
Christentum: Unio mystica
Die christliche Mystik entstand in den Klöstern des Mittelalters als Gegenbewegung zur rational und philosophisch betriebenen Theologie an den Universitäten. «Der Glaube der Frommen vertraut, er diskutiert nicht», sagte der Zisterzienser Bernhard von Clairvaux (1090–1153) als einer der führenden Köpfe der mystischen Bewegung. Ziel der christlichen Mystik ist die «unio mystica», die Vereinigung mit Gott beziehungsweise das tiefe Spüren von Gottes unmittelbarer Gegenwart. Solche Momente der Erleuchtung können etwa bei geistlicher Lektüre, beim Gebet, in der Meditation und der Kontemplation entstehen.
Nebst Mystikern wie Meister Eckhart, Johannes vom Kreuz oder Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens, traten auch Mystikerinnen in Erscheinung, die bis heute bekannt sind: etwa Teresa von Avila und Hildegard von Bingen. Niklaus von Flüe (1417–1787), der Schweizer Nationalheilige, war ebenfalls Mystiker. Die katholische Amtskirche verdächtigte die Mystik oft der Ketzerei. Auch die Reformatoren konnten ihr wenig abgewinnen, aber heute interessieren sich Christinnen und Christen aller Konfessionen verstärkt dafür.
