«Wir brau­chen neue Regelungen»

«Wir brau­chen neue Regelungen»

  • Im syn­oda­len Pro­zess ist der erste Schritt getan: Gläu­bi­ge und Kir­chen­leu­te auf der gan­zen Welt haben auf natio­na­ler Ebe­ne ihre Anlie­gen an die Kir­che gesammelt.
  • Auch der Schwei­zer Syn­oden­be­richt liegt nun in Rom und fliesst in die euro­päi­sche Kon­ti­nen­tal­syn­ode ein.
  • Bischof Felix Gmür, der Prä­si­dent der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz, nimmt Stel­lung zum Schwei­zer Syn­oden­be­richt. Er will sich für Gleich­be­rech­ti­gung in der Kir­che stark­ma­chen – aber nicht im Alleingang.

Bischof Felix, gibt es in die­sem Bericht The­men- und Fra­gen­krei­se, die Sie über­rascht haben?
Bischof Felix: Nein. Ich war ja von Anfang an am Pro­zess betei­ligt. Wir Bischö­fe haben ihn lan­ciert, und dann war ich bei ver­schie­de­nen Gesprä­chen bis hin zur Schluss­ver­samm­lung in Ein­sie­deln immer wie­der dabei – und ganz OhrDie Ver­ant­wort­li­chen der Bis­tü­mer, der Lan­des­kir­chen, von Ver­ei­ni­gun­gen, Ver­bän­den und Uni­ver­si­tä­ten waren dabei. Das ist das Schö­ne: Wir waren alle invol­viert und wir wis­sen voneinander.

Es geht unter ande­rem um Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en, den Ein­be­zug von quee­ren Men­schen oder um Kle­ri­ka­lis­mus, wenn bei­spiels­wei­se Prie­ster oder ande­re kirch­li­che Instan­zen etwas durch­set­zen wol­len, ohne ande­re ein­zu­be­zie­hen. Wie reagie­ren Sie auf die­se The­men?
Ich reagie­re nicht, ich agie­re. Weil die­se The­men drän­gend sind, haben wir ja die­sen syn­oda­len Pro­zess lan­ciert. Im Bis­tum Basel sind wir seit lan­gem syn­odal, in gemein­sa­men Ent­schei­dungs­pro­zes­sen, unter­wegs. Ein wich­ti­ges The­ma aus der Befra­gung bei uns war die Not­wen­dig­keit einer Ombuds­stel­le. Dar­an arbei­ten wir. Aber sol­che Pro­zes­se brau­chen ihre Zeit. 

Ablauf der Syn­ode 23


Die Syn­oda­li­tät, das Prin­zip des «gemein­sa­men Gehens», ist ein Wesens­merk­mal der Kir­che. Das alt­grie­chi­sche Wort «syn­odos» bedeu­tet «gemein­sa­mer Weg» oder «Zusam­men­kunft». Mit der Syn­ode 23 will Papst Fran­zis­kus eine neue Debat­ten- und Betei­li­gungs­kul­tur in der Kir­che eta­blie­ren. So star­te­te die römisch-katho­li­sche Kir­che im Herbst 2021 in sei­nem Auf­trag einen zwei­jäh­ri­gen syn­oda­len Pro­zess. Papst Fran­zis­kus stell­te kon­kre­te Fra­gen zur Dis­kus­si­on. In der Schweiz schlos­sen sich dar­auf­hin die drei Bis­tü­mer Basel, Chur und St. Gal­len zusam­men und lan­cier­ten mit gfs.bern eine Online­platt­form, mit deren Hil­fe die Men­schen an der Basis, also Gläu­bi­ge und Kir­chen­in­ter­es­sier­te in den Pfar­rei­en, die päpst­li­chen Fra­gen beant­wor­ten konn­ten. «Wir sind ganz Ohr» lau­te­te der Titel der Kam­pa­gne. Im Bis­tum Basel beant­wor­te­ten 5’399 Per­so­nen die­se Fra­gen und waren damit Teil der ersten Stu­fe des syn­oda­len Prozesses.

In einem näch­sten Schritt wur­den die von gfs.bern ermit­tel­ten Resul­ta­te im Janu­ar 2022 an der syn­oda­len Ver­samm­lung des Bis­tums Basel von den diö­ze­sa­nen Räten, Kom­mis­sio­nen und Gästen dis­ku­tiert. Das Ergeb­nis ging an die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz. Die­se wie­der­um besprach die Ergeb­nis­se ihrer Diö­ze­sen an der Schwei­zer syn­oda­len Ver­samm­lung am 30. Mai 2022 in Ein­sie­deln. Dort dis­ku­tier­ten auch Migran­ten, Jugend­li­che, Frau­en, reli­giö­se Gemein­schaf­ten aus dem gan­zen Land, das Prä­si­di­um der Römisch-Katho­li­schen Zen­tral­kon­fe­renz sowie Exper­ten in Pasto­ral und Theo­lo­gie mit. Das Abschluss­do­ku­ment die­ser natio­na­len Ver­samm­lung wur­de nach Rom geschickt.

Aktu­ell haben fast alle natio­na­len Bischofs­kon­fe­ren­zen welt­weit ihre Ergeb­nis­se beim Syn­oden­se­kre­ta­ri­at ein­ge­reicht. Aus den gesam­mel­ten Rück­mel­dun­gen erar­bei­tet ein Exper­ten­team nun das Arbeits­do­ku­ment «Instru­men­tum labo­ris», das in zwei Mona­ten vor­lie­gen soll. Auf des­sen Grund­la­ge wer­den dann die sie­ben kon­ti­nen­ta­len Bischofs­ver­samm­lun­gen – Afri­ka, Ozea­ni­en, Asi­en, Naher Osten, Euro­pa, Latein­ame­ri­ka sowie USA/Kanada – bis März 2023 je ein eige­nes Doku­ment erstel­len. Aus die­sen sie­ben Kon­ti­nen­tal­do­ku­men­ten ent­steht ein Arbeits­do­ku­ment, auf des­sen Grund­la­ge die Bischofs­ver­samm­lung der Syn­ode im Okto­ber 2023 in Rom bera­ten wird.

Und auf der schwei­ze­ri­schen Ebe­ne, was packen Sie jetzt an
Im Schluss­be­richt geht es auch um Fra­gen der Lit­ur­gie, um die Fra­ge, wo es Orte gibt, wo wir das tun, was der Papst «hören auf den Hei­li­gen Geist» nennt. Wir sind ziem­lich stark auf struk­tu­rel­le Fra­gen fokus­siert. Und es gibt ein gros­ses Ver­trau­en, dass Struk­tu­ren dann auch Hal­tun­gen ändern kön­nen. Da bin ich mir zwar unsi­cher, aber dar­über kann man dis­ku­tie­ren. Und das tun wir nun mit syn­oda­len Begleit­grup­pen in den ein­zel­nen Bis­tü­mern und auf schwei­ze­ri­scher Ebe­ne. Die­se ver­tie­fen die The­men, schla­gen Hal­tun­gen und Vor­ge­hens­wei­sen vor für Strukturänderungen. 

Wel­che Rol­le haben Sie als Prä­si­dent der Bischofs­kon­fe­renz in die­sen Pro­zes­sen?
Mei­ne Rol­le ist es, die genann­ten Pro­ble­me und Fra­ge­stel­lun­gen auf­zu­zei­gen und in der kon­ti­nen­ta­len Pha­se, die nun kommt, die­se ein­zu­ge­ben. Zum Bei­spiel die Fra­ge nach der Rol­le der Frauen.

Also die Fra­ge nach der Gleich­be­rech­ti­gung der Frau­en.
Es gibt auch die Fra­ge nach der Gleich­be­rech­ti­gung des ver­hei­ra­te­ten Man­nes, des geschie­de­nen Man­nes, oder der geschie­de­nen Wie­der­ver­hei­ra­te­ten. Dass das bei uns ein Anlie­gen ist, hier ande­re Rege­lun­gen zu fin­den, das gebe ich an der kom­men­den euro­päi­schen Bischofs­syn­ode ein. 

Sie geben also das Anlie­gen in die Bera­tun­gen. Machen Sie auch Vor­schlä­ge für mög­li­che Lösungs­we­ge?
Für mich ist die Fra­ge der Sakra­men­te zen­tral. Wir müs­sen sicher­stel­len, dass die­se wei­ter­hin Quel­le und Voll­zug des Glau­bens sein kön­nen. Dazu brau­chen wir Men­schen, die befä­higt sind und geweiht wer­den, um die Sakra­men­te zu spen­den. Bis jetzt sind das zöli­ba­t­ä­re Män­ner, ver­hei­ra­te­te Dia­ko­ne sind zur Tau­fe und Assi­stenz bei der Ehe­schlies­sung befä­higt. Aber ich sehe kei­nen Grund, wie­so das nicht auch Frau­en sein können. 

Ein wei­te­res Anlie­gen ist der Ein­be­zug von Men­schen unter­schied­li­cher sexu­el­ler Ori­en­tie­rung, unter ande­rem in Bezug auf die Zulas­sungs­be­din­gun­gen zur Mis­sio, der kirch­li­chen Beauf­tra­gung.
Das dis­ku­tie­ren wir bereits in der Deutsch­schwei­ze­ri­schen Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz (DOK). Die Schwie­rig­keit besteht dar­in, eine neue Rege­lung auf Papier zu brin­gen. Aus­ser man sagt, es gibt kei­ne Regeln. 

Das deut­sche Bis­tum Hil­des­heim hat dies­be­züg­lich die Rege­lung geän­dert.
Ja, aber nur für jene Per­so­nen, die in katho­li­schen Spi­tä­lern und Schu­len arbei­ten, nicht für Prie­ster, Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger. Wir haben in der Schweiz gar kei­ne kirch­li­chen Ange­stell­ten in Schu­len oder Spi­tä­lern, und wenn, dann ohne Mis­sio. Was Hil­des­heim ein­ge­führt hat, gilt bei uns bereits. 

In wel­che Rich­tung geht die Dis­kus­si­on bezüg­lich Mis­sio für Seel­sor­gen­de in der Deutsch­schwei­ze­ri­schen Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz?
Ich kann nicht vor­her­sa­gen, was raus­kommt. Ich weiss nur, dass es schwie­rig ist. Denn die Fra­ge ist: Wo ist die Gren­ze? Wir über­le­gen uns einen ange­mes­se­nen Umgang. Mir per­sön­lich ist das päpst­li­che Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia ein Leit­fa­den. Der Papst spricht dort von Gra­dua­li­tät: Es gibt einen geist­li­chen Fort­schritt, nicht nur die aktu­ell vor­lie­gen­de Situa­ti­on. Eine Rege­lung, die heu­te stimmt, kann sich auch ändern und dann genau­so stim­mig sein. Der Papst for­dert von uns Refle­xi­on und Ein­ge­hen auf den Men­schen vor uns. 

Wären Sie bereit, falls sich in der Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz kei­ne Lösung abzeich­net, in Ihrem Bis­tum auch im Allein­gang eine neue Rege­lung ein­zu­füh­ren?
Ich bin kein Fan von Allein­gän­gen. In der klein­räu­mi­gen Schweiz ist das auch nicht ziel­füh­rend. Die Diö­ze­se Chur soll­te eine ähn­li­che Pra­xis haben wie Basel oder Sankt Gal­len. Die Bischofs­kon­fe­renz ist lang­sam, aber wir ver­su­chen einen Kon­sens zu fin­den, wo alle dahin­ter­ste­hen kön­nen. Allein­gän­ge beför­dern Spal­tun­gen und damit Unzufriedenheit. 

Kei­ne Lösung wür­de aller­dings zu gros­ser Ent­täu­schung füh­ren, denn mit dem Syn­oda­len Pro­zess, der Befra­gung der Gläu­bi­gen, wur­den auch Erwar­tun­gen geweckt.
Ist es denn wirk­lich so: wer­den ver­än­der­te Struk­tu­ren mei­nen Glau­ben zum Posi­ti­ven ver­än­dern? Kann ich nur glau­ben, wenn die Struk­tu­ren stim­men, und sonst nicht? 

Vie­le Gläu­bi­ge sind zer­ris­sen, da sie sich nicht mehr eins füh­len mit ihrer Kir­che. Sie wer­den wei­ter­hin glau­ben, aber aus­ser­halb der Kir­che.
Ja, die­se Gefahr besteht. Man darf aber auch Teil der Kir­che sein, ohne hun­dert­pro­zen­tig mit allem ein­ver­stan­den zu sein. 

Zurück zur bevor­ste­hen­den kon­ti­nen­ta­len Bischofs­syn­ode: Besteht die Chan­ce, dass dort auch Frau­en Stimm­recht haben wer­den?
Das weiss ich nicht. Aber das ist zum Bei­spiel etwas, was für mich wich­tig wäre. Auch an der Welt­bi­schofs­syn­ode im Herbst 2023. Dass man da die Zusam­men­set­zung ändert. Damit es nicht mehr nur eine Bischofs­syn­ode ist, son­dern eine Syn­ode von gläu­bi­gen Men­schen ver­schie­de­ner Länder.


Wei­te­re Bei­trä­ge zur Syn­ode 23

https://www.horizonte-aargau.ch/papst-will-stimmen-der-basis-hoeren
https://www.horizonte-aargau.ch/ringen-ist-etwas-spezifisch-christliches
https://www.horizonte-aargau.ch/stimmen-zur-synodalen-versammlung-in-basel
Marie-Christine Andres Schürch
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