Bachs versteckte Botschaften

Bachs versteckte Botschaften

  • Thomas Belz kann in Johann Sebas­t­ian Bachs Kom­po­si­tio­nen, Noti­zen und Zeich­nun­gen das christliche Fun­da­ment der Musik aufzeigen.
  • Nicht nur kom­pos­i­torisch, auch zeich­ner­isch hat Bach die Botschaften sein­er Musik verdeut­licht.
  • Seit mehr als zehn Jahren schon erforscht Thomas Belz den Ein­fluss des Chris­ten­tums auf die abendländis­che Musik. Im zweit­en Teil unser­er Serie «Musik und Kirche» liegt der Fokus ganz auf dem Werk des Musikgi­gan­ten Johann Sebas­t­ian Bach.

Ohne das Chris­ten­tum, expliz­it die katholis­che Kirche, sähen die the­o­retis­chen Grund­la­gen der abendländis­chen Musik heute anders aus. Das hat Thomas Aure­lius Belz, Dok­tor der Kunst­wissenschaft, Volk­skunde und Bau­forschung, Cem­ba­lo- und Klavier­baumeis­ter, in jahre­langer Forschungsar­beit nachgewiesen. Im ersten Teil der Serie «Musik und Kirche» haben wir gezeigt, wie alles ange­fan­gen hat. In diesem zweit­en Teil geht es um den Nach­weis christlich­er Zeug­nisse im Werk von Johann Sebas­t­ian Bach.

Passionsblume als Zeichen

Bach (1685–1750) ist ein Gigant der abendländis­chen Musik- und Kul­turgeschichte. Seine mehr als 1100 bekan­nten Werke sind ver­mut­lich nur die Spitze seines Schaf­fen­seis­bergs. Viele sein­er Kom­po­si­tio­nen sind ver­schollen. Doch aus dem Mate­r­i­al, das nach­weis­lich des Meis­ters Hand­schrift trägt, lässt sich ein­deutig bele­gen, wie sehr Bach im christlichen Glauben, dessen Sprach- und Denkweise behei­matet war.

Thomas Belz nen­nt drei Anhalt­spunk­te: «Seine zahlre­ichen sakralen Kom­po­si­tio­nen sprechen für sich. Dazu kommt die sym­bol­is­che Durch­dringung sein­er Werke, die man nur sel­ten in ein­er solchen Dichte find­et. Und drit­tens hat er seine Par­ti­turen mit Zeich­nun­gen ergänzt, die den Sym­bol­ge­halt der Kom­po­si­tio­nen noch unter­stützen, zum Beispiel mit Pflanzen­bildern wie etwa der Pas­sions­blume.» (siehe Bild oben)

Absichtlich unvollendet

«Im Zyk­lus ‹Die Kun­st der Fuge› liefert Bach sein Glaubens­beken­nt­nis ab», erk­lärt Thomas Belz, der auch Mit­glied der Inter­na­tionalen Sozi­etät zur musikalisch-the­ol­o­gis­chen Bach­forschung ist. Die 14. Fuge wird in der Lit­er­atur als «unvol­len­det» beze­ich­net. Thomas Belz sieht das, ger­ade aus Bachs Ver­wurzelung im christlichen Glauben, dif­feren­ziert­er: «Es ist die 14. Fuge, weil 14 die Bachzahl ist. Man addiert die Stellen der Buch­staben B, A, C und H im Alpha­bet, 2 plus 1 plus 3 plus 8, und kommt so auf 14. Bach wieder­holt die Ton­folge B‑A-C‑H mehrfach, bevor die Fuge plöt­zlich abbricht. Damit bezieht er sich auf das Luka­se­van­geli­um, wo es heisst: ‹Freut euch darüber, dass Eure Namen im Him­mel verze­ich­net sind.› Nur wenn man glaubt, dass die Musik tat­säch­lich von Gott kommt, ist auch vorstell­bar, dass Gott jeman­den wie Johann Sebas­t­ian Bach mit­tels Musik zu sich ruft. Carl Philipp Emanuel Bach fand das unfer­tige Werk und schrieb die Anmerkung darunter, dass sein Vater über diesem unvol­len­de­ten Werk ver­stor­ben sei. Er hat­te nicht erkan­nt, dass das Unvol­len­dete Teil der kom­pos­i­torischen Absicht war.»

Zahlreiche Anspielungen

Bach war ein pro­fun­der Bibelken­ner. Das lässt sich allein schon an den Rand­no­ti­zen able­sen, die Bach in sein­er Calov-Bibel hin­ter­lassen hat. Da sind viele Zahlen notiert, die ihn beson­ders fasziniert haben. Als Mit­glied der «Cor­re­spondieren­den Soci­etät der musi­calis­chen Wis­senschaften» ver­fol­gte er das statu­tarische Ziel der Gesellschaft, «die Majestät der alten Musik wieder­herzustellen». Dazu Thomas Belz: «Bachs Werk enthält zahlre­iche Anspielun­gen und ver­steck­te Zitate. So stiess Pro­fes­sor Christoph Bossert, Kirchen­musikdi­rek­tor in Würzburg, auf die wieder­holte und gespiegelte Zahlen­folge 118/22. Liest man dann den 118. Psalm, Vers 22, geht einem ein Licht auf: ‹Der Stein, den die Bauleute ver­war­fen, er ist zum Eck­stein gewor­den.›»

«Das Evangelium der Tonkunst»

Zur Zeit Bachs war der Wech­sel von den soge­nan­nten Modi, den Kirchen­tonarten, zu den heute gebräuch­lichen Dur- und Moll­tonarten in vollem Gange. Durch sein epochales Werk «Das Wohltem­perierte Klavier» wird bis heute jed­er Pianist schon von Jugend an mit dem Phänomen dieser neuen Tonarten­sprache kon­fron­tiert. Ein Werk für jew­eils jeden der zwölf Töne der chro­ma­tis­chen Skala des Tas­tenin­stru­mentes zu schreiben, ist eine ein­ma­lige Erschei­n­ung in jen­er Zeit. Auch Bach meinte, dass Kreuz­tonarten, je höher sie im Quin­ten­zirkel ste­hen, immer heller wirken, eben­so behan­delte er die B‑Tonarten als die eher abge­dunkel­ten Sphäre.

Auch wenn die Kirchen­tonarten durch die neue, soge­nan­nt wohltem­perierte Stim­mung in den Hin­ter­grund rück­ten, blieb doch die Ver­wurzelung des Ton­sys­tems in der christlichen Sym­bo­l­ik erhal­ten. Thomas Belz erk­lärt das so: «Die weis­sen Tas­ten des Klaviers zeigen den ältesten Teil der Klaviatur. Auf jed­er weis­sen Taste startet eine neue Jakob­sleit­er zur Seligkeit – eine Kirchen­tonart eben. Die mit den schwarzen Tas­ten ergänzte Ver­sion behält die Sym­bo­l­ik bei, denn obwohl wir nun 13 Tas­ten vorfind­en, endet das Ganze auf der Oktav, das heisst auf der Acht, als ob es gar keine Ergänzung gegeben hätte.»

Aus der wohltem­perierten Stim­mung lässt sich noch mehr christliche Sym­bo­l­ik her­ausle­sen: «Die 13 minus 1 – wir haben zwar 13 Tas­ten aber nur zwölf Ton­beze­ich­nun­gen – erin­nern an die Teil­nehmer beim let­zten Abendmahl minus Judas, den Ver­räter. Die fünf schwarzen Tas­ten erin­nern an die fünf Wun­den und somit an den Tod. Die acht weis­sen Tas­ten an die Aufer­ste­hung am acht­en Tage. Ver­rat, Tod und Aufer­ste­hung: Das Evan­geli­um der Tonkun­st. Die tem­perierte Stim­mung ist eine Folge des Fes­thal­tens an der Sym­bo­l­ik. Dop­pel­be­nen­nun­gen der­sel­ben Taste wie Dis und Es bele­gen, dass mehr Töne wün­schenswert waren, aber hätte man dies umge­set­zt, hätte die Stim­mung nie ent­deckt wer­den kön­nen.»

Doppelt und Dreifach

Was Bach an christlich­er Sym­bo­l­ik in seinen Kom­po­si­tio­nen ver­ar­beit­et hat, das betonte er zusät­zlich noch in den meist flo­ralen Zeich­nun­gen, mit denen er seine Noten­blät­ter verzierte. Thomas Belz: «Bach sagt gewis­ser­massen alles dop­pelt und dreifach. Jedes The­ma wieder­holt und spiegelt sich – nicht nur in den Fugen. Die Lek­türe der Predigten Valerius Her­berg­ers war für mich eine entschei­dende Ver­ständ­nishil­fe für Bach. So heisst es dort: ‹Was noth­wendig und nüt­zlich ist, das muss man einem gar offt und fleis­sig für­sagen und durch vielfältige Wieder­hol­ung ins Herz drück­en.› Die Zeich­nun­gen Bachs bestäti­gen visuell, was er akustisch zum Aus­druck brachte.» Das Video zum The­ma «Bach-Blüten» und vieles mehr hat Thomas Belz auf sein­er Web­site pub­liziert. Wie und warum Thomas Belz’ Forschung bei Kirche und Bil­dungsver­ant­wortlichen auf Ablehnung stösst, lesen Sie im 3. Teil unser­er Serie.

Christian Breitschmid
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