«Gott ist Lie­be und Kir­che Beziehungsarbeit»

«Gott ist Lie­be und Kir­che Beziehungsarbeit»

Kin­der mit gros­sem Schul­thek auf dem Rücken ren­nen über den Pau­sen­platz des Wet­tin­ger Schul­hau­ses Mär­gel­acker. Die Nach­mit­tags­schu­le ist aus. Nur weni­ge Kin­der blei­ben auf dem Pau­sen­platz. Ihre Dritt­kläss­ler holt Fabi­en­ne Sterran­ti­no gera­de für den Reli­gi­ons­un­ter­richt ab.

Die Kate­che­tin in Turn­schu­hen und Kapu­zen­pul­li fin­det die Kin­der schnell, die sich zum Spass ver­steckt haben. Die 42-Jäh­ri­ge hat vor Kur­zem ihr Diplom als Kate­che­tin erhal­ten. Wäh­rend drei Jah­ren hat sie die öku­me­nisch orga­ni­sier­te Aus­bil­dung Modu­lA­ar gemacht. Ein sport­li­cher Fahr­plan sei das gewe­sen, sagt die zwei­fa­che Mut­ter und ohne die Unter­stüt­zung ihres Man­nes gar nicht zu machen. Mit der Aus­bil­dung habe sie sich ihren Traum erfüllt, Leh­re­rin zu wer­den – zum Glück, ohne Noten geben zu müs­sen, und mit weni­ger Eltern­ar­beit als in der Regelschule.

Was es für den Beruf braucht

Die Idee zur Aus­bil­dung kam ihr an einem Anlass ihres Soh­nes. Damals stand sie mit Susi Ester­mann, Fach­mit­ar­bei­te­rin Kate­che­se und Medi­en der Aar­gau­er Lan­des­kir­che, am Feu­er und briet Wür­ste. «Für die­sen Beruf braucht es die Begei­ste­rung, mit den Kin­dern auf dem Weg zu sein, und die habe ich bei Fabi­en­ne gespürt», erin­nert sich Susi Ester­mann. Alles ande­re kön­ne man ler­nen, selbst, in den Glau­ben hin­ein­zu­wach­sen. Noch wäh­rend der Zeit als Ver­si­che­rungs­bro­ke­rin bei der ABB, wo Fabi­en­ne Sterran­ti­no wäh­rend zehn Jah­ren gear­bei­tet hat, sam­mel­te sie bei ihrer zukünf­ti­gen Men­to­rin, Susi Ester­mann, im Reli­gi­ons­un­ter­richt erste Erfahrungen.

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Die heu­ti­ge Reli­gi­ons­stun­de beginnt Fabi­en­ne Sterran­ti­no in einem Stuhl­kreis. Auf dem Boden liegt ein run­des schwar­zes Tuch, dar­auf steht ein mit Sand gefüll­tes Glas mit Muscheln und einer Ker­ze. Heu­te darf Ben­ja­min sie anzün­den. «Die Ker­ze zün­den wir an, als Zei­chen, dass Gott bei uns ist», ant­wor­tet Yara auf die Fra­ge der Kate­che­tin. Fabi­en­ne Sterran­ti­no erzählt von der Fasten­ak­ti­on und deren zehn Gebo­te der Nah­rung. Aber zuerst schrei­ben alle ihr Lieb­lings­es­sen auf einen Zet­tel, legen ihn auf den Stuhl und sit­zen drauf. Erst am Schluss soll das Geheim­nis gelüf­tet wer­den. Schwie­rig. Am lieb­sten wür­den alle sofort erzählen.

Kom­mu­ni­ka­ti­on­s­pan­ne

Plötz­lich ste­hen die Fünft­kläss­ler von neben­an vor der Türe. Kom­mu­ni­ka­ti­on­s­pan­ne. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kom­men ver­spä­tet von einer Exkur­si­on zurück und haben ihre Reli­gi­ons­leh­re­rin ver­passt. Kur­zer­hand lädt Fabi­en­ne Sterran­ti­no ihre Ehe­ma­li­gen ein, damit sie zu Hau­se nicht vor ver­schlos­se­ner Türe ste­hen. Jetzt sit­zen dop­pelt so vie­le Kin­der im Kreis. Kein Pro­blem für Fabi­en­ne Sterran­ti­no, denn sie ist ein Leucht­turm. Steht ruhig in der Bran­dung. Leuch­tet in die dunk­le Nacht und behält den Über­blick. Das Bild des Leucht­turms habe sie in einer Wei­ter­bil­dung mit auf den Weg bekom­men. Seit­her hat sie das Bild offen­sicht­lich ver­in­ner­licht. «Es ist ein Geschenk, dass ich Leucht­turm-Fähig­kei­ten habe», sagt Fabi­en­ne Sterran­ti­no. Denn die Lie­be zu den Kin­dern rei­che nicht aus für die Arbeit als Kate­che­tin. Was braucht es noch? Fle­xi­bi­li­tät, Eigen­stän­dig­keit, die Bereit­schaft, in einem ver­zet­tel­ten Pen­sum und an den Wochen­en­den zu arbeiten.

Ein Licht, das für Gott brennt

Fabi­en­ne Sterran­ti­no möch­te in den Kin­dern ein Licht ent­fa­chen, das für Gott brennt. «Gott ist für mich Lie­be, und Kir­che ist Bezie­hungs­ar­beit», bringt Fabi­en­ne Sterran­ti­no ihren Auf­trag auf den Punkt. Sie selbst hat dies als Kind so erlebt. Ihre Reli­gi­ons­leh­re­rin habe es geschafft, eine herz­li­che Ver­bin­dung zur Klas­se auf­zu­bau­en und den Kin­dern beson­de­re Erleb­nis­se zu bie­ten. Unver­ges­sen sei das Essen wie zu bibli­schen Zei­ten mit Fla­den­brot und Oli­ven. «Es sind immer die Men­schen, die uns beglei­ten, auf die es ankommt», sagt Fabi­en­ne Sterrantino.

Kate­che­se-Aus­bil­dung

Modu­lA­ar heisst die öku­me­nisch ange­leg­te Aus­bil­dung der katho­li­schen und refor­mier­ten Lan­des­kir­che. Sie befä­higt die Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten Reli­gi­ons­un­ter­richt in Schu­len zu ertei­len, Kate­che­se in Pasto­ral­raum oder Pfar­rei mit­zu­ge­stal­ten, Got­tes­dien­ste mit Kin­dern und Jugend­li­chen zu fei­ern und reli­giö­se Pro­jek­te und Ange­bo­te für Erwach­se­ne und Kin­der zu ent­wickeln. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen und Daten für Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen fin­den Sie auf www.aareka.ch.

Gemein­sam Sor­ge tragen

«Unse­re Erde hat Tem­pe­ra­tur. Wir wol­len gemein­sam dafür schau­en, dass sie kein Fie­ber bekommt», erklärt die Kate­che­tin den Kin­dern. Mit dem bewuss­ten Umgang mit den Nah­rungs­mit­teln könn­ten alle hel­fen, der Schöp­fung Sor­ge zu tra­gen, sagt sie und gibt den Kin­dern ein paar Tipps für den näch­sten Ein­kauf mit den Eltern. In drei Wochen fin­det die Fami­li­en­kir­che statt. Bis dahin sol­len die Schü­le­rin­nen und Schü­ler einen klei­nen Film vor­be­rei­ten zu einem der zehn Gebo­te der Nahrung.

«Iss bewusst und mass­voll», steht auf dem Zet­tel, den Shay­enne, Ales­sia und Jamie bekom­men haben. Gemein­sam bera­ten sie, wie sie das Gebot ver­fil­men wol­len. Jemand habe viel zu viel geges­sen und müs­se erbre­chen und der ande­re krüm­me sich vor Hun­ger am Boden, ist die Idee von Ales­sia für den Plot. Shay­enne will ihre Stoff­tie­re mit­neh­men als Prot­ago­ni­sten für den Film. Die Sache ist abge­macht. In der näch­sten Lek­ti­on geht es los. Zwei Mäd­chen tun sich schwer und fin­den kei­ne Idee, bis die Schul­glocke läu­tet. «Kein Pro­blem», sagt die Kate­che­tin «bleibt noch kurz, wir schau­en das nach­her zusam­men an.»

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Sie sei hoch­tou­rig unter­wegs, sagt Fabi­en­ne Sterran­ti­no von sich. Tat­säch­lich spricht sie schnell, der Blick schweift durch die Bril­le über die Köp­fe der Kin­der. Klei­ne Stör­ma­nö­ver kon­tert sie ele­gant. Nie wird sie laut, ein auf­for­dern­der Blick, eine ermu­ti­gen­de Anwei­sung brin­gen die Kin­der wie­der auf die Bahn.

Fabi­en­ne Sterran­ti­no ist in Ober­ent­fel­den auf­ge­wach­sen. Auf dem Papier sei­en sie refor­miert gewe­sen, aber nicht reli­gi­ös prak­ti­zie­rend. Vor der Hei­rat hat sie zum Katho­li­zis­mus kon­ver­tiert. Das Vater­un­ser hat sie erst in der Aus­bil­dung gelernt. Die katho­li­schen Riten und Bräu­che habe sie schnell lieb­ge­won­nen und feie­re heu­te den Jah­res­kreis mit gros­ser Freu­de mit den Kindern.

Gemein­schaft mit Frauen

«Wenn du es in einer Gemein­schaft gut­hast, dann willst du da wie­der hin», sagt die Kate­che­tin. So müs­se Kir­che sein. Fabi­en­ne Sterran­ti­no hat den libe­ra­len Geist in der Aus­bil­dung zur Kate­che­tin genos­sen. Wäh­rend der Aus­bil­dung und in der Pfar­rei hat sie vor allem Frau­en ken­nen­ge­lernt, von denen sie viel gelernt hat und mit denen sie ger­ne zusam­men­ar­bei­tet. In einer schrift­li­chen Arbeit hat sie ihrem Ärger über die Ungleich­be­hand­lung der Frau­en in der Kir­che Luft gemacht. In ihrem Arbeits­all­tag füh­le sie sich als Frau aber nicht diskriminiert.

Der Reli­gi­ons­un­ter­richt ist fast zu Ende. Fabi­en­ne Sterran­ti­no stimmt ein kur­zes Lied an: «Ich dän­ke a dich, ich ver­zel­le vo dir, ich spü­re, du bisch bi mir.» Jetzt machen sich auch die Dritt­kläss­ler mit ihren Schul­thek auf den Weg nach Hause.

Eva Meienberg
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