Unterwegs mit Mozart

Unterwegs mit Mozart

«Ohne reisen ist man wohl ein arm­seliges geschöpf.» Dies schrieb der 22-jährige Wol­fang Amadeus Mozart an seinen Vater, nach­dem er bere­its acht Jahre sein­er Leben­szeit auf Reisen ver­bracht hat­te. 1763 bis 1766 war der Hochbe­gabte mit sein­er Fam­i­lie auf der soge­nan­nten «Grand Tour». Während dieser weilte er ver­mut­lich am 27. und 28. Sep­tem­ber 1766 auch in Baden. Musikalisch wird diesem Ereig­nis mit der vierten Konz­ertrei­he «Unter­wegs mit Mozart» gedacht, die vom 1. bis 4. Sep­tem­ber 2016 dauert. Ein Gespräch dazu mit der Inten­dan­tin von «Unter­wegs mit Mozart», der Solistin und Kam­mer­musik­erin Antje Maria Traub.Antje Maria Traub, seit 2012 ste­ht in Baden eine Mozart­stele. Warum? 2008 wurde ich vom dama­li­gen Vizepräsi­den­ten des Vere­ins Schweiz­er Mozartweg ange­fragt, ob ich Inter­esse hätte, mich betr­e­f­fend Reis­eroute der Fam­i­lie Mozart durch die Schweiz zu engagieren und für eine Stele in der Stadt Baden einzuset­zen. Bis zum Jahr 2016 sollte der Mozartweg durch die gesamte Schweiz aus­geschildert sein. Natür­lich dauerte es eine Weile, bis die Mozart-Stele bei der Sebas­tian­skapelle in Baden eingewei­ht wer­den kon­nte. Dank dieser Stele und meinem Inter­esse für Klavier- und Kam­mer­musik aus der Zeit der Wiener Klas­sik kon­nte ich mein Pro­jekt ein­er eige­nen Konz­ertrei­he ver­wirk­lichen.Worin grün­det ihr Inter­esse für Klavier- und Kam­mer­musik aus der Zeit der Wiener Klas­sik? Ich hat­te das Glück, während mein­er gesamten musikalis­chen Aus­bil­dung in der Schweiz als auch im Aus­land mit Pro­fes­soren zusam­men zu arbeit­en, welche mich mit Geduld und Begeis­terung in die Welt der «his­torischen» Klaviere ein­führten. Ger­ade in der Zeit zwis­chen 1770 und 1850 kam das Klavier­spiel in Mode. Die tech­nis­chen Neuerun­gen an Klavier und Ham­mer­flügel bracht­en erweit­erte Aus­drucksmöglichkeit­en und klan­gliche Verän­derun­gen in den Vorder­grund.Das heisst konkret? Es geht bei der Inter­pre­ta­tion um die inten­sive Beschäf­ti­gung mit der Frage, welche Spielart man anwen­det, um die klan­glichen Eigen­schaften beim Klavier und bei his­torischen Tas­tenin­stru­mente wie Cem­ba­lo und Ham­mer­flügel am besten aus­drück­en zu kön­nen. Denn die tech­nis­chen und klan­glichen Möglichkeit­en sind manch­mal auf­grund der dama­li­gen Bauweise oder instru­menten­spez­i­fis­chen Prob­le­men lim­i­tiert. Der vielle­icht etwas per­sön­lichere Klang von diesen his­torischen Instru­menten ist es let­z­tendlich, der mich anspricht und fasziniert.Gab es weit­ere Punk­te, die auf die Entste­hung der Konz­ertrei­he in der St. Sebas­tian­skapelle in Baden hin­wirk­ten? Ich war schon seit län­ger­er Zeit auf der Suche nach einem eige­nen Ham­mer­flügel. Zufäl­liger­weise kon­nte ich im Jahr 2011 einen Wiener Ham­mer­flügel kaufen. Der Instru­menten­bauer Karl-Heinz Hug aus Bergdi­etikon kon­nte das Instru­ment, genau nach der Kopie eines Wal­ter-Flügels von 1795, welch­er im Musikin­stru­menten­mu­se­um Wien ste­ht, nach­bauen.Dann wusste ich, dass wir in Baden mit der Sebas­tian­skapelle einen sehr schö­nen Konz­er­traum besitzen, welch­er von der Grösse und Akustik her ide­al ist, um dort Konz­erte mit Kol­le­gen ini­ti­ieren zu kön­nen. Weit­er sah ich es als eine Bere­icherung für unsere Region, weil man erst wieder in Basel oder Luzern die Möglichkeit­en hat, Konz­erte mit his­torischen Instru­menten zu hören.Nochmals zurück zum Mozartweg? Warum sollte dieser bis 2016 durch die Schweiz aus­geschildert sein? Die Schweiz feiert 2016 das 250-Jahr Jubiläum von Mozarts «Grand Tour»; die Wun­derkind- Reise dauerte nicht weniger als dreiein­halb Jahre. Die Baden­er Stele ste­ht in ein­er der 120 Gemein­den des ehe­mals befahre­nen Weges zwis­chen Genf bis Schaffhausen. Ver­mut­lich am 27. und 28. Sep­tem­ber 1766 weilte Fam­i­lie Mozart in Baden.Mozart hat je nach Quelle eine per­sön­liche Verbindung zu Baden. Einige His­torik­er und Berichte beweisen, dass Mozarts Urgross­vater väter­lich­er­seits, Chris­t­ian Sulz­er, aus Baden stammte. Er wurde 1663 in Baden geboren und wan­derte nach Augs­burg aus, heiratet 1695 und starb 1744. Dessen Tochter Anna Maria Sulz­er ver­heiratete sich in Augs­burg mit Johann Georg Mozart. Aus dieser Ehe stammte Leopold Mozart, der Vater des berühmten Wolf­gang Amadeus Mozart.Dieser Bezug Mozarts zu Baden ist nicht niet- und nagelfest. Die His­torik­er stre­it­en sich, ob es sich um Baden im Aar­gau oder ums süd­deutsche Baden-Baden han­delt. Dies ist ein Stre­it­punkt. Tat­sachen und Fak­ten sind: Wolf­gang Amadeus Mozart war 1763 bis 66 ger­ade mal zwis­chen sieben bis zehn Jahre alt. Von ihm gibt es wenig Geschriebenes vorzuweisen. Die Reisebeschrei­bun­gen machte der Vater Leopold und die Schwest­er Nan­nerl. Leopolds Reise­tage­büch­er ab Lyon sind lei­der ver­loren gegan­gen.Ich selb­st war nicht dabei und finde es unwichtig, sich darüber aufzuhal­ten. Let­ztlich wis­sen wir: Fam­i­lie Mozart reiste vor 250 Jahren durch die Schweiz; Genf, Lau­sanne, Bern, Baden sowie andere Sta­tio­nen sind gegeben. Die Reise­orte kon­nte man rekon­stru­ieren. Man weiss, dass die neue Kan­ton­sstrasse zwis­chen Bern und Aar­burg befahren wurde. Auch die Pfer­dewech­sel-Stellen sind bekan­nt.Die vierte Konz­ertrei­he «Unter­wegs mit Mozart» trägt den Zusatz «Wolf­gang Amadeus Mozart und Reise­begeg­nun­gen». Im 18. Jahrhun­dert auf Reisen zu sein, hiess nicht unbe­d­ingt, ein Ziel ans­teuern, son­dern unter­wegs sein zu sich selb­st, im Sinn von mit­te­lal­ter­lichen Aben­teuer­fahrten. Wolf­gang Mozart kon­nte pianis­tisch und musikalisch bere­its das, was üblicher­weise Kan­toren und Kapellmeis­ter kön­nen, die zwanzig Jahre älter sind. Das Phänomen Mozart ist ohne Reisen aber nicht denkbar.Die Beurlaubun­gen des Vaters Leopold funk­tion­ierten, weil er bei seinem Arbeit­ge­ber argu­men­tierte, so ein Gottes­geschenk an Begabung dürfe man der Welt nicht voren­thal­ten. Mit der Präsen­ta­tion der Wun­derkinder in Adelshäusern und Fürsten­höfen wurde das spär­liche Salär aufgebessert. Sohn und Tochter wur­den als musizierende «Curiosa» herumgere­icht, bestaunt und ent­lohnt. Vater Mozart organ­isierte alle Reisen so, dass sich immer wieder ein Bewun­der­er fand, welch­er in den näch­sten Ort voraus­fuhr, Wer­bung machte und Auftritte vor­bere­it­ete. Oder es wur­den briefliche Empfehlun­gen mit auf den Weg gegeben. So finanzierten sich die Reisen im Prinzip selb­st. In Salzburg organ­isierte der Fre­und und Kauf­mann Hage­nauer teil­weise die finanziellen Belange der Fam­i­lie Mozart.Über Ein­nah­men und Aus­gaben führte Vater Leopold eine genaue Buch­hal­tung. Auf­grund der Ein­nah­men, des Pub­likums und der vorhan­de­nen Konz­ert­möglichkeit­en sowie Präsen­ta­tio­nen entsch­ied Vater Mozart meist kurzfristig, wie lange man an einem Ort Sta­tion machte.Sie eröff­nen die Konz­ertrei­he 2016 zusam­men mit Denise Fis­ch­er, Renate Stein­mann, Bernadette Köbele mit frühe Kam­mer­musik mit Cem­ba­lo. Im zweit­en Konz­ert erklin­gen Stre­ichquar­tette, ein Duett und ein Klavierquar­tett mit Ham­mer­flügel. Im let­zten Konz­ert musizieren sie mit Ilona Koc­sis-Näf, Noë­mi Sohn Nad Sonat­en und Lieder mit Ham­mer­flügel. Welch­es Pub­likum wollen Sie mit diesem Pro­gramm ansprechen? Die Konz­ertrei­he find­et jedes Jahr mit ein­er etwas anderen The­matik statt. Inner­halb von drei Tagen hat jedes Konz­ert einen etwas anderen Schw­er­punkt und soll junge bis alte Leute ansprechen und Sinne für eine andere Art der Inter­pre­ta­tion öff­nen. Wichtig: ohne zu werten oder jeman­dem etwas Aufzu­drän­gen.Let­ztlich geht es in der Konz­ertrei­he und beim Pub­likum gar nicht alleine um die Per­son und Musik Mozarts – son­dern wirk­lich darum, dass diese Zeit­epoche des 17. und 18. Jahrhun­derts für Pianis­ten und für Lieb­haber von ver­schiede­nen Tas­tenin­stru­mente – sei es Clavi­chord, Cem­ba­lo, Ham­merklavier und Ham­mer­flügel – beson­ders viel inter­es­sante Musik ver­schieden­ster Kom­pon­is­ten her­vorge­bracht hat. Und diese haben alle auch Mozarts Stil bee­in­flusst.Die Werke Mozarts wer­den immer in einen Zusam­men­hang gestellt – und wenn man den Begriff Clavier ver­wen­det – gibt es die schöne Über­legung für jeden prak­tizieren­den Musik­er, ob man jet­zt die Orgel, ein Cem­ba­lo oder ein Ham­mer­flügel ver­wen­det und damit den Konz­ertbe­such­er, die Konz­ertbe­sucherin für eine kleine Weile lang für ein musikalis­ches Werk begeis­tern kann.www.unterwegsmitmozart.chwww.mozartweg.ch Inten­danz Antje Maria Traub trägt die Ver­ant­wor­tung und konzip­iert, in Zusam­me­nar­beit mit den ein­ge­lade­nen Musik­ern, die musikalis­chen Inhalte der Konz­ert­pro­gramme. Sie studierte Klavier, Orgel, Kirchen­musik sowie Cembalo/Hammerflügel in der Schweiz, Wien und den USA.Die East­man School of Music in Rochester, New York ist eine der ältesten und ange­se­hen­sten Musiku­ni­ver­sitäten in den USA, bekan­nt für die umfassende Aus­bil­dung auf dem Instru­ment, als auch in den wis­senschaftlichen Fäch­ern.Mit der Sib­ley Music Library besitzt die East­man School of Music die zweit­grösste Noten­bib­lio­thek der Welt, nach der Library of Con­gress in NYC. Com­posers in Res­i­dence sowie Musik­wis­senschaftler «auf Zeit» sind an der Schule angestellt.Ant­ja Maria Traub belegte Musik­wis­senschaft im Neben­fach; ins­beson­dere gilt ihre Vor­liebe und Aufmerk­samkeit den Kom­pon­is­ten des 18. Jahrhun­derts und der Wiener Klas­sik.Im Rah­men der Aus­bil­dung zum Doc­tor of Musi­cal Arts hat sie ver­schiedene Kurse in Musik­man­age­ment, Konzert/Eventplanung sowie Auf­baus­tu­di­en (Career Plan­ning, Place­ment & Man­age­ment) an der East­man School of Music besucht. 
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben