Die Erlö­sung nach dem Eid

Die Erlö­sung nach dem Eid

  • Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag, 6. Mai 2018, leg­ten im Vati­kan 32 jun­ge Schwei­zer­gar­di­sten ihren Eid ab.
  • Unter den neu­en Gar­di­sten ist mit dem 21-jäh­ri­gen Simon Bus­sin­ger aus Wall­bach auch ein Aargauer.
  • Sei­ne Fami­lie und vie­le Freun­de rei­sten nach Rom und fei­er­ten mit ihm den beson­de­ren Moment der Ver­ei­di­gung. Hori­zon­te beglei­te­te die Wall­ba­cher Dele­ga­ti­on in den Vatikan.
Ein weis­ser Hand­schuh vor dem Him­mel­blau der Ewi­gen Stadt. Drei Fin­ger aus­ge­streckt zum Schwur. «Ich — Hel­le­bar­dier Bus­sin­ger — schwö­re, alles was mir soeben vor­ge­le­sen wur­de, treu und red­lich zu hal­ten. So wahr mir Gott und die hei­li­gen Patro­ne hel­fen». Simon Bus­sin­ger schmet­tert die Wor­te hin­aus in den ehr­wür­di­gen Dama­sus­hof, wo Bischö­fe, Kar­di­nä­le, der Regie­rungs­rat des Kan­tons Luzern, Poli­ti­ker und Armee­ver­tre­ter der Eid­ge­nos­sen­schaft sowie die Fami­li­en der Gar­di­sten ver­sam­melt sit­zen. Sei­ne Stim­me klingt kräf­tig, doch die Anstren­gung ist hör­bar. «Ab!», ruft der Kom­man­dant.

Erleich­tert

Als der frisch ver­ei­dig­te Schwei­zer­gar­dist zurück an sei­nem Platz steht und die Hel­le­bar­de von sei­nem Neben­mann in Emp­fang nimmt, fällt eine Last von ihm ab. Auf ein­mal wie­gen der eiser­ne Brust­pan­zer und das geschmie­de­te Arm­zeug nur noch halb so schwer. Es ist geschafft! Die inten­si­ve Vor­be­rei­tung, das gedräng­te Pro­gramm und die Auf­re­gung in den Tagen vor der Ver­ei­di­gung hat­ten Simon Bus­sin­ger stark gefor­dert. Beim Ein­klei­den in die Gala­uni­form vor der gros­sen Fei­er sag­te er: «Ich glau­be, ich bin froh, wenn alles gut geht – und wenn es vor­bei ist.»

Wie in Trance

Der Moment, als er den Eid gelei­stet habe, sei wie in Trance an ihm vor­bei­ge­zo­gen und er habe alles um sich her­um völ­lig aus­ge­blen­det, erzählt er spä­ter beim Nacht­es­sen. Die Angst, den Schwur­text zu ver­ges­sen oder sonst etwas zu ver­mas­seln, habe auch ande­re Kan­di­da­ten geplagt. Doch jetzt pro­stet er sei­nem Göt­ti zu. End­lich kann er das Zusam­men­sein mit Fami­lie und Freun­den gelöst genies­sen. Für das Essen nach dem Fest­akt hat Simon Bus­sin­ger ein Restau­rant orga­ni­siert, wo alle zusam­men fei­ern. Jeder über­reicht dem frisch ver­ei­dig­ten Hel­le­bar­dier eine Tafel Scho­ko­la­de – eine belieb­te Wäh­rung im Vati­kan, wie einer scherz­haft bemerkt.

Aar­gau­er hat die zweit­gröss­te Gästeschar

Simons Mut­ter Mari­on Bus­sin­ger freut sich: «Schön, wie vie­le Kon­tak­te sich ein­fach so erge­ben haben rund um Simons Ver­ei­di­gung». Die Eltern waren schon am Frei­tag nach Rom geflo­gen, für die Audi­enz bei Papst Fran­zis­kus, mit den Eltern der ande­ren 31 neu­en Gar­di­sten. Am Sams­tag­mor­gen kamen dann vie­le wei­te­re Ver­wand­te sowie Kame­ra­den aus Feu­er­wehr, Pon­to­nier- und Turn­ver­ein – kurz: das hal­be Dorf Wall­bach – in Rom an. Alle freu­ten sich, ihren Simon, oder «Mäxe», wie sie ihn nen­nen, nach mehr als einem hal­ben Jahr wie­der zu sehen. Simon Bus­sin­gers Dele­ga­ti­on umfass­te 65 Per­so­nen, damit war er der Gar­dist mit der zweit­gröss­ten Gäste­schar.

Die Gross­mutter staunt

Für sie hat­te Simon Bus­sin­ger ein span­nen­des Pro­gramm orga­ni­siert. Am Sams­tag führ­te er alle Inter­es­sier­ten durch die Vati­ka­ni­schen Gär­ten. Die Tour begann beim Obe­lis­ken auf dem Peters­platz. «900 Mann und 900 Pfer­de waren nötig, um ihn hier auf­zu­stel­len», berich­te­te Simon Bus­sin­ger. Auch über den Fried­hof Cam­po San­to Teu­to­ni­co und das Gäste­haus San­ta Mar­ta, wo Papst Fran­zis­kus wohnt, konn­te er eini­ges erzäh­len. «Wahn­sin­nig, wie Simon vor die Leu­te hin­steht und was er alles weiss», staun­te sei­ne Gross­mutter Rita Bus­sin­ger.

Fami­li­en­traum

Eltern und Gross­el­tern haben Simon den Bezug zur Kir­che und zum Glau­ben mit­ge­ge­ben. Auch Rita Bus­sin­ger ist kirch­lich sehr enga­giert und genoss den Auf­ent­halt in Rom und den Blick hin­ter die Kulis­sen des Vati­kans. Gross­va­ter Rolf Bus­sin­ger bezeich­ne­te die Tage rund um die Ver­ei­di­gung als sehr emo­tio­nal. Ger­ne wäre auch er Gar­dist gewor­den, sei­ne Anmel­de­un­ter­la­gen von 1964 hat er bis heu­te auf­be­wahrt. Umso mehr freut er sich, dass durch Simon auch ein Teil sei­nes Traums wahr wur­de. Eben­so stand Simons Vater Andy Bus­sin­ger einst kurz vor dem Ein­tritt in die Gar­de, ent­schied sich dann aber für eine Kar­rie­re bei der Berufs­feu­er­wehr.

Zwei Zen­ti­me­ter zu klein

In der Wall­ba­cher Dele­ga­ti­on ist die Fas­zi­na­ti­on für die Schwei­zer­gar­de ver­brei­tet. Ein Feu­er­wehr­kol­le­ge war vor 20 Jah­ren sel­ber Gar­dist, meh­re­re ande­re Freun­de hat­ten vor Jah­ren mit dem Ein­tritt in die­se spe­zi­el­le Leib­wa­che gelieb­äu­gelt. Einer bemerk­te trocken: «Mir fehl­ten bloss zwei Zen­ti­me­ter». Wer der Gar­de bei­tre­ten will, muss Schwei­zer Bür­ger, prak­ti­zie­ren­der Katho­lik, gesund und ledig sein. Dazu muss er die Rekru­ten­schu­le sowie eine Erst­aus­bil­dung absol­viert haben, zwi­schen 19 und 30 Jah­ren alt sein, einen ein­wand­frei­en Leu­mund sowie eben eine Kör­per­grös­se von min­de­stens 1,74 Meter haben.

Die Mau­ern erzäh­len Geschichten

Gewandt lot­ste Simon Bus­sin­ger die Wall­ba­cher an war­ten­den Tou­ri­sten vor­bei zu Orten, die nor­ma­ler­wei­se den Mit­ar­bei­tern des Vati­kans vor­be­hal­ten sind. Am Sonn­tag­mor­gen stand die Six­ti­ni­sche Kapel­le den Gar­di­sten und ihren Ange­hö­ri­gen offen. Bevor die Grup­pe den Sei­ten­trakt «Bra­cio Con­stan­ti­no» betrat, sag­te Simon Bus­sin­ger: «Geht nicht ein­fach so durch die­se Räu­me, son­dern ach­tet dar­auf, was die Mau­ern euch sagen.» Ihm bedeu­te es viel, zu wis­sen, wel­che Geschich­te und Tra­di­ti­on in die­sen Stei­nen stecke, erzählt er. Und er beton­te: «Wer eine sol­che Kir­che wie die Peters­ba­si­li­ka baut, muss an sein Vor­ha­ben glau­ben, braucht Wil­lens­kraft und Durch­hal­te­ver­mö­gen.»

Kei­ne «Mis­si­on impossible»

Ganz ähn­lich hat­te am Sonn­tag­mor­gen ein Gar­dist am Got­tes­dienst zu sei­nen Kol­le­gen gespro­chen. Beschei­den­heit und Freund­schaft mit Gott und unter­ein­an­der bil­de­ten den Kern des Gard­e­dien­stes: «Also kei­ne Mis­si­on impos­si­ble», for­mu­lier­te er anschau­lich. Für Simon Bus­sin­ger, der zuhau­se in vie­len Ver­ei­nen sowie in der Kir­che enga­giert war, ist Kame­rad­schaft eben­falls ein Her­zens­an­lie­gen. So war ihm im ver­gan­ge­nen Herbst der Abschied von sei­nen Kol­le­gen nicht leicht­ge­fal­len. Doch inzwi­schen geniesst er die Kame­rad­schaft unter den Gar­di­sten. Zusam­men mit Kame­ra­den hat er seit sei­nem Dienst­an­tritt im ver­gan­ge­nen Okto­ber im Kel­ler der Kaser­ne eine Bar ein­ge­rich­tet, die als Treff­punkt dient. «Ich fin­de es schön, wenn man nach dem Dienst noch mit Kol­le­gen zusam­men­sit­zen und über das Erleb­te spre­chen kann», fin­det Simon Bus­sin­ger. Der Wall­ba­cher spielt auch in der Fuss­ball­mann­schaft der Schwei­zer­gar­de mit.

Auf bald!

Am Mon­tag­nach­mit­tag vor der Heim­rei­se ver­sam­mel­te sich die gan­ze Wall­ba­cher Dele­ga­ti­on noch ein­mal beim Ein­gang St. Anna, von wo aus man das Gar­de­quar­tier betritt. Simon Bus­sin­ger emp­fing sei­ne Gäste in Uni­form zum Foto­ter­min im Ehren­hof. Jede und jeder konn­te mit ihm für ein Erin­ne­rungs­fo­to posie­ren, bevor Simon Abschied nahm und zum Wach­dienst antre­ten muss­te. Zum Glück waren fast alle Rom­rei­sen­den in den letz­ten drei Tagen ein­mal beim Tre­vi-Brun­nen vor­bei­ge­kom­men. Wer dort rück­wärts über die Schul­ter eine Mün­ze ins Was­ser wirft – so die Legen­de – wird die Ewi­ge Stadt wie­der­se­hen. Min­de­stens in den näch­sten zwei Jah­ren wer­den die Wall­ba­cher dabei im Vati­kan ihren Mäxe tref­fen kön­nen.Ver­ei­di­gung 2018In die­sem Jahr war die Schweiz nicht durch einen Bun­des­rat, son­dern durch den aktu­el­len Natio­nal­rats­prä­si­den­ten, den Frei­bur­ger CVP-Poli­ti­ker Domi­ni­que de Buman, und damit den höch­sten Schwei­zer ver­tre­ten. Von Sei­ten der Schwei­zer Armee nahm der Luzer­ner Divi­sio­när Dani­el Kel­ler, ver­ant­wort­lich für die höhe­re Kader­aus­bil­dung, an der Fei­er teil. Von der Schwei­ze­ri­schen Bischofs­kon­fe­renz waren der Prä­si­dent Bischof Charles Mor­e­rod sowie der Bischof von Basel, Felix Gmür, zugegen.Für den dies­jäh­ri­gen Gast­kan­ton Luzern nahm der gesam­te Luzer­ner Regie­rungs­rat teil. Aus dem Kan­ton Luzern stamm­ten bis­her 24 von ins­ge­samt 35 Gar­de­kom­man­dan­ten. Auch der aktu­el­le Kom­man­dant Oberst Chri­stoph Graf ist Luzerner.Eröff­net wur­den die Fei­er­lich­kei­ten am Sams­tag­abend, 5. Mai, mit einem Abend­ge­bet und einer Kranz­nie­der­le­gung zu Ehren gefal­le­ner Gar­di­sten. Das Datum der jähr­li­chen Ver­ei­di­gung erin­nert an die Plün­de­rung Roms durch die Lands­knech­te Kai­ser Karls V., den soge­nann­ten Sac­co di Roma am 6. Mai 1527. Damals star­ben 147 Sol­da­ten bei der Ver­tei­di­gung von Papst Cle­mens VII.Die Schwei­zer­gar­de hat eine Soll­stär­ke von 110 Mann und ist für den Per­so­nen­schutz des Pap­stes sowie für die Kon­trol­le der Ein­gän­ge des Vati­kans zustän­dig. Die Bewa­chung des vati­ka­ni­schen Gäste­hau­ses San­ta Mar­ta, wo Fran­zis­kus resi­diert, teilt sich die Schwei­zer­gar­de mit der vati­ka­ni­schen Gen­dar­me­rie. Die mei­sten Rekru­ten ver­pflich­ten sich heu­te für eine zwei­jäh­ri­ge Dienst­zeit. Aus dem Aar­gau kom­men momen­tan zehn Gar­di­sten. (kath.ch) 
Marie-Christine Andres Schürch
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