Das grosse Samichlaus-Interview

Das grosse Samichlaus-Interview

  • Was hat der Samich­laus mit dem Kat­e­chis­mus zu tun und was ist ein Chlausen­bein?
  • Warum waren die Samich­läuse früher poli­tisch und han­delt es sich beim schwarzen Gesicht des Schmut­zli um Black­fac­ing?
  • Antworten dazu gibt es vom Samich­laus alias Hans-Peter «Buda» Rust.

Lieber Samich­laus, darf ich «du» sagen?
Samich­laus: Ja, unbe­d­ingt! Kinder und die Erwach­se­nen duzen mich, das ist so üblich.

Wie würdest du dein Äusseres beschreiben?
Ich trage ein Bischof­sor­nat, dazu gehört die Albe, eine Sto­la oder Cordel und der Man­tel. Ganz wichtig sind die Mitra und der Bischof­sstab. Ich trage seit Jahrhun­derten einen Bart und ich achte darauf, dass auf der Stirn einige weisse Lock­en her­vor­lu­gen. Aber viel wichtiger als wie ich ausse­he, ist, wer ich bin.

Wer bist du, Samich­laus?
Ich bin der Nach­fol­ger des Heili­gen Niko­laus, der zwis­chen 260–270 in der lykischen Haupt­stadt Patara geboren, bere­its jung zum Bischof von Myra in der heuti­gen Türkei gewählt wurde und am 6. Dezem­ber des Jahres 336 oder 337 starb.

Was ist deine Mis­sion?
Als Samich­laus halte ich die Erin­nerung an den Heili­gen Niko­laus wach und bere­ite den Men­schen bei meinem Besuch mit loben­den und dank­enden Worten Freude.

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Hans-Peter (Buda) Rust
war Schrift­set­zer und Jour­nal­ist und besucht seit 35 Jahren Fam­i­lien als Samich­laus. Er hat sich einen Namen gemacht als Niko­laus-Forsch­er und drei Büch­er zur Niko­laus-Verehrung und zum Niko­laus-Brauch­tum in der Schweiz ver­fasst: «In Seenot – Der hl. Niko­laus und die Schiff­fahrt auf dem Vier­wald­stät­tersee»; «Sankt Niko­laus – Verehrung und gelebtes Brauch­tum»; «Klaus­ja­gen Küss­nacht am Rigi». Ver­gan­ge­nes Jahr hat er die Inter­es­sen­ge­mein­schaft Samich­laus Brauch­tum Schweiz mit­be­grün­det.

Erzäh­le mir noch etwas mehr über deine Herkun­ft.
Es gibt ver­schiedene Leg­en­den über meine Herkun­ft. Die älteste ist die Strate­lat­en-Leg­ende aus dem 6. Jahrhun­dert, in der der heilige Niko­laus drei zu Unrecht verurteilte Feld­her­ren vor dem Tod durch das Richter­schw­ert ret­tet. Aber die wichtig­ste Erzäh­lung stammt aus der Jungfrauen-Leg­ende. Da schenkt der Heilige Niko­laus ein­er armen Fam­i­lie mit drei Töchtern unerkan­nt drei Gold­stücke, um den Töchtern eine Mit­gift für die Hochzeit zu schenken und sie so vor der Pros­ti­tu­tion zu bewahren. Die drei Gold­kugeln gehören darum zum bekan­ntesten Attrib­ut des Heili­gen. Bei meinen Haus­be­suchen erzäh­le ich den Kindern, dass Niko­laus aus ein­er reichen Fam­i­lie stammte und dass er nach dem frühen Tod sein­er Eltern seinen ganzen Besitz ver­schenkt hat.

Was ist deine Botschaft?
Denkt nicht nur an euch, son­dern auch an eure Mit­men­schen!

Das Lieblingsversli des Samichlaus

My Fründ, de Maxli

Nid so luut!, seid amigs s Mami.
S Glyche seid de Papi au.
Ornig ha im Veloruum!,, 
rüeft am Abwart syni Frau.

Stille sitze! Schöner ässe!
Nase putze nid vergässe!
So vill sett mer, 
isch doch gschpässig.
Überhaupt, das macht eim hässig! 

Au my Fründ, de Maxli, weisch,
regt sich ab so Sache uuf.
Bitte gib ihm au es Gschänk.
Er freut sich scho riisig druuf. 

Anita Schorno, Aus «Immer bi-ba-bubi-brav» von Anita Schorno

Wie bist du aus dem dama­li­gen Byzanz in unser Gebi­et gekom­men?
Auf zwei Wegen. Zum einen im Gepäck der byzan­ti­nis­chen Prinzessin Theo­phanu im Jahr 972, die den weströmis­chen Kaiser Otto II. heiratete. Seit dem 6. Jahrhun­dert wurde der Heilige Niko­laus im byzan­ti­nis­chen Reich sehr verehrt. Ander­er­seits mit den Gebeinen des Heili­gen, die 1087 nach Bari gebracht wur­den in den Hafen, wo die Kreuz­fahrer in See gestochen sind, um das «Heilige Land» zu erobern. Der Heilige Niko­laus war näm­lich als Patron der Seefahrer bekan­nt, was auf eine Erzäh­lung in der «Leg­en­da aurea» aus dem 13. Jahrhun­dert zurück­ge­ht. Darin hat er eine Mannschaft in Seenot gerettet.

Über die Jahrhun­derte gibt es unzäh­lige Bilder von dir. Welch­es ist dir das lieb­ste?
Sehr berührt bin ich von den Iko­nen der ortho­dox­en Kirche des Ostens, wo der Heilige Niko­laus auf Stufe der Gottes­mut­ter Maria verehrt wurde. Auf unzäh­li­gen Iko­nen flankieren die Gottes­mut­ter und der Heilige Niko­laus Jesus. Auf diesen Bildern hat der geal­terte Niko­laus immer ein gütiges Gesicht und strahlt Weisheit aus. Allerd­ings als Bischof der ortho­dox­en und nicht mit den Bischofs-Insignien der West­kirche, wie er bei uns bekan­nt ist.

Wie erk­lärst du den Kindern heute, dass es dich schon seit Jahrhun­derten und in so gross­er Zahl gibt?
Ich erk­läre den Kindern, dass es nicht möglich ist, dass ein Samich­laus allein alle Kinder besuchen kann. Das leuchtet ihnen sofort ein, Rück­fra­gen dazu habe ich noch nie bekom­men.

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Seit wann besuchst du die Kinder in der Schweiz?
Die Verehrung des St. Niko­laus in der Schweiz war zwis­chen dem 13. und 17. Jahrhun­dert am grössten. In dieser Zeit war der Name Niko­laus der zwei­thäu­fig­ste Vor­name im Gebi­et der heuti­gen Schweiz. Damals ent­standen ver­schiedene Brauch­tums­for­men, unter anderem der Fam­i­lienbe­such. Die früh­esten Quellen dazu datieren ins 16. Jahrhun­dert. Brisantes Beispiel ein­er solchen Quelle ist der Ein­trag im Haushalt­buch der Fam­i­lie von Mar­tin Luther aus dem Jahr 1535. Dort sind die Aus­gaben für den Niko­laus-Besuch aufge­lis­tet, obwohl der Refor­ma­tor die Heili­gen-Verehrung abgeschafft hat­te. In den Jahren ab 1920 hat sich der Brauch der Fam­i­lienbe­suche stark ver­bre­it­et. Nir­gends wird heute dieser Brauch so inten­siv gelebt wie in der Schweiz.

Wie muss ich mir einen Haus­be­such um 1920 vorstellen?
In dieser Zeit kam ich zu den Kindern nach Hause und habe sie nicht sel­ten über den Kat­e­chis­mus abge­fragt. Die Kinder mussten mir das soge­nan­nte Chlausen­bein zeigen. Auf diesem lan­gen Holzstück hat­te es ver­schiedene Ker­ben. Je gröss­er das Verge­hen des Kindes, desto tiefer war die Kerbe. Für jedes Vaterunser durfte das Kind auf der anderen Seite des Chlausen­beins eben­falls eine Kerbe machen, als Beweis für seine Sühne.

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Wie hat sich dein Besuch in jüng­ster Zeit verän­dert?
Heute bekomme ich von den Eltern vor meinem Besuch ein Daten­blatt gemailt. Das erle­ichtert mir meine Arbeit sehr. Jet­zt kann ich alle Fam­i­lien­mit­glieder mit dem richti­gen Namen ansprechen. Es kommt darauf an, ob ein Kind Mam­ma oder Mam sagt. Da es immer mehr Patch­work-Fam­i­lien gibt, bin ich froh, wenn ich weiss, wer wer ist.

Besuchst du alle Men­schen unab­hängig von ihrer religiösen Zuge­hörigkeit?
Ja, schliesslich ist Niko­laus der Heilige der Ökumene.

Welche Beziehung hast du zu Gott?
Es gibt Men­schen, die sehen mich als Statthal­ter Gottes. Ich ver­suche ein gottge­fäl­liges Leben vorzuleben.

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Kannst du Wun­der wirken?
Nein.

Bist du poli­tisch?
Heute sind wir poli­tisch und religiös neu­tral. Aber noch bis zum Ende des Zweit­en Weltkrieges gab es in der Gemeinde Schwyz poli­tisch gefärbte Samich­läuse. Einen lib­eralen, einen katholisch-kon­ser­v­a­tiv­en und einen christlich-sozialen. Da kon­nte es passieren, dass die drei gle­ichzeit­ig zum Haus­be­such erschienen. Es gibt sog­ar Berichte über Schlägereien von Samich­läusen. Heute sehen wir das glück­licher­weise nicht mehr so eng.

Das heisst, auch ein Athe­ist kön­nte Samich­laus wer­den?
Wenn sich jemand berufen fühlt und das Brauch­tum in Erin­nerung an den Heili­gen Niko­laus ausüben möchte, sind alle her­zlich willkom­men, unab­hängig von ihrer Herkun­ft und ihrer Reli­gion­szuge­hörigkeit.

Auch Frauen?
Tra­di­tionell und his­torisch ist der Samich­laus ein Mann, daran möchte ich fes­thal­ten. Aber in Basel gibt es beispiel­sweise auch Chläusin­nen.

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Wann hast du den Schmut­zli ken­nen gel­ernt?
Das ist so lange her, ich kann mich gar nicht mehr erin­nern. Ich bin sehr auf seine Hil­fe angewiesen. Allein kön­nte ich all die Geschenke nicht zu den Kindern brin­gen.

Der Schmut­zli hat sich in den ver­gan­genen Jahren zu deinem stillen Helfer gewan­delt. Das war nicht immer so, stimmts?
Der Ursprung des Schmut­zli ist tat­säch­lich der Teufel. In früheren Zeit­en war ich die Sym­bol­fig­ur für das Gute und der Schmut­zli für das Böse. Die Vorstel­lung der Welt war von einem christlichen Dual­is­mus geprägt. Ich habe zu Hause Postkarten, die sind gut 120 Jahre alt, darauf hat der Schmut­zli Hörn­er und eine rote Zunge wie der Teufel. Aber schon damals war er unter den Fit­tichen des Samich­laus, manch­mal sog­ar an ein­er Kette. Strafen andro­hen durfte der Schmut­zli nur mit Ein­willi­gung des Samich­laus.

Han­delt es sich beim schwarzen Gesicht des Schmut­zli um Black­fac­ing?
Nein, das schwarze Gesicht des Schmut­zli ist eben­falls ein teu­flis­ches Attrib­ut. Der Teufel ist aus dem himm­lis­chen Licht in die ewige Fin­ster­n­is gefall­en, darum ist Schwarz die Farbe des Teufels.

Und was ist mit der Rute?
Wenn ich in der Inner­schweiz unter­wegs bin, hat der Schmut­zli seine Rute dabei, aber er braucht sie nie. Im Kan­ton Zürich oder Solothurn etwa nimmt er sie gar nicht mehr mit.

Warum bringst du Nüssli, Man­darin­li und Lebkuchen?
Das hat sich seit den 1920er-Jahren so einge­bürg­ert. Übri­gens darf im Chlaussäck­li auch der Apfel nicht fehlen. Der Lebkuchen hat eine lange Tra­di­tion und gehört zu den Gebilde­broten. Die Holz­mod­el, mit denen dem Teig ein Bild eingeprägt wurde, datieren zum Teil ins 16. Jahrhun­dert und zeigen auch die Fig­ur des Samich­laus. Tra­di­tioneller­weise gehört zu den Samich­laus-Geschenken auch der Grit­tibänz, der früher in sein­er Form dem Samich­laus glich.

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Bist du ver­wandt mit dem Coca-Cola-Chlaus?
Sin­terk­laas aus Hol­land ist mit den hol­ländis­chen Auswan­der­ern im 17. Jahrhun­dert nach Ameri­ka gereist. Er ist der Vorgänger von San­ta Claus und dieser war die Vor­lage für den Coca-Cola-San­ta aus dem Jahr 1931. Insofern sind wir ent­fer­nte Ver­wandte.

Wie find­est du ihn?
Ich finde ihn kom­merziell. Als Samich­laus ste­he ich nicht für Kom­merz ein.


https://www.horizonte-aargau.ch/der-samichlaus-gibt-der-liebe-gottes-ein-gesicht/
Eva Meienberg
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