
Bild: © Christoph Läser
«Der Abt ist eine Identifikationsfigur»
Am Samstag, 20. September, findet im Kloster Mariastein die Benediktion des neuen Abts Ludwig Ziegerer statt
Ein Mann, der das Gespräch sucht statt zu befehlen und der gerne mit Menschen zusammenarbeitet. Abt Ludwig findet es wichtig, dass in einer Gemeinschaft jeder mitanpackt.
Bevor er sich setzt, sammelt Abt Ludwig Ziegerer die auf dem Tisch ausgebreiteten Briefe und Unterlagen ein und trägt sie zum Regal. «Es liegt noch ein wenig Arbeit herum», sagt er entschuldigend. Vor seinem Bürofenster machen sich Arbeiter mit schweren Maschinen am Belag des Klosterplatzes zu schaffen. Im Kloster Mariastein gibt es einiges anzupacken.
Abt Ludwig Ziegerer
Nach dem Rücktritt von Abt Peter von Sury, am 23. Januar 2025, führte Pater Ludwig Rudolf Ziegerer als Klosteradministrator die Amtsgeschäfte weiter. Am 18. Juni 2025 wählten ihn die Mönche des Benediktinerklosters Mariastein für eine Amtszeit von sechs Jahren zum Abt.
Abt Ludwig, als Rudolf Ziegerer 1956 in Maienfeld geboren, absolvierte das Lehrerseminar in Chur und war acht Jahre lang als Lehrer in Graubünden tätig. 1985 trat er in das Benediktinerkloster Mariastein ein. Sein Theologiestudium in Chur und Jerusalem schloss er mit dem Lizenziat ab. 1992 wurde er zum Priester geweiht. Seither übernahm er verschiedene Aufgaben innerhalb der Klostergemeinschaft, unter anderem als Prior, Novizenmeister und Leiter der Wallfahrt. Ausserhalb des Klosters wirkte Abt Ludwig als Religionslehrer, als Seelsorger im Pastoralraum Solothurnisches Leimental und in verschiedenen kirchlichen und diözesanen Gremien. Im Jahr 2013 schloss er eine Ausbildung in Logotherapie ab, eine sinnzentrierte Psychotherapie nach Viktor Frankl (1905–1997).
Die Satzungen der Schweizer Benediktinerkongregation schreiben vor, dass der neue Abt innerhalb von drei Monaten nach der Wahl die Benediktion vom Diözesanbischof empfangen muss.
Die Benediktionsfeier mit Bischof Felix Gmür findet am Samstag, 20. September, um 9.30 Uhr in der Basilika von Mariastein statt.
Reaktionen aus der Bevölkerung
Bevor er am 18. Juni von seinen Mitbrüdern zum Abt gewählt wurde, habe er gezögert und sich gefragt: «Braucht es überhaupt einen Abt?», erzählt Abt Ludwig Ziegerer. Doch nach Annahme der Wahl habe er gemerkt, dass ein Abt mehr ist, als einfach der Vorsteher der Klostergemeinschaft: «Man gibt in einer solchen Position einer Institution ein Gesicht. Der Abt ist eine Identifikationsfigur.» Das machten ihm die Reaktionen aus der Bevölkerung, von den Klostermitarbeitenden und aus seinem Freundeskreis bewusst: «Ich bin froh, dass Mariastein wieder einen Abt hat», schrieb ihm jemand. «Da erschrickt man auch ein wenig über das Gewicht, das man plötzlich hat», meint er.
Seit Jahren in der Verantwortung
Der Mann, der das Kloster seit knapp drei Monaten leitet, strahlt trotz der neuen Verantwortung und der vielen Arbeit eine wohltuende Unbekümmertheit aus. Seine neue Aufgabe habe er gut vorbereitet angetreten, er kenne das Kloster in- und auswendig. «Meine Aufgaben als Abt betreffen Dinge, in die ich schon vorher involviert war, zuerst als Wallfahrtsleiter und zuletzt als Administrator. Ich werde jetzt nicht gleich alles auf den Kopf stellen, sondern mit der Zeit sehen, an welchen Schrauben ich drehen muss.»
Fasziniert von Klöstern
Ludwig Rudolf Ziegerer lebt und arbeitet seit 40 Jahren im Kloster Mariastein, seit 33 Jahren ist er Priester. Den Schritt ins Kloster machte er im Alter von 29 Jahren. Aufgewachsen ist er in einer reformierten Familie in Maienfeld. Durch einen Freund, der katholischer Priester war, fand er zum katholischen Glauben. Vor seinem Klostereintritt arbeitete Ziegerer als Primarlehrer in Landquart und war in dieser Aufgabe sehr eingespannt. In seiner Freizeit war er aber oft auf Reisen und besuchte auch verschiedene Klöster. «Klöster übten schon immer eine grosse Faszination auf mich aus», erinnert er sich.
Als 28-Jähriger besuchte Ziegerer mehrmals das Kloster Mariastein und schrieb dann dem damaligen Abt einen Brief, mit der Frage, ob er in die Gemeinschaft zu Besuch kommen könne. «Nach dem Besuch war für mich klar, dass ich ins Kloster eintrete. Ich wusste, was ich wollte, kündigte meine Stelle und gab alles auf.» Das Noviziatsjahr empfand der junge Mann nach dem Trubel in der Schule als sehr ruhig und entschleunigend.
Arbeit mit Menschen als roter Faden
Mariastein als lebendiger Wallfahrtsort habe ihn angezogen, erzählt er: «In ein total abgeschiedenes Kloster zu gehen, hätte ich mir nicht vorstellen zu können.» Das Zusammenspiel aus klösterlichem Leben und Aufgaben gegen aussen passte ihm. Einige Mitbrüder waren in der Seelsorge der Region tätig und gaben Religionsunterricht an Schulen. Die Vorstellung, dass er vielleicht als Religionslehrer ins Dorf geschickt würde, gefiel ihm. Und obwohl er nach dem Klostereintritt zuerst selbst wieder die Schulbank drückte und in Chur und Jerusalem Theologie studierte, zieht sich die Freude am Unterrichten wie ein roter Faden durch das Leben von Abt Ludwig.
Auch als Mönch unterrichtete er jeweils ein kleines Pensum Religion, von der ersten Primarklasse bis zur Oberstufe. Zudem gab er während 19 Jahren an der Fachhochschule in Liestal und Basel angehenden Lehrpersonen Kurse in Religionspädagogik. Die Ausbildung in Logotherapie, die er 2013 abschloss, gibt ihm die Möglichkeit, Seelsorgegespräche nach Bedarf auf logotherapeutischer Ebene weiterzuführen.
Neue Mitglieder für das Klosterleben
Aktuell leben im Kloster Mariastein zwölf Mönche. Um die Betreuung der Pilger langfristig zu gewährleisten, braucht das Kloster Nachwuchs. Bei diesem Thema will der neue Abt neue Wege finden: «Ich bin mit einigen Leuten im Gespräch, die sich in der Lebensmitte befinden. Wenn man im mittleren Alter in ein Kloster eintritt, heisst die grosse Herausforderung: Loslassen!», weiss Abt Ludwig. «Wenn man in jungem Alter ins Kloster kommt – wie das früher der Fall war – fällt das Loslassen wahrscheinlich etwas leichter.»
Als Abt will Ludwig Ziegerer Interessierten den Schritt ins Kloster erleichtern, indem er eine Probezeit gewährt, damit Neueintretende und die Klostergemeinschaft Zeit haben, sich kennen zu lernen – und sich allenfalls auch wieder zu trennen. Als Abt hat Ludwig Ziegerer das Wohl des Einzelnen, aber auch das des Klosters im Blick: «Es gibt eine Bedingung, die ich neu Eintretenden stelle: Wir brauchen Leute, die Aufgaben in der Gemeinschaft übernehmen wollen und können.»
Sehnsucht nach Gemeinschaft
Der heilige Benedikt, stelle in seiner Regel in Bezug auf Novizen die Frage ins Zentrum: «Ist er auf der Suche nach Gott?», und als wichtiger Zusatz: «Ist er bereit, die alltäglichen Widerwärtigkeiten anzunehmen?», ergänzt Abt Ludwig. Und fügt an: «Glauben heisst im Kloster auch, kooperativ zu sein.» Auf den Tisch klopfen wird er als Abt nur im Notfall: «Lieber suche ich das Gespräch, auch zweimal oder dreimal. Harmonie ist mir wichtig.»
Etwa alle zwei Monate, jeweils am Mittwochabend reist Abt Ludwig ins aargauische Benediktinerinnenkloster Fahr. Dort sitzt er mit der Priorin und den Schwestern zum abendlichen Austausch zusammen, feiert am Donnerstagmorgen mit ihnen die Messe und führt Seelsorgegespräche. Bei diesen Gelegenheiten spricht Abt Ludwig mit Priorin Irene auch über monastisches Leben und die Zukunft von Klostergemeinschaften. Beide stellen fest: «Viele Menschen haben Sehnsucht nach Gemeinschaft, scheuen aber den Schritt ins Kloster. Ich sehe es als meine Aufgabe, den Leuten Mut zu machen, diesen Schritt zu wagen.»