Dankbarkeit als Öl im Getriebe

Dankbarkeit als Öl im Getriebe

Seit 1999 gibt es in Baden am Eid­genös­sis­chen Dank‑, Buss- und Bet­tag das Gebet der Reli­gio­nen. Mit dem diesjähri­gen Schw­er­punkt begin­nen die Vertreterin­nen und Vertreter der Reli­gion­s­ge­mein­schaften eine the­ma­tis­che Rei­he ent­lang dem offiziellen Feiertagsti­tel.Das Muschel­horn, so erk­lärte Josef Stübi, Pfar­rer der Katholis­chen Stadtp­far­rei Baden, bei der Begrüs­sung der Gemeinde am 17. Sep­tem­ber 2017, werde lei­der nicht erklin­gen. Die Vertreterin der Hin­duis­tis­chen Gemeinde lasse sich wegen Krankheit entschuldigen.Dann ging alles seinen gewohn­ten Gang: die Glock­en der Kirche läuteten, Kan­tor Alexan­der Hoff­mann sang das jüdis­che Schma Jis­rael, der Muezzin Ali H. intonierte im Anschluss den mus­lim­is­chen Adhan. Gen hun­dert Men­schen lauscht­en hochkonzen­tri­ert den ver­schiede­nen Klän­gen. Es hat Tra­di­tion, dass die ver­schiede­nen Gebet­srufe jew­eils zu Beginn des Anlass erklin­gen. Später bere­icherte der Organ­ist Hans Zum­stein die einzel­nen inhaltlichen Abschnitte mit seinen musikalis­chen Inter­pre­ta­tio­nen der ver­schiede­nen Reli­gio­nen.

Auftakt zu thematischer Reihe

«Der Eid­genös­sis­che Dank‑, Buss- und Bet­tag sei in der poli­tisch und kon­fes­sionell stark unterteil­ten Schweiz ein staat­spoli­tisch begrün­de­ter gemein­samer Feiertag, der den Respekt vor den Ander­s­denk­enden in den Fokus stelle», erin­nerte Josef Stübi an die Geschichte des Gedenk­tages. Seit dem Zweit­en Vatikanis­chen Konzil werde er öku­menisch began­gen und in der jün­geren Geschichte an ver­schiede­nen Orten wie zum Beispiel Baden auch inter­re­ligiös. Der offizielle Titel des Feiertages, so Josef Stübi weit­er, sei in diesem und den fol­gen­den zwei Jahren der the­ma­tis­che Leit­faden für das Gebet der Reli­gio­nen. Es gehe also diese Jahr um den Dank und Dankbarkeit könne man als Öl im Getriebe des men­schlichen Zusam­men­lebens beze­ich­nen.

Verschiedene Facetten

Ein­drucksvoll beleucht­en anschliessend die ver­schiede­nen Vertreterin­nen und Vertreter der christlichen, mus­lim­is­chen, jüdis­chen und Baha’i Gemein­schaft aus­ge­hend von Zitat­en aus den jew­eili­gen heili­gen Tex­ten das The­ma Dankbarkeit.Malik Allawala, Verteter des Ver­ban­des Aar­gauer Mus­lime (VAM), rez­i­tierte Verse aus den Suren 14, 2 und 16. Dankbarkeit gegenüber Gott heisse, Gottes Exis­tenz anzuerken­nen und Wertschätzung für seine Schöp­fung zu zeigen. «Gott braucht diesen Dank nicht, aber durch unseren Dank teilen wir ihm mit, dass sein Ein­satz für uns nicht selb­stver­ständlich ist», legte Malik Allawala dar.Die reformierte Pfar­rerin Christi­na Hup­pen­bauer brachte den Eph­eser­brief ins Spiel, der dazu auf­fordert, «allezeit für alle Dinge zu danken». Ob das, so Christi­na Hup­pen­bauer, auch für den aus­gerenk­ten Arm, die laut­en Nach­barn oder den ver­passten Zug gelte? «Warum eigentlich nicht? Danken ist die Brücke des Lebens. Die Brücke von Men­sch zu Men­sch und von Men­sch zu Gott. Und wer weiss, welche neuen Wege sich öff­nen, wenn etwas anders läuft als geplant», zog Christi­na Hup­pen­bauer ihr Faz­it.Kevin De-Car­li von der Israelitis­chen Kul­tus­ge­meinde Baden näherte sich dem The­ma über das Wort. Das hebräis­che Hodah in der Tora bedeute, seine eige­nen Schwächen zuzugeben und Leis­tun­gen der Anderen anzuerken­nen. «Danken will ich dir, Gott, der du die Seele in mir erneuert hast», zitierte Kevin De-Car­li das jüdis­che Mor­genge­bet. Im Tal­mud werde dargelegt, dass Dankbarkeit den Men­schen öffne für den Anderen.«Sei freige­big im Glück und dankbar im Unglück», las Béa­trice Men­zi von der Baha’i‑Gemeinde Aarau aus dem «Brief an den Sohn des Wolfes» ein­er Baha’i‑Schrift vor. Zufrieden­heit und Dankbarkeit seien das riesige Dankeschön an den Schöpfer aller Wel­ten, for­mulierte Béa­trice Men­zi in der Ausle­gung.

Einheit in der Verschiedenheit

Es fol­gten Für­bit­ten und ein Schlusssegen und das gemein­sam gesun­gene «Gross­er Gott wir loben dich». Dann set­zte sich die Gemein­schaft im Pfar­reisaal im Roten Turm Baden fort. Mit­glieder der Mus­lim­is­chen Gemeinde warteten mit einem reich­halti­gen Buf­fet auf, an den Tis­chen wurde rege disku­tiert.«Ich finde es toll, dass im Gebet der Reli­gio­nen die Gemein­samkeit­en gezeigt wer­den», so ein Teil­nehmer mus­lim­is­chen Glaubens. Er ist – wie seine Frau – Kon­ver­tit und ursprünglich reformiert aufgewach­sen. Es sei schade, dass immer die Unter­schiede her­aus­gestellt wür­den, die seien let­ztlich in der Zahl geringer als die Gemein­samkeit­en in den grundle­gen­den Inhal­ten.Seine Ehe­frau nick­te. «Von mir aus kön­nte das Gebet der Reli­gio­nen öfter stat­tfind­en. Toll wäre es, wenn die Kinder und Jugendlichen der ver­schiede­nen Gemein­schaften mal ein Gebet gestal­ten wür­den.» Der reformierte Kol­lege ihres Sohnes sei ein­fach mit­gekom­men. «Mit mein­er Mut­ter, die katholisch ist, besuche ich immer mal wieder die Kirche. Sie kommt im Gegen­zug ab und zu mit in die Moschee», ergänzte die Frau.Die Unter­schiede respek­tieren und sich gegen­seit­ig «sein lassen kön­nen», die Gemein­samkeit­en feiern – so liess sich die Mei­n­ung am Tisch zusam­men­fassen.

Religion soll dem Leben dienen

Gemein­sam waren den vertrete­nen Reli­gio­nen nicht nur the­ol­o­gis­che Ker­naus­sagen, son­dern auch ein gewiss­er Prag­ma­tismus. Das zeigte sich zum Beispiel an der Aus­führung der Gebet­srufe. Muezzin Ali H. (Name von der Redak­tion auf Wun­sch geän­dert) erk­lärte, dass der Ruf zum Gebet mor­gens oft etwas länger gezo­gen werde, damit die Gläu­bi­gen Zeit hät­ten, wach zu wer­den. Kan­tor Alexan­der Hoff­mann sagte, dass das Schma-Jis­rael eigentlich viel länger sei und er es für die Feier gekürzt und auf den Kern konzen­tri­ert habe.Die inter­re­ligiöse Zusam­me­nar­beit fordere auf jeden Fall Fin­ger­spitzenge­fühl, meinte Kevin De-Car­li, der als Vertreter des Rab­bin­ers von Baden anwe­send ist. So stelle sich beispiel­sweise die Frage, ob es für die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer angenehmer wäre, das Gebet der Reli­gio­nen in einem religiös neu­tralen Ort durchzuführen.Was den Vertreterin­nen und Vertretern der ver­schiede­nen Gemein­schaften, die am Gebet der Reli­gio­nen teil­nehmen, auf jeden Fall Jahr für Jahr gelingt: Eine respek­tvolle gemein­same Feier, die Gott ehrt und dem inter­re­ligiösen Zusam­men­leben dient.
Anne Burgmer
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