„Du bist doch mein Sohn!“

„Du bist doch mein Sohn!“

«Du bist doch mein Sohn!»

Eugen Drewermann stellte in Basel die Botschaft Jesu ins Zentrum

Drew­er­mann war da: Die christkatholis­che und die römisch-katholis­che Kirche Basels ermöglicht­en einen Vor­trag des 78-jähri­gen The­olo­gen, Psy­chother­a­peuten und Pub­lizis­ten vor zahlre­ichem Pub­likum in der Basler Predi­gerkirche.Wer redet da von leeren Kirchen? Wenn Eugen Drew­er­mann spricht, ist die Kirche voll. Bei seinem Besuch am Mittwoch vor Bet­tag in Basel war es nicht anders. Als der christkatholis­che Pfar­rer Michael Bangert die Begrüs­sungsworte sprach, reicht­en auch die zusät­zlich her­beige­bracht­en Stüh­le nicht für alle, die gekom­men waren. Dutzende set­zten sich auf Trep­pen­stufen, auf den Boden oder hörten sich den Vor­trag auf den Seit­en und hin­ten im Schiff der Predi­gerkirche ste­hend an.«Wie stellt sich die Botschaft Jesu zu aktuellen gesellschaftlichen Fra­gen?», hat­te der Titel des Anlass­es ver­sprochen. Tat­säch­lich stellte Drew­er­mann, ganz The­ologe, die Botschaft Jesu an den Anfang und ins Zen­trum. «Das ist das The­ma, das mir am wichtig­sten ist“, stellte er klar. «Ein jed­er braucht sie, ob er sich zum Chris­ten­tum beken­nt oder nicht.»Jesus habe erkan­nt, was die Men­schen brauchen: Nicht Dro­hung und nicht Schei­dung in Böse und Gerechte. Damals und bis heute sei «Sünde» ein­fach als Übertre­tung des Geset­zes ver­standen wor­den, wie in der bürg­er­lichen Ethik. Drew­er­mann hält es eher mit Kierkegaard, der «Sünde» über­set­zt habe mit «Verzwei­flung». «Wer in die Herzen der Sün­der sehen kön­nte, würde dort sehen: Leid, Angst, Ver­let­zung, Min­der­w­er­tigkeits­ge­fühl.»Vielfältig sind die Berichte in den Evan­gelien, in denen sich Jesus, zur Empörung der Priester­schaft, den Sün­dern zuwen­det und sie nicht verurteilt. «Du bist doch mein Sohn!», ist die Hal­tung, die er ver­mit­telt, und Drew­er­mann verdeut­lichte: «Egal was du tust. Ich meine doch dich! Und zwar unbe­d­ingt, voraus­set­zungs­los.» Es sei eine grundgütige Stimme, die wed­er in der Natur noch in der Gesellschaft zu hören sei – nur dort, wo Jesus spreche. Das zu ver­mit­teln sei das erste Anliegen Jesu: «Eine Güte, die wir nicht ver­di­enen kön­nen, die ein­fach da ist.»Noch und noch bemühte sich Drew­er­mann, die oft frem­den Begriffe der The­olo­gen­sprache zu über­set­zen: Mit «erlösen» sei «heilen» gemeint, «Gnade» sei «ein Licht­strahl aus ein­er anderen Welt». Gott lasse die Sonne aufge­hen über Gerechte und Ungerechte. «Wo wohnt Gott?» Drew­er­manns Antwort lautet: «Gott wohnt da, wo ein Men­sch auf­grund sein­er Men­schlichkeit in die Not eines Men­schen hineinge­ht.»

Kritik an Kapitalismus und Rüstung

Um die ver­sproch­enen aktuellen The­men drück­te sich Drew­er­mann nicht. Seine Kri­tik an den Dog­men des kap­i­tal­is­tis­chen Wirtschaftssys­tems fiel uner­bit­tlich aus: «Wer Geld ver­lei­ht gegen Zins, um sich zu bere­ich­ern, der ver­liert sein Herz», meinte er. Wer dies gutheisse, glaube an die Erbar­mungslosigkeit, an den Götzen Mam­mon. Allzu leicht glaubten wir, wir hät­ten unser Geld redlich ver­di­ent. Aber die Arbeits­fähigkeit, die Gesund­heit, sei kein Besitz, kein Anspruch und kein Ver­di­enst, son­dern ein Geschenk des Him­mels, gab er zu bedenken.Die Aus­gaben für mil­itärische Rüs­tung haben für Drew­er­mann keine Recht­fer­ti­gung. Er sprach sich ohne Umschweife für ein­seit­ige Abrüs­tung als Schritt zum Frieden aus. Von Chris­tus gebe es keine Recht­fer­ti­gung für Gewalt – san­ft­mütig und wehr­los sei er auf einem Esel in Jerusalem einge­zo­gen. «Wir, das ‹christliche Abend­land›, wir wollen keinen Frieden», kri­tisierte der Ref­er­ent die Mil­itär­präsenz der Nato in vie­len Län­dern. «Wir müssten Chris­tus mehr glauben als wir es tun.»Ganz am Schluss seines Vor­trags, den der 78-Jährige hoch konzen­tri­ert, ohne Pause und völ­lig frei gehal­ten hat­te, wandte sich Drew­er­mann dem Tod und unser­er Angst vor dem Tod zu. Weg­weisend sind ihm die let­zten Worte Jesu, wie sie das Luka­se­van­geli­um über­liefert: «Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.» Er ergänzte sie mit einem Gedicht von Rilke, das er aus dem Gedächt­nis vortrug: «Der Tod der Geliebten».

Dank für das Wort in der Kirche

Von den Anwe­senden erhielt Eugen Drew­er­mann viel Applaus. Er selb­st bedank­te sich, dass er auf Ein­ladung der christkatholis­chen und der römisch-katholis­chen Kirche in der Predi­gerkirche in Basel sprechen durfte. In Deutsch­land hat ihm, der Priester und The­olo­giepro­fes­sor war, die Kirche die Lehr- und die Predigt­befug­nis ent­zo­gen, später ist er aus der Kirche aus­ge­treten. Seine Stel­lung­nah­men mögen auch Ein­wände und Wider­spruch aus­gelöst, aber vielle­icht doch die Ahnung geweckt haben, dass wir die Botschaft Jesu sel­ten so ernst nehmen, wie sie gemeint ist.Chris­t­ian von Arx
Christian von Arx
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