Alle Jahre wieder

Wei­h­nacht­en ist eines der höch­sten Feste im Kirchen­jahr. Ein zwiespältiges Fest, denn es pen­delt zwis­chen Sehn­sücht­en und Erwartun­gen ein­er­seits, Kon­sum und Stress ander­er­seits. Während es in den Stuben der meis­ten Men­schen an Heili­ga­bend und am ersten Wei­h­nachts­feiertag besinnlich zu und her geht, bedeutet Wei­h­nacht­en für andere grossen Ein­satz. Ger­ade für Priester und Pas­toralas­sis­ten­ten, also für diejeni­gen, die in den Wei­h­nachts­gottes­di­en­sten für einen Teil der Wei­h­nachtsstim­mung sor­gen, ist das Fest Arbeit und Glauben­sausübung gle­ichzeit­ig. Ein Zünd­holz ratscht über die Schach­tel­seite, es faucht kurz und schon bren­nt eine Kerze am Adventskranz. «Das möchte ich nicht mis­sen», sagt Franz Xaver Amrein. Der 68-jährige Priester macht es sich bequem. Seit vierzig Jahren arbeit­et er für die Kirche, zulet­zt sechzehn Jahre in Windisch. Seit zwei Jahren ver­sieht er den Dienst als Pfar­rer in Zufikon, hil­ft in Her­metschwil und Brem­garten aus. Gefragt, ob sich sein Blick auf Wei­h­nacht­en in vierzig Jahren Dienst verän­dert habe, über­legt er einen Moment. «Das hat er sich­er. Spon­tan würde ich sagen, dass er sich ver­tieft hat. Es ist ein Prozess, die Grösse und Bedeu­tung dessen zu ermessen, was wir da feiern. Und ich spüre von Jahr zu Jahr mehr, dass es unaus­lot­bar ist», erk­lärt er. Er habe, so meint Franz Xaver Amrein lächel­nd, nie den Ein­druck, jet­zt sei er bei einem Lied oder einem Text am Ende angekom­men, obwohl sie ihn schon sein ganzes Leben begleit­en.Dif­feren­zieren zwis­chen früher und heute Die Wei­h­nacht­ser­leb­nisse sein­er Kind­heit haben ihn geprägt. Aufgewach­sen in der Pfar­rei Sursee ist ihm beson­ders das Rit­u­al des Laufens zur Mit­ter­nachtsmesse in der Kapelle Mari­azell in Sursee geblieben. Dreis­sig bis vierzig Minuten war die Fam­i­lie unter­wegs. «Es war nie das Gefühl des Müssens, son­dern des gemein­samen Wol­lens. Es war ein beson­deres Ankom­men, wenn unsere Fam­i­lie in die ‚grössere Fam­i­lie‘ in der Kapelle kam», erin­nert er sich. Ihm ist bewusst, dass ger­ade das Auf­brechen zur Kirche in vie­len Fam­i­lien heute ein Stress­fak­tor sein kann. Wenn die Eltern gehen wollen, den Kindern der Gottes­di­en­st­be­such hinge­gen nichts mehr sagt. Der Tat­sache, dass die Kirchen an Wei­h­nacht­en im Nor­mal­fall sehr viel voller sind als unter dem Jahr, begeg­net er mit Wach­samkeit gegen sich selb­st. «Es ist eine ständi­ge Her­aus­forderung, wed­er zu urteilen, noch die Tat­sache der grossen Men­schen­menge zu miss­brauchen. Die Men­schen heute sind punk­tuell da. Es ste­ht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Ich bin ein­fach anders gross­ge­wor­den», dif­feren­ziert er.Kein «seicht­es» Kaufhaus­ge­dudel Auch Mar­cus Hüt­tner, seit 2011 Pas­toralas­sis­tent im Pfar­reien­ver­band Zurzach und Stu­den­land ist sich bewusst, dass viele Leute, die an Heili­ga­bend den Weg in die Kirche find­en, anders geprägt sind, als er sel­ber. «Die Men­schen, die an Wei­h­nacht­en in die Kirche kom­men, wollen abge­dunkeltes Licht, sie wollen ‚Stille Nacht, Heilige Nacht‘, und das sollen und dür­fen sie hier auch find­en. Bei vie­len Gottes­di­en­st­be­such­ern kom­men an diesem Abend Erin­nerun­gen an Heimat, Kind­heit und Tra­di­tion hoch. Das möchte ich respek­tieren und ernst nehmen», verdeut­licht Mar­cus Hüt­tner. Den­noch betont der 40-jährige aus dem fränkischen Bam­berg, dass er kein «seicht­es» Kaufhaus­ge­dudel fab­rizieren möchte. «Ich habe den Anspruch, akzen­tu­iert und ver­ständlich die christliche Botschaft zu ver­mit­teln.»Tra­di­tio­nen auf­bauen Drei Kinder im Alter von knapp eins bis dreiein­halb Jahren hat Mar­cus Hüt­tner, der 2004 in die Schweiz kam und 2009 seine Frau Chris­tine heiratete. «Als junge Fam­i­lie fan­gen wir erst an, eigene Fam­i­lien­tra­di­tio­nen aufzubauen. Let­ztes Jahr haben wir sehr bewusst den ersten Advent gefeiert. Dieses Jahr lesen wir jeden Tag eine Geschichte vor und dazu gibt es ein passendes Fen­ster­bild», beschreibt Mar­cus Hüt­tner den adventlichen Weg.Spi­tal statt Kirche Etwas Beson­deres ist der Heilige Abend in der Fam­i­lie Hüt­tner, denn let­ztes Jahr wurde die jüng­ste Tochter zur besten «Christ­met­ten­zeit» geboren. Statt den Gottes­di­enst mitzugestal­ten, fuhr Mar­cus Hüt­tner seine Frau nach Leug­gern ins Spi­tal, um das per­sön­liche Christkind in Emp­fang zu nehmen. Dieses Jahr ist auch nicht typ­isch, denn er ist Gemein­deleit­er ad inter­im und hat auf­grund der Vakanz einen Priester zur Aushil­fe. So ist es möglich, dass bei­de, Mar­cus Hüt­tner und seine Frau mit den Kindern, den Gottes­di­enst am Heili­ga­bend um 17 Uhr besuchen kön­nen. Er als Begleit­er des Kinder­gottes­di­en­stes, der Aushil­f­s­priester als Vorste­her der par­al­lel laufend­en Eucharistiefeier, und Frau Hüt­tner als Besucherin. «Meine Frau steckt mehr zurück in diesem Bere­ich. Sie ist diejenige, die wegen der Kinder auf Kirchbe­suche verzichtet», wertschätzt Mar­cus Hüt­tner die Hal­tung sein­er Frau.Kör­per­lich und intellek­tuell anstren­gend Es stellt sich die Frage, ob es jemals ein Wei­h­nacht­en gab, an dem Franz Xaver Amrein und Mar­cus Hüt­tner «genug» hat­ten von all den Ter­mi­nen und Gottes­di­en­sten. «Ich hat­te schon am Abend des 25. Dezem­ber manch­mal das Gefühl: Gut, ist es vor­bei. Das hat­te jedoch nie mit der Sache zu tun, son­dern war physis­che Erschöp­fung», erin­nert sich Franz Xaver Amrein. Mar­cus Hüt­tner sieht es ähn­lich: «Es ist eine kör­per­lich und intellek­tuell anstren­gende Zeit. Ein­er­seits been­den wir auf ein­er admin­is­tra­tiv­en Ebene das Kalen­der­jahr, ander­er­seits feiern wir den dicht­en Kirchen­jahres­be­ginn.» Grund­sät­zlich fällt es mir jedoch schw­er, meinen Beruf als Arbeit zu beze­ich­nen, denn ich habe meinen Glauben zum Beruf gemacht», legt Mar­cus Hüt­tner dar. Neben allem Rit­u­al, gutem Essen und dem Wun­sch nach wei­h­nachtlich­er Ruhe ist für bei­de Seel­sorg­er zen­tral, dass Wei­h­nacht­en ein Fest der Gemein­schaft ist. Ob der famil­iären oder der wohnge­mein­schaftlichen – alleine feiern kommt wed­er für Franz Xaver Amrein, noch für Mar­cus Hüt­tner in Frage.
Redaktion Lichtblick
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