«Jenseits von Gut und Böse»

«Jenseits von Gut und Böse»

«Es ver­lei­ht uns Flügel und legt uns in Fes­seln. Es ist das Mass aller Dinge und nicht der Rede wert.» Mit diesen Worten warb das Stapfer­haus in Lenzburg für seine Ausstel­lung GELD, die am Woch­enende zu Ende ging. Den ulti­ma­tiv­en Schlusspunkt set­zt die «Lenzburg­er Rede» von mor­gen Abend, 28. Juni, in der Heiliggeistkirche in Bern. Die Ausstel­lung «GELD. Jen­seits von Gut und Böse» lud in den let­zten gut zwei Jahren zu ein­er Debat­te ein, die seit der Antike für heisse Köpfe sorgt: Was ist uns das Geld wert und welchen Preis bezahlen wir dafür? Ist es gerecht verteilt? Wie viel brauchen wir davon, um glück­lich zu sein? Ist es das Geld, das die Welt im Inner­sten zusam­men­hält? Die Besucherin­nen und Besuch­er wan­del­ten durch den Him­mel auf Erden, schwammen im Geld und gaben ihr per­sön­lich­es Cre­do ab. Am 25. Juni schloss das Stapfer­haus die Ausstel­lung GELD, den defin­i­tiv­en Schlusspunkt set­zt die «Lenzburg­er Rede» von mor­gen Abend, 28. Juni, in der Heiliggeistkirche in Bern.

Männer bezahlten mehr

Eine der Beson­der­heit­en der Ausstel­lung GELD war der frei wählbare Ein­trittspreis. Die Dat­en dazu wur­den jüngst von der Stapfer­hauscrew aus­gew­ertet und bracht­en Erstaunlich­es zu Tage. Eines vor­weg: Das finanzielle Fiasko blieb aus. Der durch­schnit­tliche Ein­trittspreis bei den Erwach­se­nen lag bei 16 Franken und somit weit höher als der Min­dest­preis von sechs Franken, aber auch etwas tiefer als der Ein­trittspreis von 19 Franken für frühere Stapfer­haus-Ausstel­lun­gen. Inter­es­sant war der Blick auf die Geschlechter. Während ins­ge­samt mehr Frauen die Ausstel­lung besucht­en, grif­f­en Män­ner an der Kasse etwas tiefer ins Porte­mon­naie und bezahlten durch­schnit­tlich 57 Rap­pen mehr. Span­nend war der Blick auf die Zahlungs­bere­itschaft der Besucherin­nen und Besuch­er aus den besuch­er­stärk­sten Kan­to­nen Aar­gau und Zürich. Während Aar­gauerin­nen und Aar­gauer am wenig­sten für den Ausstel­lung­sein­tritt bezahlten, führen die Zürcherin­nen und Zürich­er die Sta­tis­tik an und gaben unter dem Strich rund 1.60 Franken mehr für die Ausstel­lung aus als ihre Kan­ton­snach­barn, die aber im Gegen­zug das Stapfer­haus über ihre Steuern bess­er unter­stützen. Wie ein­er Medi­en­mit­teilung zu ent­nehmen war, zeigten sich auch die Gäste aus den Kan­to­nen Solothurn und Luzern sowie den übri­gen Kan­to­nen der Zen­tralschweiz grosszügig: Sie bezahlten fast 80 Rap­pen mehr als der Durch­schnitt.

Kirche und Kohle

«Die fromme Szenogra­phie bewirkt, dass sich die Ausstel­lungs­be­such­er als Gläu­bige ertap­pen», kom­men­tierte die Zeitschrift «Hoch­parterre» die Ausstel­lung GELD. Das hat gewiss auch die Aar­gauer Lan­deskirchen gefreut, die seit Jahren die Stapfer­haus-Pro­jek­te finanziell unter­stützen. Und tat­säch­lich fand sich ins­beson­dere in der Wort­wahl eine frap­pante Ähn­lichkeit zwis­chen «Kirche und Kohle». Da war die «Him­mel­streppe», welche die Ausstel­lungs­be­suchen­den hin­auf in den Dach­stock des Zeughaus­es ins soge­nan­nte «Jen­seits» führte. Da waren die «Propheten», die ein Stre­it zwis­chen grossen Denkern über Gott, Geiz und Gier zeigten. Da war die Sta­tion «Beken­nt­nis», bei der die Besucherin­nen und Besuch­er zu ihrem per­sön­lichen Umgang mit Geld befragt wur­den: Wie viel ist genug? Was macht glück­lich? Hat alles seinen Preis? Christoph Weber-Berg, Kirchen­rat­spräsi­dent der Reformierten Lan­deskirche Aar­gau, meinte in der Zeitung «reformiert.»: «Ich betra­chte diese Ausstel­lung als sehr wertvoll. Sie motiviert Men­schen dazu, ihr Ver­hält­nis zum Geld zu über­denken. Dass das Geldsys­tem mit seinen Rit­ualen, seinem Glauben – Kred­it kommt vom lateinis­chen «credere», glauben – qua­sire­ligiöse Dimen­sio­nen hat, ist vie­len Leuten nicht bewusst.»

Lenzburger Rede

Diese «qua­sire­ligiöse Dimen­sion» des Geldsys­tems prägt auch den Schlusspunkt der jüng­sten Stapfer­haus-Ausstel­lung: Die «Lenzburg­er Rede» von mor­gen Dien­stagabend, 28. Juni 2016, 19.30 Uhr (Abend­kasse ab 18.30 Uhr), die von Tomáš Sedláček in der Heiliggeistkirche an Spi­tal­gasse 44, gle­ich beim Haupt­bahn­hof in Bern gehal­ten wird. Die Ausstel­lungs-Macherin­nen und Mach­er erk­lären: «Die Kanzel der barock­en Kirche ist der passende Ort für Tomáš Sedláčeks Rede mit dem Titel ‚Geld. Jen­seits von Gut und Böse?’ Denn Geld als uni­verseller Wert­massstab, die Vergöt­terung des Mark­tes, der Glaube an end­los­es Wach­s­tum: Die Ökonomie ist die dominierende Reli­gion unser­er Zeit.»

Wort und Klang zum Geld

Davon ist der Wirtschafts­ber­ater und Best­seller-Autor Tomáš Sedláček überzeugt. Er ist ein Quer­denker sein­er Zun­ft und gilt als Philosoph unter den Ökonomen. In sein­er «Lenzburg­er Rede» wird Tomáš Sedláček die Ökonomie zurück an ihren kul­turellen Ursprung, zurück zur Moral­philoso­phie führen. Er enthüllt die Glaubenssätze hin­ter den ökonomis­chen Mod­ellen und zeigt, warum es let­ztlich auch in der Wirtschaft um Werte geht – um Fra­gen von Gut und Böse.Der 39-jährige Tomáš Sedláček lehrt er an der Prager Karls-Uni­ver­sität Ökonomie und ihre Geschichte sowie ihre Philoso­phie und Ethik. Er ist Chefökonom der grössten tschechis­chen Bank ČSOB und war während der Amt­szeit des tschechis­chen Präsi­den­ten Václav Hav­el als dessen Berater tätig. Für seinen inter­na­tionalen Best­seller «Die Ökonomie von Gut und Böse» hat Tomáš Sedláček 2012 den Deutschen Wirtschafts­buch­preis erhal­ten. Darin zeigt er, dass die Ökonomie eine Glaubenssache ist und nicht auf Naturge­set­zen basiert. Auch in seinem jüng­sten Buch «Lilith und die Dämo­nen des Kap­i­tals», gemein­sam ver­fasst mit Oliv­er Tanz­er, kri­tisiert Tomáš Sedláček unser Wirtschaftssys­tem, ohne es zu ver­teufeln.Seine «Lenzburg­er Rede» wird musikalisch mit­gestal­tet von Andreas Jud. Er ist Haup­tor­gan­ist der Stadtkirche Lenzburg, Preisträger inter­na­tionaler Wet­tbe­werbe in Mon­tréal und Nürn­berg sowie Stipen­di­at im Förder­pro­gramm für junge Musizierende der Noten­stein La Roche Pri­vat­bank. In der Heiliggeistkirche in Bern wird er Werke rund ums The­ma Geld inter­pretieren. «Wir sparen es eis­ern und wer­fen es aus dem Fen­ster, wir vergöt­tern und ver­fluchen es: Aus Geld kann alles wer­den. Wir haben es in der Hand.»  www.stapferhaus.ch  
Redaktion Lichtblick
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