Die vielen Farben des Lichts

Die vielen Farben des Lichts

Erin­nern – feiern – auf­brechen. Diesen Weg zeich­nete das öku­menis­che Team in der Feier in der Reformierten Kirche in Baden am Son­ntag, 30. April 2017, auf. Es war eine Ein­ladung an die rund 60 Teil­nehmenden, vom Tod ins Leben zu gehen.An einem son­ni­gen Tag fällt ein bre­ites, schwarzes Stoff­tuch in ein­er fast voll­ständig weis­sen Kirche umso mehr auf. Vom Tauf­stein bis fast zur ersten Kirchen­bankrei­he liegt es. Darauf ver­streut:  Spiegelka­cheln in unter­schiedlichen Grössen. Eine Box mit far­bigen Stiften ste­ht daneben auf dem Boden.

Weisses Licht…

Die öku­menis­che Feier des Lebens der Aar­gauer Lan­deskirchen richtet sich vor allem an Ange­hörige von Ver­stor­be­nen, Mit­glieder von Trauer­grup­pen, Pal­lia­tive Care-Begleit­per­so­n­en und Pfle­gende.Der Fokus der Feier liegt auf dem The­ma Licht, welch­es auf dun­klen Pfaden Hel­ligkeit schenkt, Wärme spendet, Far­ben zum Leucht­en bringt und ein zen­trales The­ma der bib­lis­chen Texte und des christlichen Glaubens ist. «Von der Schöp­fungserzäh­lung bis hin zur Offen­barung des Johannes, ist Licht wichtiges The­ma der Bibel», schlägt der christkatholis­che Pfar­rer Wolf­gang Kunic­ki später im Gottes­di­enst den Bogen.

…wird zu sechs Spektralfarben…

Jede und jed­er aus dem öku­menis­chen Vor­bere­itung­steam beleuchtet im rund ein­stündi­gen Gottes­di­enst je ver­schiedene Aspek­te des The­mas Licht, denn «wir Men­schen ken­nen die Sehn­sucht nach Licht», wie die römisch-katholis­che Seel­sorg­erin Ella Gremme betont. Beson­ders ein­drück­lich sind die Gedanken von Rue­di Mar­cel Füch­slin, Physik­er an der Zürcher Hochschule für Ange­wandte Wis­senschaften.Bei aller Ambivalenz zwis­chen den Bere­ichen, bei min­destens zwei Fra­gen seien sich Glauben und Wis­senschaft einig, «erstens darüber, dass es einen Anfang gegeben habe, und zweit­ens über die Bedeu­tung und Wichtigkeit des Lichts», so Rue­di Mar­cel Füch­slin. Während auf eine Lein­wand im Hin­ter­grund passende Bilder pro­jiziert wer­den, beschreibt er — ein Psalmist der Wis­senschaft — die vie­len Facetten von Licht.

…zu fast unendlichen Nuancen.

Natür­lich sei Licht, so der Physik­er, Wärme und Energi­eträger, der das Leben über­haupt erst ermögliche, doch es sei noch viel mehr. «Es ist Staunen, wenn wir sehen, was wir mit Licht alles machen kön­nen. Es ist Erken­nt­nis, wenn wir durch das Licht sehen, was im ganz Grossen und im ganz Kleinen ist», erzählt Rue­di Mar­cel Füch­slin, während er immer wieder auf die wech­sel­nden Bilder zeigt. Eine gigan­tis­che Spi­ral­galax­ie, den stark ver­grösserten Kopf eines Sper­mi­ums, ein kun­ter­buntes Kirchen­fen­ster, das Bild ein­er Zell­teilung.Licht, so führt Rue­di Mar­cel Füch­slin aus, könne Prozesse sicht­bar machen, sei antreibende Energie und sei – das habe Albert Ein­stein verdeut­licht – let­ztlich das der Ewigkeit näch­ste, denn wer auf einem Licht­strahl reise, erlebe Zeit­losigkeit.

Menschen als Spiegel des Lichts

Diese Nähe zur Ewigkeit greift Hans Niggeli, römisch-katholis­ch­er Seel­sorg­er, auf: «Das Licht bringt uns Gott nahe und Jesus sagt zu uns ‚Ihr seid das Licht der Welt‘. Wir alle wur­den geboren, um das Licht Gottes in uns sicht­bar zu machen für andere». Er lädt die Gottes­di­en­st­be­sucherin­nen und –Besuch­er ein, zu über­legen, wo sie Licht für andere waren oder sel­ber durch Mit­men­schen Licht erlebten; lädt sie ein, die Stich­worte als Erin­nerung auf die aus­gelegten Spiegel zu schreiben.Später, nach Für­bit­ten, Vater Unser und Schlusssegen, ste­ht, mit Son­nen­brille gegen das helle Son­nen­licht geschützt, der reformierte Pfar­rer Markus Graber am Aus­gang der Kirche und ist zufrieden. Die dritte Feier des Lebens, die er in sein­er Begrüs­sung als «drit­ten Teil ein­er zufäl­li­gen Trilo­gie» beze­ich­nete, ist vor­bei.

Dank Ausbildung und Information

Aus welchem konkreten Grund sind die Men­schen zu der Feier des Lebens gekom­men? Eine Besucherin führt ihre Aus­bil­dung in Pal­lia­tive Care an. Es sei ihr wichtig gewe­sen, diesen Gottes­di­enst zu besuchen. Dann ergänzt sie: «Ich bin sehr offen hier­hergekom­men und wurde über­rascht. Der Gottes­di­enst hat mich an einem ganz anderen Punkt  in der Seele ange­sprochen als gedacht, denn das The­ma Dunkel und Licht gibt es ja nicht nur beim The­ma Tod und Trauer, son­dern ganz grund­sät­zlich im Leben».Eine weit­ere Besucherin erzählt, dass im Feb­ru­ar ihr Mann ver­stor­ben sei. Im Spi­tal habe sie damals einen Zettel erhal­ten, der das Ange­bot der Pal­lia­tive Care der Lan­deskirchen beschrieb. «Ich habe dann tat­säch­lich um Hil­fe gebeten, so dass ich mal einen Tag wegkon­nte. Ich habe eine gute Begleitung für meinen Mann bekom­men. Mein Mann war Förster und die Begleitung ver­stand auch etwas davon und so haben sie sich gut unter­hal­ten kön­nen. Zum Beispiel über Ameisen», erin­nert sie sich. Ihre Schwest­er habe sie dann gefragt, ob sie zum Gottes­di­enst gehen wolle. Ob ihr der Besuch denn gut getan habe? Sie lächelt fein: «Ja!»
Anne Burgmer
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