«Der Abt ist ​eine Identifikationsfigur»
Seit dem 18. Juni 2025 steht Ludwig Rudolf ­Ziegerer dem Kloster Mariastein als Abt vor. Die Gemeinschaft von Mariastein zählt aktuell zwölf Mönche.
Bild: © Christoph Läser

«Der Abt ist ​eine Identifikationsfigur»

Am Samstag, 20. September, findet im Kloster Mariastein die Benediktion des neuen Abts Ludwig Ziegerer statt

Ein Mann, der das Gespräch sucht statt zu befehlen und der gerne mit Menschen zusammenarbeitet. Abt Ludwig findet es wichtig, dass in einer Gemeinschaft jeder mitanpackt.


Bevor er sich set­zt, sam­melt Abt Lud­wig ­Ziegerer die auf dem Tisch aus­ge­bre­it­eten Briefe und Unter­la­gen ein und trägt sie zum Regal. «Es liegt noch ein wenig Arbeit herum», sagt er entschuldigend. Vor seinem Büro­fen­ster machen sich Arbeit­er mit schw­eren Maschi­nen am Belag des Kloster­platzes zu schaf­fen. Im Kloster Mari­astein gibt es einiges anzu­pack­en.


Abt Lud­wig Ziegerer
Nach dem Rück­tritt von Abt Peter von Sury, am 23. Jan­u­ar 2025, führte Pater Lud­wig Rudolf Ziegerer als Kloster­ad­min­is­tra­tor die Amts­geschäfte weit­er. Am 18. Juni 2025 wählten ihn die Mönche des Benedik­tin­erk­losters Mari­astein für eine Amt­szeit von sechs Jahren zum Abt.
Abt Lud­wig, als Rudolf Ziegerer 1956 in Maien­feld geboren, absolvierte das Lehrersem­i­nar in Chur und war acht Jahre lang als Lehrer in Graubün­den tätig. 1985 trat er in das Benedik­tin­erk­loster Mari­astein ein. Sein The­olo­gi­es­tudi­um in Chur und Jerusalem schloss er mit dem Lizen­zi­at ab. 1992 wurde er zum Priester gewei­ht. Sei­ther über­nahm er ver­schiedene Auf­gaben inner­halb der Klosterge­mein­schaft, unter anderem als Pri­or, Novizen­meis­ter und Leit­er der Wall­fahrt. Ausser­halb des Klosters wirk­te Abt Lud­wig als Reli­gion­slehrer, als Seel­sorg­er im Pas­toral­raum Solothur­nisches Lei­men­tal und in ver­schiede­nen kirch­lichen und diöze­sa­nen Gremien. Im Jahr 2013 schloss er eine Aus­bil­dung in Logother­a­pie ab, eine sinnzen­tri­erte Psy­chother­a­pie nach Vik­tor Fran­kl (1905–1997).
Die Satzun­gen der Schweiz­er Benedik­tin­erkon­gre­ga­tion schreiben vor, dass der neue Abt inner­halb von drei Monat­en nach der Wahl die Benedik­tion vom Diöze­san­bischof emp­fan­gen muss.
Die Benedik­tions­feier mit Bischof Felix Gmür find­et am Sam­stag, 20. Sep­tem­ber, um 9.30 Uhr in der Basi­li­ka von Mari­astein statt.

Reaktionen aus der Bevölkerung

Bevor er am 18. Juni von seinen Mit­brüdern zum Abt gewählt wurde, habe er gezögert und sich gefragt: «Braucht es über­haupt einen Abt?», erzählt Abt Lud­wig Ziegerer. Doch nach Annahme der Wahl habe er gemerkt, dass ein Abt mehr ist, als ein­fach der Vorste­her der Klosterge­mein­schaft: «Man gibt in ein­er solchen Posi­tion ein­er Insti­tu­tion ein Gesicht. Der Abt ist eine Iden­ti­fika­tions­fig­ur.» Das macht­en ihm die Reak­tio­nen aus der Bevölkerung, von den Kloster­mi­tar­bei­t­en­den und aus seinem Fre­un­deskreis bewusst: «Ich bin froh, dass Mari­astein wieder einen Abt hat», schrieb ihm jemand. «Da erschrickt man auch ein wenig über das Gewicht, das man plöt­zlich hat», meint er.

Seit Jahren in der Verantwortung

Der Mann, der das Kloster seit knapp drei Monat­en leit­et, strahlt trotz der neuen Ver­ant­wor­tung und der vie­len Arbeit eine wohltuende Unbeküm­mertheit aus. Seine neue Auf­gabe habe er gut vor­bere­it­et ange­treten, er kenne das Kloster in- und auswendig. «Meine Auf­gaben als Abt betr­e­f­fen Dinge, in die ich schon vorher involviert war, zuerst als Wall­fahrt­sleit­er und zulet­zt als Admin­is­tra­tor. Ich werde jet­zt nicht gle­ich alles auf den Kopf stellen, son­dern mit der Zeit sehen, an welchen Schrauben ich drehen muss.»

Fasziniert von Klöstern

Lud­wig Rudolf Ziegerer lebt und arbeit­et seit 40 Jahren im Kloster Mari­astein, seit 33 Jahren ist er Priester. Den Schritt ins Kloster machte er im Alter von 29 Jahren. Aufgewach­sen ist er in ein­er reformierten Fam­i­lie in Maien­feld. Durch einen Fre­und, der katholis­ch­er Priester war, fand er zum katholis­chen Glauben. Vor seinem Klostere­in­tritt arbeit­ete Ziegerer als Pri­mar­lehrer in Landquart und war in dieser Auf­gabe sehr einges­pan­nt. In sein­er Freizeit war er aber oft auf Reisen und besuchte auch ver­schiedene Klöster. «Klöster übten schon immer eine grosse Fasz­i­na­tion auf mich aus», erin­nert er sich.

Als 28-Jähriger besuchte Ziegerer mehrmals das Kloster Mari­astein und schrieb dann dem dama­li­gen Abt einen Brief, mit der Frage, ob er in die Gemein­schaft zu Besuch kom­men könne. «Nach dem Besuch war für mich klar, dass ich ins Kloster ein­trete. Ich wusste, was ich wollte, kündigte meine Stelle und gab alles auf.» Das Noviziat­s­jahr emp­fand der junge Mann nach dem Trubel in der Schule als sehr ruhig und entschle­u­ni­gend.

Arbeit mit Menschen als roter Faden

Mari­astein als lebendi­ger Wall­fahrt­sort habe ihn ange­zo­gen, erzählt er: «In ein total abgeschiedenes Kloster zu gehen, hätte ich mir nicht vorstellen zu kön­nen.» Das Zusam­men­spiel aus klöster­lichem Leben und Auf­gaben gegen aussen passte ihm. Einige Mit­brüder waren in der Seel­sorge der Region tätig und gaben Reli­gion­sun­ter­richt an Schulen. Die Vorstel­lung, dass er vielle­icht als Reli­gion­slehrer ins Dorf geschickt würde, gefiel ihm. Und obwohl er nach dem Klostere­in­tritt zuerst selb­st wieder die Schul­bank drück­te und in Chur und Jerusalem The­olo­gie studierte, zieht sich die Freude am Unter­richt­en wie ein rot­er Faden durch das Leben von Abt Lud­wig.

Auch als Mönch unter­richtete er jew­eils ein kleines Pen­sum Reli­gion, von der ersten Pri­mark­lasse bis zur Ober­stufe. Zudem gab er während 19 Jahren an der Fach­hochschule in Liestal und Basel ange­hen­den Lehrper­so­n­en Kurse in Reli­gion­späd­a­gogik. Die Aus­bil­dung in Logother­a­pie, die er 2013 abschloss, gibt ihm die Möglichkeit, Seel­sorgege­spräche nach Bedarf auf logother­a­peutis­ch­er Ebene weit­erzuführen.

Neue Mitglieder für das Klosterleben

Aktuell leben im Kloster Mari­astein zwölf Mönche. Um die Betreu­ung der Pil­ger langfristig zu gewährleis­ten, braucht das Kloster Nach­wuchs. Bei diesem The­ma will der neue Abt neue Wege find­en: «Ich bin mit eini­gen Leuten im Gespräch, die sich in der Lebens­mitte befind­en. Wenn man im mit­tleren Alter in ein Kloster ein­tritt, heisst die grosse Her­aus­forderung: Loslassen!», weiss Abt Lud­wig. «Wenn man in jungem Alter ins Kloster kommt – wie das früher der Fall war – fällt das Loslassen wahrschein­lich etwas leichter.»

Als Abt will Lud­wig Ziegerer Inter­essierten den Schritt ins Kloster erle­ichtern, indem er eine Probezeit gewährt, damit Neuein­tre­tende und die Klosterge­mein­schaft Zeit haben, sich ken­nen zu ler­nen – und sich allen­falls auch wieder zu tren­nen. Als Abt hat Lud­wig Ziegerer das Wohl des Einzel­nen, aber auch das des Klosters im Blick: «Es gibt eine Bedin­gung, die ich neu Ein­tre­tenden stelle: Wir brauchen Leute, die Auf­gaben in der Gemein­schaft übernehmen wollen und kön­nen.»

Sehnsucht nach Gemeinschaft

Der heilige Benedikt, stelle in sein­er Regel in Bezug auf Novizen die Frage ins Zen­trum: «Ist er auf der Suche nach Gott?», und als wichtiger Zusatz: «Ist er bere­it, die alltäglichen Wider­wär­tigkeit­en anzunehmen?», ergänzt Abt Lud­wig. Und fügt an: «Glauben heisst im Kloster auch, koop­er­a­tiv zu sein.» Auf den Tisch klopfen wird er als Abt nur im Not­fall: «Lieber suche ich das Gespräch, auch zweimal oder dreimal. Har­monie ist mir wichtig.»

Etwa alle zwei Monate, jew­eils am Mittwochabend reist Abt Lud­wig ins aar­gauis­che Benedik­tiner­in­nen­kloster Fahr. Dort sitzt er mit der Pri­or­in und den Schwest­ern zum abendlichen Aus­tausch zusam­men, feiert am Don­ner­stag­mor­gen mit ihnen die Messe und führt Seel­sorgege­spräche. Bei diesen Gele­gen­heit­en spricht Abt Lud­wig mit Pri­or­in Irene auch über monas­tis­ches Leben und die Zukun­ft von Klosterge­mein­schaften. Bei­de stellen fest: «Viele Men­schen haben Sehn­sucht nach Gemein­schaft, scheuen aber den Schritt ins Kloster. Ich sehe es als meine Auf­gabe, den Leuten Mut zu machen, diesen Schritt zu wagen.»

Marie-Christine Andres Schürch
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