Aus freien Stücken
- Am 2. Juli firmt Weihbischof Josef Stübi rund 30 Jugendliche in der Kirche St. Michael in Ennetbaden.
- Seit Beginn der Oberstufe sind die Jugendlichen mit der Jugendseelsorgerin Cornelia Haller und ihrem Team zusammen unterwegs.
- Vier Firmandinnen und Firmanden teilen ihre Gedanken zum bevorstehenden Sakrament.
«Lieber Weihbischof Stübi, wir freuen uns, dass wir heute unser grosses Fest mit ihnen feiern dürfen», tönt es einmal laut, dann leise und manchmal mit einem Lacher durch die Kirche St. Michael in Ennetbaden. Rund dreissig Firmandinnen und Firmanden versuchen sich am Ambo, denn am 2. Juli gilt es ernst, dann findet ihre Firmung statt. An diesem Sonntag geht mit einem Input von Weihbischof Josef Stübi die lange Vorbereitungszeit zu Ende. Seit der Oberstufe sind die Jugendlichen zusammen mit der Jugendseelsorgerin Cornelia Haller und ihrem Team unterwegs. «Bei der Taufe haben eure Eltern für euch einen Vertrag mit Gott unterzeichnet. Bei der Firmung zeichnet ihr den Vertrag mit eurer Unterschrift. Ihr tut das aus freien Stücken. Niemand kann euch dazu zwingen», sagt Josef Stübi und erklärt den Jugendlichen Schritt für Schritt den Ablauf des Rituals. Der ehemalige Badener Pfarrer freut sich auf das Fest in seiner alten Heimat, wo er viele der Jugendlichen mit Namen kennt.
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Horizonte: Warum lasst ihr euch firmen?
Matheus Soares: Ich habe mich als Vorbereitung mit meiner Religion auseinandergesetzt. Religion hat auch schlechte Seiten. Wir wissen, dass die Christinnen und Christen nicht alles gut gemacht haben. Aber für mich gehört meine christliche Religion zu meinen Wurzeln, weil ich in eine brasilianische, christliche Familie geboren worden bin. Wäre ich in einer jüdischen Familie geboren, wäre ich heute Jude.
Valérie Koller: Bei der Taufe und der Erstkommunion haben meine Eltern bestimmt. Bei der Firmung darf nun ich Ja zum Glauben, zur Kirche und zur Gemeinschaft sagen.
Astrid Harmignie: Mit der Firmung will ich meine Beziehung zu Gott weiter stärken. Meine Eltern haben den Weg mit Gott mit meiner Taufe begonnen, den möchte ich nun weitergehen. Ich erhoffe mir damit einen festen Platz in der christlichen Gemeinschaft.
Alexandre Almeida: Ich wollte auf dem Weg zu Gott einen Schritt weiterkommen. Meine ganze Familie, die aus Portugal kommt, ist christlich. Für mich ist die Firmung auch ein Abschluss eines Abschnittes. Es ist, als ob ich auf eine neue Ebene der Beziehung zu Gott komme. Das ist für mich das Wichtigste.
Matheus: Auch ich möchte Gott näherkommen. Ich denke, dass das mit jedem Sakrament, das ich erhalte, geschieht. Ich hoffe auch, dass meine Beziehung zu meinen Firmpaten enger wird.
Hättet ihr euch gegen die Firmung entscheiden können?
Valérie: Meine Eltern hätten es sicher schade gefunden, aber sie hätten es respektiert.
Astrid: Bei mir zu Hause wäre das kein Problem gewesen. Meine Eltern überlassen mir die Entscheidung.
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Wen hast du als Firmpaten oder Firmpatin gewählt und warum?
Matheus: Meine Firmpaten sind ein Ehepaar, die mit meinen Eltern befreundet sind. Sie kennen sich schon lange. Sie haben in Brasilien zusammengearbeitet und arbeiten auch in der Schweiz zusammen. Wir haben eine starke Beziehung und sie sind die Richtigen, um mich auch in christlichen Fragen zu beraten.
Alexandre: Ich habe meine Mutter als meine Firmpatin ausgewählt. Wir sind uns sehr nahe, so wie ein Sohn seiner Mutter halt nahe ist. Ich habe nur wenige Familienmitglieder in der Schweiz und diese sind schon Patin oder Pate von jemandem. Ich wollte meiner Mutter eine Freude machen und ich möchte, dass sie weiss, wie es sich anfühlt, Patin zu sein.
Was ist für euch das Wichtigste, das ihr in der Firmvorbereitung gelernt habt?
Matheus: Ich habe auf dem Versöhnungsweg gelernt, dass ich zu meinen Fehlern stehen muss. Ich kann mit meinen Sünden mit Gott wieder ins Reine kommen. Aber dann muss ich auch den Mut haben, meine Fehler den betroffenen Menschen zu gestehen. Und ich muss damit klarkommen, wenn diese Menschen dann nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Diese Erkenntnis hat mir geholfen, einen Konflikt, den ich aktuell in einer Freundschaft hatte, zu verdauen.
Alexandre: Ich habe erst mit der Vorbereitung verstanden, wie viel mir die Firmung bedeutet. Ich mache die Firmung nicht einfach so, sondern weil sie mir viel bedeutet.
Matheus: Uns ist gar nicht klar gewesen, wie vielfältig Kirche ist. Kirche ist viel mehr als Gottesdienst am Sonntag. Wir haben Angebote kennengelernt wie etwa «zäme ässe» oder die Veloputzaktion. Das sind alles Aktionen der Kirche, die von Freiwilligen gemacht werden.
Valérie: Ich habe gelernt, dass alle ihren eigenen Glauben haben und dass das okay ist. Ich habe auch gelernt, wofür die Kirchensteuern eingesetzt werden. Mich hat erstaunt, dass so viel Geld in soziale Projekte fliesst.
Astrid: Ich habe die Vielfalt der Kirche kennengelernt. Früher war für mich Kirche langweiliger Gottesdient. Nun sehe ich, was die Kirche sonst noch alles macht. Ich habe mich im Rahmen der Firmvorbereitung im Projekt «zäme ässe» engagiert. Da habe ich wie eine Kellnerin Armutsbetroffenen Essen serviert. Beim Projekt «Stoffwechsel», wo Frauen ihre nicht mehr gebrauchten Kleider gegen einen Jeton tauschen können, um Neue zu erwerben, habe ich ebenfalls mitgeholfen.
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Hat sich euer Bild der Kirche dadurch verändert?
Alexandre: Kirche ist auch Gemeinschaft. Mein Bild der Kirche ist besser geworden, farbiger, spannender. Dadurch ist mir die Kirche wichtiger geworden.
Matheus: Für mich ist der Gottesdienst immer noch der wichtigste Aspekt. In die Kirche zu gehen, ist für mich und meine Familie eine wichtige Tradition. Ich finde die anderen Angebote toll und ich bin froh, dass ich da mitmachen durfte. Ich habe auch erfahren, dass es schwierig ist, Freiwillige zu finden. Ich empfinde heute mehr Wertschätzung für die Kirche.
Spürt ihr den Heiligen Geist manchmal?
Matheus: Ich selbst habe ihn noch nie gespürt. Von Verwandten habe ich gehört, dass sie ihn gespürt haben, und in unserer Familie sind Heilungen geschehen, bei denen der Heilige Geist sicher gewirkt hat. Ich stelle mir vor, dass ich den Heiligen Geist erkenne, wenn ich ihn spüre. Ich glaube, dass nach der Firmung die Wahrscheinlichkeit dafür grösser ist, weil meine Verbindung zu Gott dann tiefer ist.
Alexandre: Ich hatte einen Unfall am Arbeitsplatz, der schlimm hätte ausgehen können. Da hatte ich mehr als Glück, dass mir nichts passiert ist. Ich bin überzeugt, dass mich da der Heilige Geist gerettet hat.
Astrid: Man muss ihn nicht unbedingt spüren, um zu wissen, dass er da ist. Ihm kann ich alles anvertrauen.
Valérie: Er ist immer da. Manchmal denke ich darüber nach, in welchen Situationen mir der Heilige Geist geholfen hat. Vor Tests zünde ich eine Kerze an und bitte die Verstorbenen unserer Familie und den Heiligen Geist um Unterstützung.
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Was ist für dich persönlich Kirche?
Astrid: Kirche ist für mich ein Ort des Zusammentreffens von Menschen, die eine Beziehung zu Gott haben. Dort können sie sich austauschen und zusammen Projekte realisieren.
Valérie: Für mich ist die Kirche ein Ort der Ruhe, wo man herunterfahren kann. Da muss man nicht unbedingt beten. Soziale Projekte, Gemeinschaft, Austausch mit Menschen, mit denen man sonst nicht in Kontakt kommt, auch das ist für mich Kirche.
Astrid: Für mich ist die Kirche während des Gottesdienstes auch ein Raum zum Nachdenken.
Beschäftigt euch die Stellung der Frau in der Kirche?
Astrid: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich für die Frauen etwas ändert, ist klein, darum denke ich nicht viel darüber nach. Mich würde es aber freuen, wenn auch die Frauen Priesterinnen werden dürften.
Valérie: Jesus sagt, alle Menschen sind gleich. Warum dürfen wir dann nicht Priesterinnen werden? Im Moment kämpft die Kirche mit Austritten. Wenn sie sich offener zeigen würde, dann hätten wir vielleicht wieder mehr Menschen in der Kirche. Ich hoffe, dass sich das ändert.