Der kol­lek­ti­ve Unter­bruch ist wertvoll

Der kol­lek­ti­ve Unter­bruch ist wertvoll

  • Regel­mäs­sig im Früh­ling genies­sen die Schwei­zer freie Tage dank der reli­giö­sen Fei­er­ta­ge Auf­fahrt und Pfingsten.
  • Die Denk­fa­brik «Ave­nir Suis­se» schlug kürz­lich vor, reli­giö­se Fei­er­ta­ge abzu­schaf­fen und sie den Arbeit­neh­men­den als fle­xi­ble Frei­ta­ge zur Ver­fü­gung zu stellen.
  • Dem­ge­gen­über beto­nen die römisch-katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau, das Bis­tum Basel sowie der Sozi­al­ethi­ker Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki, wie wert­voll der kol­lek­ti­ve Unter­bruch der Arbeit ist.
 Die Auf­ga­be von «Ave­nir Suis­se» ist es, markt­wirt­schaft­li­che, libe­ra­le und wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Ideen für die Zukunft der Schweiz zu erar­bei­ten. Die Denk­fa­brik schreibt auf ihrer Web­sei­te: «Der Think-Tank iden­ti­fi­ziert rele­van­te The­men, weist früh­zei­tig auf Hand­lungs­be­darf hin und erar­bei­tet Lösungs­vor­schlä­ge. Die Ideen von Ave­nir Suis­se sol­len in Poli­tik und Gesell­schaft den Boden für zukünf­ti­ge Refor­men berei­ten.» Ver­gan­ge­ne Woche hat «Ave­nir Suis­se» anläss­lich von Auf­fahrt die reli­giö­sen Fei­er­ta­ge als für die Schweiz rele­van­tes The­ma aus­ge­macht. Vor dem Hin­ter­grund zuneh­men­der Säku­la­ri­sie­rung und ange­sichts einer mul­ti­re­li­giö­sen Gesell­schaft plä­dier­te die Orga­ni­sa­ti­on dafür, die reli­giö­sen Fei­er­ta­ge auf­zu­he­ben und sie den Arbeit­neh­me­rin­nen und ‑neh­mern als fle­xi­ble freie Tage zur Ver­fü­gung zu stel­len.

Ein Fei­er­tag kostet 2 Mil­li­ar­den Franken

In die­sem Zusam­men­hang rech­ne­te Fabi­an Schnell, Öko­nom bei «Ave­nir Suis­se» vor, was ein Fei­er­tag wie Auf­fahrt kostet. 2,8 Mil­li­ar­den Wert­schöp­fung pro Tag gin­gen streng theo­re­tisch ver­lo­ren, wenn ein Gross­teil der Leu­te einen Tag frei­macht. Berück­sich­ti­ge man wei­te­re Fak­to­ren wie die erhöh­te Arbeits­lei­stung vor und nach Fei­er­ta­gen und jene, die trotz Fei­er­tag arbei­ten, «ergibt sich pro feh­len­dem Arbeits­tag ein Aus­fall von etwa 2 Mil­li­ar­den», wie Fabi­an Schnell vorrechnet. 

«Radi­ka­le Idee»

Der Kir­chen­rats­prä­si­dent der römisch-katho­li­schen Kir­che im Aar­gau, Luc Hum­bel, reagiert gelas­sen auf den Vor­stoss von «Ave­nir Suis­se»: «Es ist die Auf­ga­be von Think-Tanks, zur Debat­te auzu­ru­fen. Wenn die­se dazu dient, einen bewuss­te­ren Umgang mit den kirch­li­chen Fei­er­ta­gen zu pro­vo­zie­ren, dann unter­stüt­zen wir die­ses Vor­ha­ben.» Die «radi­ka­le Idee», die frei­en Tage qua­si als zusätz­li­che Feri­en­ta­ge aus­zu­ge­stal­ten, fin­de gesamt­ge­sell­schaft­lich kei­nen Rück­halt, schätzt Luc Hum­bel. Denn auch wenn die­se Fei­er­ta­ge nicht von allen reli­gi­ös gestal­tet wür­den, so hät­ten sie ihren Wert auch dar­in, dass es bewuss­te Unter­brü­che vom Arbeits­all­tag sind, wel­che alle gemein­sam bege­hen.

Fei­er­ta­ge ermög­li­chen Gemeinschaft

Bezö­ge jede Arbeit­neh­me­rin und jeder Arbeit­neh­mer die frei­en Tage an einem selbst gewähl­ten Ter­min, ent­fie­len viel­leicht die lan­gen Staus vor dem Gott­hard an Auf­fahrt. Doch der Gesell­schaft gin­ge etwas Essen­zi­el­les ver­lo­ren, wie der Theo­lo­ge und Sozi­al­ethi­ker Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki gegen­über Radio SRF aus­führ­te: «Vie­le ken­nen die kon­kre­te Bedeu­tung der reli­giö­sen Fei­er­ta­ge zwar nicht. Aber das heisst nicht, dass sie die Tage nicht mit einer Bedeu­tung fül­len, die weit über die Arbeit hin­aus­geht. Ein Stu­dent sag­te mir, Auf­fahrt müs­se blei­ben, weil das der Ter­min für das gemein­sa­me Fami­li­en­fest sei. Sol­che Din­ge kann man nicht ein­fach indi­vi­dua­li­sie­ren. Das ver­la­gert die Gestal­tung der Gesell­schaft auf den Ein­zel­nen. Und damit ist der Mensch mei­ner Ansicht nach über­for­dert.»

«Fei­er­ta­ge machen Musik aus unse­rem Leben»

Auch Hans­rue­di Huber, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­ant­wort­li­cher des Bis­tums Basel, betont die Bedeu­tung des Kol­lek­ti­ven: «Obli­ga­to­ri­sche Fei­er­ta­ge haben einen grös­se­ren Erho­lungs­wert als indi­vi­du­el­le Frei­ta­ge, weil die Arbeit kol­lek­tiv unter­bro­chen wird. Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki fand ein pas­sen­des Bild für den Wert der Fei­er­ta­ge: «Die Fei­er­ta­ge machen Musik aus unse­rem Leben, indem sie ihm einen Rhyth­mus geben.» Man kön­ne auch sagen, Fei­er­ta­ge sei­en das Salz in der Sup­pe der täg­li­chen Arbeit und des gesell­schaft­li­chen Lebens. Und zu die­sem Salz müs­se man Sor­ge tra­gen.

Zur Ruhe kom­men, nach­den­ken, Sinn suchen

Auf der Web­site von «ethik22» führt Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki die­sen Gedan­ken wei­ter aus: «Mensch-Sein ist nicht nur Arbei­ten, son­dern auch das Gestal­ten, wie wir zusam­men leben sowie die Sehn­sucht nach Sinn.» Daher sei­en Fei­er­ta­ge eine Erin­ne­rung, «dass Leben nicht nur aus Arbei­ten besteht, son­dern auch von der Suche nach Sinn- und Wert­ori­en­tie­rung geprägt ist.» Fei­er­ta­ge erin­ner­ten dar­an, «dass wir alle gemein­sam die­se Suche ‹fei­ern› dür­fen.» Auch Bis­tums­spre­cher Hans­rue­di Huber sieht nach wie vor einen spi­ri­tu­el­len Wert in den reli­giö­sen Fei­er­ta­gen: «Mit etwas Phan­ta­sie sind die christ­lich auf­ge­la­de­nen Fei­er­ta­ge auch für Men­schen ande­rer reli­giö­ser Her­kunft oder für Kon­fes­si­ons­lo­se ein Impuls, zur Ruhe zu kom­men, über das Leben nach­zu­den­ken oder mit ande­ren zu feiern.» 
Marie-Christine Andres Schürch
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