Kirchen als Bauunternehmer

Kirchen als Bauunternehmer

  • Ver­schiedene Kirchge­mein­den im Aar­gau investieren in Wohn­pro­jek­te. Dabei ste­hen meist Bemühun­gen um faire, soziale Wohn­for­men im Zen­trum.
  • Grössere Pro­jek­te sind aktuell in Würen­los und Lup­fig geplant. Allein in Lup­fig sollen 30 Woh­nun­gen entste­hen.
  • Bei kirch­lichen Baupro­jek­ten im Aar­gau mis­cht auch die Wohn­baugenossen­schaft der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau mit.
 Die «Chilemet­zg» ist ein rund 400 Jahre altes Gebäude in Würen­los. Dieses beherbergte einst eine Met­zgerei mit Woh­nun­gen. Die römisch-katholis­che Kirchge­meinde erwarb das Gebäude mit dem Ziel, es zu einem Pfar­rei­heim herzuricht­en. Mit­tler­weile ste­ht das Haus jedoch teil­weise leer. Die schlechte Sta­tik lässt keine weit­ere Nutzung mehr zu. Eine Ren­o­va­tion käme zu teuer, wie Alfred Koller, Präsi­dent der Kirchenpflege Würen­los, informiert. Deshalb hat sich die Kirchge­meinde entsch­ieden, die Pla­nung für einen Neubau mit Woh­nun­gen und Geschäft­sräu­men in Angriff zu nehmen.

Würenlos: Räume zu günstigen Zinsen mit Rendite

Seit 2010 beschäftigt sich eine Arbeits­gruppe mit einem Neubaupro­jekt «Chilematt». An der Kirchge­mein­de­v­er­samm­lung vom 13. Novem­ber 2017 stimmten – nach lan­gen Diskus­sio­nen – die Stimm­berechtigten dem 7,59-Millionen-Franken-Projekt «Chilematt» zu. Dieses bein­hal­tet den Neubau mit sechs Dreiein­halb- und zwei Viere­in­halb-Zim­mer-Miet­woh­nun­gen sowie Geschäft­sräum­lichkeit­en und einem Begeg­nungssaal für kirchen­na­he Vere­ine und andere Insti­tu­tio­nen im Erdgeschoss. «Unser Ziel ist es, die Räum­lichkeit­en zu kostengün­sti­gen Zin­sen anzu­bi­eten», betont Alfred Koller. Trotz­dem soll die Liegen­schaft auch eine Ren­dite abw­er­fen. Alfred Koller geht davon aus, dass das Baupro­jekt 2021 fer­tiggestellt sein wird.Neben Würen­los investieren ver­schiedene Kirchge­mein­den im Kan­ton Aar­gau in Wohn­pro­jek­te. «Die Kirchge­mein­den sind diesem The­ma gegenüber affin­er gewor­den», beobachtet Luc Hum­bel, Präsi­dent der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. Bei den Baupro­jek­ten stün­den sowohl diakonis­che als auch finanztech­nis­che Aspek­te im Vorder­grund. So etwa beim Pro­jekt der Kirchge­meinde Brugg, die in Lup­fig neben einem neuen Kirchen­zen­trum in Zusam­me­nar­beit mit der kirch­lichen Wohn­baugenossen­schaft «Faires Wohnen» einen Neubau mit Woh­nun­gen plant. Dazu wie Hans Schilling, Präsi­dent der Kirchenpflege: «Das Pro­jekt bein­hal­tet einen sozialen Woh­nungs­bau mit durch­mis­cht­en Wohn­for­men für Fam­i­lien, ältere Men­schen, Wohnge­mein­schaften und unsere Kindertagesstätte im Erdgeschoss.»

Lupfig: 30 Wohnungen geplant

Ins­ge­samt sind in Lup­fig 30 Woh­nun­gen vorge­se­hen. Ein Architek­tur­wet­tbe­werb wird 2019 aus­geschrieben. Hans Schilling rech­net mit Pro­jek­tkosten für die Kirch-gemeinde zwis­chen neun und elf Mil­lio­nen Franken. Die genaue Koste­naufteilung zwis­chen der Kirchge­meinde und der Wohn­baugenossen­schaft sei noch offen. «Wir haben uns für dieses Pro­jekt entsch­ieden, weil wir das Grund­stück an bester Lage vernün­ftig und für die Gesellschaft gewinnbrin­gend bebauen wollen», begrün­det Hans Schilling.Für die Kirchge­meinde soll das Pro­jekt kos­ten­deck­end sein und eine Ren­dite abw­er­fen, die etwas halb so hoch ist wie bei herkömm­lichen Wohn­liegen­schaften. «Das Pro­jekt ist unser Beken­nt­nis zum Stan­dort Lup­fig. Wir rech­nen kün­ftig mit weit­eren Ein­wohn­ern und wollen als Kirche vor Ort präsent sein», betont der Kirchenpflegepräsi­dent.

Mehr soziale Gerechtigkeit im Wohnungsmarkt

Für Luc Hum­bel, der eben­falls im Vor­stand der Kirch­lichen Wohn­baugenossen­schaft «Faires Wohnen» vertreten ist, ste­ht das Pro­jekt in Lup­fig «exem­plar­isch für die Mis­chnutzung von Pfar­reibedürfnis­sen und Mietern». Deshalb habe die Wohn­baugenossen­schaft nach ein­er Analyse von diversen Pro­jek­ten beschlossen, pri­or­itär das Baupro­jekt mit der Kirchge­meinde Brugg in Lup­fig zu ver­fol­gen. Unter dem Leit­satz «Faires Wohnen» errichtet die 2015 gegrün­dete Genossen­schaft in erster Lin­ie gemein­nützige und preis­gün­stige Woh­nun­gen in enger Zusam­me­nar­beit mit Kirchge­mein­den und anderen Inter­essen­ten.Die Lan­deskirche Aar­gau hat sich laut Luc Hum­bel «in grossem Aus­mass» an der Eigen­fi­nanzierung der Genossen­schaft beteiligt. In grossen Pro­jek­ten sollen – wie im Beispiel von Lup­fig – Mehrfach­nutzun­gen wie Gemein­schaft­sräume, Tagesstät­ten und andere Begeg­nungsräume Platz find­en. Speku­la­tio­nen und Ertragsab­schöp­fun­gen wer­den nach eige­nen Angaben aus­geschlossen. «Wir engagieren uns langfristig für mehr soziale Gerechtigkeit im Woh­nungs­markt», sagt Luc Hum­bel. Das Mod­ell von genossen­schaftlichem Wohnen führe zu fairen Preisen, weil jegliche Ren­dite wieder dem Wohn­bau und damit den Mietern zu Gute komme.

Ennetbaden: Aus dem Pfarrhaus wurde ein Wohnhaus

In Ennet­baden prof­i­tieren mehrere Mieter von den Investi­tio­nen der Kirchge­meinde Baden-Ennet­baden. Wie Beat­rice Eglin, Präsi­dentin der Kirchenpflege Baden-Ennet­baden, berichtet, wurde vor zwei Jahren das Pfar­rhaus in Ennet­baden in ein Wohn­haus mit zwei Miet­woh­nun­gen umge­baut. Auch eines der Pfrund­häuser am Chile­platz 3 wurde in ein Stadthaus mit Miet­woh­nun­gen umge­baut. Zurzeit beschäftigt sich die Kirchenpflege mit dem Umbau der Liegen­schaft an der Schö­naus­trasse in Wet­tin­gen: Dort wur­den das Kan­ti-Foy­er ren­oviert; nun sollen zusät­zlich eine Zweiein­halb- und Dreiein­halb-Zim­mer­woh­nung sowie ein Einz­im­merloft im Garten­haus errichtet wer­den. «Die Miet­zin­sen für unsere neu ren­ovierten Woh­nun­gen sollen der Kirche eine kleine Ein­nah­me­quelle sein und unsere Investi­tio­nen tra­gen», sagt Beat­rice Eglin.Die römisch-katholis­che Kreiskirchge­meinde Aarau besitzt in Köl­liken ein über 5‘000 Quadrat­meter gross­es Grund­stück in der Wohn- und Arbeit­szone, das sich unmit­tel­bar neben der Kirche befind­et. Der Verkauf von Teilen dieser Parzelle dient laut Wern­er Ryter, Ver­ant­wortlich­er für Bau und Infra­struk­tur in der Kreiskirchenpflege, als Desin­vesti­tion und zur Refi­nanzierung der Erneuerung und Sanierung der Kirche Mut­ter Gottes. Die Arbeit­en wur­den let­ztes Jahr abgeschlossen.

Kölliken: Ziel ist eine Überbauung mit Vorzeigecharakter

Für das angren­zende Grund­stück liess die Kreiskirchge­meinde ver­schiedene Über­bau­ungsmöglichkeit­en abklären. Am 2. Novem­ber 2017 bewil­ligte die Kreiskirchge­mein­de­v­er­samm­lung einen Pla­nungskred­it von 150‘000 Franken für die Durch­führung eines Stu­di­en­auf­trags. Aus den über 30 Eingaben wählte die Pla­nungskom­mis­sion im Spät­som­mer 2018 fünf Büros aus. Die Jurierung der Über­bau­ungsvorschläge erfol­gt im März 2019. Das Pro­jekt ist kein Ren­di­teob­jekt, betont Wern­er Ryter. «Es soll eine dichte und qual­itätsvolle Über­bau­ung mit Vorzeigecharak­ter entste­hen. Ökonomie und Ökolo­gie sollen in einem aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis zu einan­der ste­hen.»
Andreas C. Müller
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