­tion ist das bunte Ding an einem Holzstab, das Ren­nen im Wind und die Freude, wenn das Räd­chen sur­rt und flitzt. Unsere Wan­derung begin­nt in typ­is­ch­er Jura-Land­schaft: Dun­kle Wälder, aus­gedehnte Blu­men­wiesen, Stein­mauern und Bauern­häuser, denen man die lan­gen, harten Win­ter ansieht. Wir hören sie, bevor wir sie sehen – und bleiben dann staunend ste­hen: Das sind nicht Redli, das sind gigan­tis­che Räder! Weit über hun­dert Meter hoch ragen die Anla­gen in den Som­mer­him­mel, die riesi­gen Flügel drehen im Wind und machen ein Geräusch, das doch etwas anders tönt als das Sur­ren der Kinder­spielzeuge. Warum tauchen aus­gerech­net hier die Worte aus dem Buch Kohelet (1,6) auf: «Er dreht, dreht, weht der Wind…» Und ehrlich, im ersten Moment kön­nte ich nicht sagen, ob das hier schöne High­tech ist oder schmer­zliche Störung ein­er wun­der­baren Land­schaft.Strom ohne Risiken und Neben­wirkun­gen Spätestens seit dem Unglück in Fukushi­ma wird die Prob­lematik von Kernkraftwerken erkan­nt, es tritt eine Wende in der Atom­strom-Poli­tik ein. Was für ein paar Jahrzehnte als sich­er galt, wird – buch­stäblich – ris­sig und bröck­elt. Saubere, natür­liche, erneuer­bare Energiegewin­nung wird ein The­ma, und damit rück­en auch die Winden­ergie-Anla­gen ver­mehrt ins Zen­trum. Wind ist eine uner­schöpfliche Energiequelle, Wind­tur­binen ver­wan­deln die Kraft des Windes in sauberen Strom, dabei entste­hen keine Schad­stoffe, keine Gross­risiken, keine Prob­lemabfälle. In der Schweiz gibt es ein gutes Wind­strom-Poten­zial, auf den Jura- und Voralpen-Höhen, in den Alpen­tälern und auf Pässen weht der Wind so stark, dass seine Energie sin­nvoll genutzt wer­den kann. Heute sind in unserem Land ins­ge­samt 30 Winden­ergiean­la­gen im Jura, im Wal­lis, im Entle­buch und im Urn­er­land in Betrieb. Die Anlage im urner­ischen Gütsch ob Ander­matt ist übri­gens auf 2332 m.ü.M. der höch­ste Wind­park Europas. Die Schweiz­er Anla­gen pro­duzieren pro Jahr 707 Gigawattstun­den (GWh), das deckt den Strombe­darf von 21‘560 Haushal­ten. Mit­tel­fristiges Ziel ist es, mit 375 Anla­gen 1‘500 GWh zu pro­duzieren, langfristig kön­nten es mit 800 Anla­gen 4000 GWh sein, das wären 1 Mil­lion Haushalte oder rund 7 Prozent des heuti­gen schweiz­erischen Strombe­darfs.Umstrit­tene Wind­mühlen Im Bern­er Jura auf dem Mont Crosin befind­et sich der älteste und grösste Wind­park der Schweiz. Er ist nicht unum­strit­ten. Geg­n­er formieren sich, es fall­en Stich­worte wie Lärm, Vogelschutz, Naturschutz, Aus­beu­tung und immer wieder Land­schaftss­chutz: Die hohen, aus­laden­den weis­sen «Wind­mühlen» sind, so die Geg­n­er, Zer­störung von Land­schafts­bildern, Ver­schan­delung der Natur, wenig effizient im Ver­gle­ich zu Aufwand und Kosten. Wir durch­schre­it­en den Wind­park, studieren auf Plakat­en Zahlen und Fak­ten, schauen immer wieder empor zu den Win­drad-Riesen oder schliessen die Augen und lauschen dem Schwin­gen der Flügel.Ein Touris­mus­mag­net Wir machen Pause bei Eri­ka Fahrni, der Bäuerin, die seit vierzig Jahren hier oben lebt und arbeit­et. Sie hat jet­zt ihre Tenne geräumt, mit Tis­chen und Bänken bestückt und bewirtet auf Anfrage Besuchende des Wind­parks mit regionalen Pro­duk­ten, mit Jurakäse, mit selb­st­ge­back­en­em Brot; während wir zusam­men plaud­ern, bren­nt das Feuer im grossen Grill zur Glut nieder, auf der sie für eine ein­tr­e­f­fende Gruppe Fleisch brat­en wird. Am Ende unser­er Wan­derung kehren wir in der «Auberge du vert bois» ein, das Essen ist vorzüglich, die aufziehen­den Nebelschwaden lassen die Win­dräder auf ein­mal ver­schwinden, es bleibt das Geräusch der Drehbe­we­gun­gen, über unseren Köpfen entste­ht Strom.Hin und her geris­sen Die Gespräche auf der Rück­reise ins Flach­land sind geprägt vom Rin­gen um einen ein­drück­lichen Gegen­satz: Die her­rliche Jura-Land­schaft und die gigan­tis­chen Wind­mühlen. Berechti­gen die Bemühun­gen um alter­na­tive, saubere Energien solche Baut­en? Wollen wir das vielle­icht ein­fach nicht wahrhaben, weil unsere tech­niksat­ten, stadt­mü­den See­len Erhol­ung suchen möcht­en in intak­ten, unberührten Gegen­den. Aber – Hand aufs Herz: Solche gibt es seit Jahrzehn­ten immer weniger. Die Zer­siedelung der Land­schaften nehmen wir in Kauf, weil wir Wohn­raum brauchen. Das immer dichter wer­dende Strassen­netz eracht­en wir als nötig, damit der Verkehr rollen kann. Jede mit­tel­grosse Ortschaft hat mit­tler­weile ihre Indus­triezone, nichts dage­gen, aber häu­fig sind das keine Augen­wei­den. Die Bilder von Handy- und PC-Schrot­tber­gen auch nicht. Wenn’s um Energiepro­duk­tion geht: Selb­st wenn wir Strom sparen ler­nen müssen, wird unser Bedarf auch in Zukun­ft nicht klein sein. Damit ein Teil davon mit Wind­strom gedeckt wer­den kann, sind ein paar hun­dert Wind­mühlen sich­er nicht der schlecht­este Kom­pro­miss, den wir je einge­gan­gen sind. Marie-Louise Beyel­er Aus­flugstippWind und SonneUm den Wind­park auf dem Mont Crosin sowie das Son­nenkraftwerk auf dem Mont Soleil samt dazwis­chen liegen­dem Erleb­nisp­fad zu besuchen, emp­fiehlt sich die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr nach Saint-Imi­er. Der Ort inmit­ten des Bern­er Juras ist aus dem Aar­gau innert anderthalb Stun­den mit dem Zug via Biel erre­ich­bar. Von Saint-Imi­er aus verkehrt ein Bus auf den Mont Crosin sowie eine Stand­seil­bahn auf den Mont Soleil. Auf Anfrage kön­nen geführte Besich­ti­gun­gen gebucht wer­den (erforder­liche Grup­pen­min­dest­grösse: Sechs Per­so­n­en).www.juvent.ch
Redaktion Lichtblick
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