Alles rund um den Heiligenschein

Hei­lig wer­den kann im Prin­zip jeder. Vor­aus­set­zung ist: Er muss katho­lisch und tot sein. Hin­zu­kom­men muss ein Für­spre­cher, der ein Ver­fah­ren dazu bean­tragt. Das sind mei­stens Bis­tü­mer oder Orden. In dem Pro­zess müs­sen ein vor­bild­li­ches christ­li­ches Leben und zwei Hei­lungs­wun­der nach­ge­wie­sen wer­den. Wer als Mär­ty­rer gestor­ben ist, das heisst aus «Hass auf den Glau­ben» getö­tet wur­de, braucht nur ein Hei­lungs­wun­der. Hier­zu wer­den Histo­ri­ker, Theo­lo­gen, Medi­zi­ner und — falls vor­han­den — Zeit­zeu­gen befragt. 

Wie wird man hei­lig?
Der Pro­zess kann frü­he­stens fünf Jah­re nach dem Tod des Kan­di­da­ten begin­nen. Er läuft über zwei Instan­zen: Zunächst im Bis­tum des Kan­di­da­ten und anschlies­send im Vati­kan, wo es eine eige­ne Kon­gre­ga­ti­on für die Hei­lig- und Selig­spre­chun­gen gibt. Es gibt zwei Stu­fen: Bevor man hei­lig wird, muss man erst selig sein. Seli­ge dür­fen anders als Hei­li­ge nur regio­nal ver­ehrt wer­den. Ein Hei­lig­spre­chungs­pro­zess kann wie im Fall von Johan­nes Paul II. neun Jah­re dau­ern, er kann sich aber auch über meh­re­re hun­dert Jah­re hin­zie­hen. Er kostet in der Regel min­de­stens meh­re­re Zehn­tau­send Euro (gut 12.000 Franken).

Was heisst «hei­lig»?
«Hei­lig» heisst nicht per­fekt oder feh­ler­los. Auch Hei­li­ge dür­fen Men­schen mit Ecken und Kan­ten sein. Eine Hei­lig­spre­chung ist nach katho­li­scher Leh­re ledig­lich die amt­li­che Bestä­ti­gung, dass eine Per­sön­lich­keit «die Tugen­den hel­den­haft geübt und in Treue zur Gna­de Got­tes gelebt» hat. Die­se Tugen­den sind vor allem Glau­be, Lie­be und Hoff­nung. Beur­tei­lungs­kri­te­ri­um hier­für ist die jewei­li­ge Zeit. Es geht nicht um eine rück­blicken­de histo­ri­sche Bewer­tung. Das kann vor allem bei histo­risch umstrit­te­nen Per­sön­lich­kei­ten wie etwa Papst Pius XIII. (1939–1958) bedeut­sam wer­den, des­sen Ver­hal­ten ange­sichts des Holo­caust bis heu­te kon­tro­vers debat­tiert wird.

Wozu sind Hei­li­ge gut?
Kein Katho­lik muss Hei­li­ge ver­eh­ren. Die Kir­che emp­fiehlt es jedoch als «gut und nutz­brin­gend», sie um ihre Für­spra­che bei Gott anzu­ru­fen. Nach katho­li­schem Ver­ständ­nis ste­hen sie Gott beson­ders nahe. Sie sind jedoch kei­ne Heils­ver­mitt­ler, die neben oder gar anstel­le von Jesu Chri­sti tre­ten können.

Wie vie­le Hei­li­ge gibt es?
Nie­mand weisst genau, wie vie­le Hei­li­ge es gibt. Das «Mar­ty­ro­lo­gi­um Roma­num» von 2004, das kirch­li­che Ver­zeich­nis der Seli­gen und Hei­li­gen zählt ins­ge­samt 6650 Seli­ge und Hei­li­ge auf. Voll­stän­dig ist jedoch auch die­se Liste nicht. Das kommt daher, dass es erst seit Ende des 16. Jahr­hun­derts mit der Grün­dung der vati­ka­ni­schen Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on ein gere­gel­tes Ver­fah­ren für Hei­lig­spre­chun­gen gibt. Anfangs bestimm­te das Volk, wer hei­lig ist. Seit 993 ist die Hei­lig­spre­chung den Päp­sten vorbehalten.

War­um haben Pro­te­stan­ten kei­ne Hei­li­gen?
Ein Hei­li­ger wider­spricht auf den ersten Blick so ziem­lich allem, was einem guten Pro­te­stan­ten hei­lig ist: Ver­eh­rung gebührt Gott allein, zwi­schen ihm und den Men­schen ver­mit­telt Chri­stus allein und in der Bibel steht auch nichts davon. Mar­tin Luther zähl­te ihre Ver­eh­rung des­halb zu den «ent­chri­sti­schen Miss­bräu­chen». Doch heisst das nicht, dass der hei­li­ge Fran­zis­kus von Assi­si oder die seli­ge Mut­ter Tere­sa den Pro­te­stan­ten nichts bedeu­ten dürf­ten. Auch nach evan­ge­li­schem Ver­ständ­nis gibt es Chri­sten mit Vor­bild­cha­rak­ter: Sie wer­den jedoch nur geehrt, nicht ver­ehrt. Mit ande­ren Wor­ten: Sie dür­fen nicht um ihre Für­bit­te bei Gott ange­ru­fen werden.

War­um brau­chen Hei­li­ge ein Wun­der?
Der Nach­weis eines phy­si­schen Wun­ders gilt als untrüg­li­cher Beweis dafür, dass die Für­bit­ten, die von Gläu­bi­gen an die betref­fen­de Per­son gerich­tet wer­den, auch tat­säch­lich wirk­sam sind. Ein blos­ses mora­li­sches Wun­der kann die­se Gewiss­heit nach herr­schen­der Leh­re nicht geben. Zumal die Defi­ni­ti­on eines mora­li­schen Wun­ders strit­tig ist. Aner­kannt wer­den nur Hei­lungs­wun­der. Vom Vati­kan bestell­te Ärz­te müs­sen die medi­zi­ni­sche Uner­klär­bar­keit einer Hei­lung bestä­ti­gen. Eine Theo­lo­gen-Kom­mis­si­on muss anschlies­send prü­fen, ob es sich um ein Wun­der des betref­fen­den Kan­di­da­ten han­delt, und nicht etwa ein ande­rer sei­ne Hän­de im Spiel hat­te, der eben­falls im Gebet ange­ru­fen wur­de. Kri­ti­ker geben zu beden­ken, dass sich auf­fal­lend wenig Wun­der in Mit­tel­eu­ro­pa ereig­nen. Ver­tei­di­ger wer­ten dies als Zei­chen man­geln­den Glau­bens. Kipa/aj

Redaktion Lichtblick
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