Ama­zo­nas-Syn­ode for­dert west­li­ches Kir­chen­mo­dell heraus

  • Vom 6. bis 27. Okto­ber 2019  tagt im Vati­kan die Ama­zo­nas-Syn­ode. Mit die­ser ver­knüp­fen die Kir­chen in Deutsch­land und der Schweiz Hoff­nun­gen für Ver­än­de­run­gen, die sich auch posi­tiv für Euro­pa aus­wir­ken könnten.
  • Pir­min Spie­gel ist Geschäfts­füh­rer des katho­li­schen Hilfs­werks Mise­re­or. Er hat an den Vor­be­rei­tun­gen zur Ama­zo­nas-Syn­ode mit­ge­wirkt. Im Inter­view äus­sert er sich zu den Schwer­punk­ten der anste­hen­den Zusam­men­kunft in Rom und warnt vor deren Instrumentalisierung.
 Herr Spie­gel, Sie haben an den Vor­be­rei­tun­gen zur Ama­zo­nas-Syn­ode mit­ge­wirkt. Was genau steht da auf der Tages­ord­nung? Pir­min Spie­gel: Im Gebiet von Ama­zo­ni­en befin­det sich der gröss­te Urwald mit den gröss­ten Süss­was­ser­re­ser­ven, dem gröss­ten Arten­vor­kom­men welt­weit, eben­so eine Viel­zahl auto­chtho­ner Völ­ker. Doch das Wirt­schafts­mo­dell, das in Ama­zo­ni­en vor­herrscht, bedeu­tet Zer­stö­rung von Natur, Zer­stö­rung von Schöp­fung. Jedes Jahr wer­den Wäl­der von der drei­fa­chen Grös­se Luxem­burgs abge­holzt. Wenn der Ama­zo­nas, der als grü­ne Lun­ge der Erde bezeich­net wird, lei­det, dann brau­chen wir hei­len­de Wege, um die­se Lun­gen­ent­zün­dung für die nach­wach­sen­den Gene­ra­tio­nen und die bedroh­ten Völ­ker heu­te anzu­ge­hen.Papst Fran­zis­kus, der das Tref­fen ein­be­ru­fen hat, geht es aber sicher nicht nur um den Umwelt­schutz, oder? Die Inten­ti­on des Pap­stes ist es, um der Men­schen und der Natur wil­len neue und ande­re Wege für die Kir­che zu fin­den.Was heisst das? Erstens gibt es die unvor­stell­bar gros­sen Ent­fer­nun­gen zwi­schen den Gemein­den. In eini­gen Gemein­den inner­halb des Ama­zo­nas­beckens wird nur sel­ten Eucha­ri­stie gefei­ert, in man­chen nur alle zwei Jah­re. Des­halb wer­den Zugän­ge zum Amt mit auf der Tages­ord­nung der Syn­ode ste­hen. Zwei­tens geht es um die soge­nann­te Deko­lo­nia­li­sie­rung. Bis­her wur­den in der Regel euro­päi­sche Ansät­ze auf die Gemein­den Latein­ame­ri­kas über­tra­gen. Da fragt Papst Fran­zis­kus, wie eine Kir­che mit einem «ama­zo­ni­schen Gesicht» aus­se­hen kann.Bereits im Vor­feld gibt es Kri­tik an der Syn­ode. Der ehe­ma­li­ge Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Ger­hard Lud­wig Mül­ler, hält das Vor­be­rei­tungs­pa­pier für theo­lo­gisch schwach. Sein Amts­bru­der, Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler, sieht blin­den Reform­ei­fer am Werk. Was sagen Sie dazu? Es ist gut, dass die Kar­di­nä­le Brand­mül­ler und Mül­ler klar und deut­lich zum Aus­druck brin­gen, was nicht weni­ge ande­re unter­ein­an­der den­ken und sagen. Dies ermög­licht einen auf­rich­ti­gen Dia­log und eine auf­rich­ti­ge Debat­te.Was spricht denn für das Vorbereitungspapier? Erst­mals nach mehr als 50 Jah­ren öku­me­ni­schen Weges und inter­re­li­giö­sen Dia­logs ist das Doku­ment, das die Syn­ode vor­be­rei­tet, auf hohem Niveau im Dia­log mit dem Wis­sen der ursprüng­li­chen Völ­ker Ama­zo­ni­ens erwach­sen. Kir­che also als Hören­de, als Wert­schät­zen­de gegen­über Men­schen ande­rer Kul­tu­ren.Wann wäre aus Ihrer Sicht die Syn­ode ein Erfolg? Die Syn­ode wäre ein Erfolg für die Kir­che, wenn neue Wege ein­ge­schla­gen wer­den, die den viel­fäl­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen sozia­ler und öko­lo­gi­scher Art, dem Glau­ben, dem Zusam­men­halt der Völ­ker, die heu­te am Ama­zo­nas leben, gerecht wer­den. Und wenn Chri­stin­nen und Chri­sten aus­ser­halb von Latein­ame­ri­ka von dem inspi­riert wer­den, was «Kir­che sein» am Ama­zo­nas bedeu­tet.Sind auch Aus­wir­kun­gen auf Poli­tik und Gesell­schaft denkbar? Das jet­zi­ge Wirt­schafts­mo­dell, mit dem wir auf unse­rem Pla­ne­ten unter­wegs sind, bräuch­te min­de­stens zwei Erd­pla­ne­ten. Auf der Ama­zo­nas-Syn­ode wird es auch dar­um gehen, wie wir Model­le bestär­ken, bezie­hungs­wei­se anstos­sen kön­nen, die die pla­ne­ta­ri­schen Gren­zen respek­tie­ren, die die Lebens­qua­li­tät respek­tie­ren und die Soli­da­ri­tät. Dazu liegt ja bereits eini­ges in Poli­tik, in Wirt­schaft und Land­wirt­schaft auf dem Tisch.Aber es geht an der Ama­zo­nas-Syn­ode ja noch um mehr… Ja, es geht dar­um, den heu­ti­gen Bedro­hun­gen des Lebens von Men­schen und Natur als Kir­che bes­ser begeg­nen zu kön­nen. Kir­che ist in ihrer bis­he­ri­gen Arbeits­wei­se weder orga­ni­sa­to­risch noch theo­lo­gisch aus­rei­chend prä­sent.Kön­nen Sie sich eine Wech­sel­wir­kung zwi­schen der Ama­zo­nas-Syn­ode und dem, was in Euro­pa dis­ku­tiert wird, vor­stel­len? Zunächst ein­mal ist wich­tig, dass wir mit unse­ren Fra­gen, die wir in der euro­päi­schen Kir­che haben, nicht die Ama­zo­nas-Syn­ode instru­men­ta­li­sie­ren. Zugleich gibt es eine begriff­li­che Nähe zum geplan­ten «syn­oda­len Weg» in Deutsch­land. «Syn­odos» heisst «gemein­sam gehen» – und dabei den Glau­ben und die Tra­di­ti­on im Blick haben und die Bedürf­nis­se, die wir als Kir­che und Gesell­schaft spü­ren, um die Bot­schaft Jesu wei­ter prä­sent zu hal­ten.Kön­nen Sie das konkretisieren? Es wird in bei­den Fäl­len auch um den Zugang zum Amt gehen – wobei die jewei­li­ge Aus­gangs­la­ge natür­lich unter­schied­lich ist. Was die Ama­zo­nas-Syn­ode anbe­langt, ist im Kon­sul­ta­ti­ons- wie auch im Arbeits­do­ku­ment davon die Rede, kirch­li­che Ämter auch von den Erfor­der­nis­sen der Situa­ti­on Ama­zo­ni­ens her zu den­ken.Was heisst das nun für die bei uns dis­ku­tier­te Fra­ge nach Ver­än­de­run­gen beim Ämter­zu­gang? Es wird an Män­ner gedacht, die ein authen­ti­sches Glau­bens­le­ben füh­ren und auf Vor­schlag der Gemein­de für ihre Regi­on geweiht wer­den. Die­se Fra­ge ist in ähn­li­cher Wei­se auch in Deutsch­land auf der Agen­da. Und dann geht es um den Zugang von Frau­en zu kirch­li­chen Ämtern. Wird es bei­spiels­wei­se eine Wei­he von Dia­ko­nin­nen geben? Es ist an der Zeit, die­se Her­aus­for­de­run­gen ehr­lich und trans­pa­rent anzugehen.
Andreas C. Müller
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