
Das Problem liegt unter der Haut
- Wie hänÂgen MännlichkeitsÂbilder, SexÂuÂalÂität und SpirÂiÂtuÂalÂität zusamÂmen?
- Und was hat das mit MissÂbrauch zu tun?
- Die Tagung in der Zürcher Paulus Akademie geht den TheÂmenÂfeldern aus verÂschiedeÂnen PerÂspekÂtivÂen auf den Grund.
Zehn Tage nach der VeröfÂfentlichung der PilotÂstudie zum sexÂuellen MissÂbrauch hat sich die FachÂgruppe «MänÂnerÂarÂbeit im kirchÂlichen KonÂtext» mit einem ComÂmuÂniqué zu Wort gemeldet. Ihr MitÂgeÂfühl und ihre SolÂiÂdarÂität galt in erster LinÂie den BetrofÂfeÂnen, aber gleÂichzeitÂig warnÂten sie davor, das EntsetÂzen allein auf die Täter zu konzenÂtriÂeren. Denn Täter und TatÂen seien untrennbar mit dem abgeschotÂteten patriÂarÂchalen SysÂtem der Kirche verÂbunÂden, das für den MissÂbrauch den NährboÂden bereÂitÂstelle. Daniel Ammann und Christoph Walser zeichÂneten das ComÂmuÂniqué als Co-LeitÂer der FachÂgruppe. Sie setÂzen sich seit den 1990er-Jahren mit dem patriÂarÂchalen SysÂtem und dessen femÂiÂnisÂtisÂchÂer KriÂtik auseinanÂder und findÂen Antworten und Ansätze aus männlichÂer Sicht. Die Stimme von MänÂnern, die sich für die Kirche interÂessieren, fehle im Diskurs zum sexÂuellen MissÂbrauch. Zu hören seien fast aussÂchliesslich StimÂmen von KlerikÂern, kriÂtisierten Daniel Amman und Christoph Walser. MänÂner, die ihre SexÂuÂalÂität nicht lebten, sollÂten nicht über MenÂschen besÂtimÂmen, die dies tun. Als reformiertÂer PfarÂrer und katholisÂchÂer SeelÂsorgÂer leisÂten die beiÂden kirchÂliche MänÂnerÂarÂbeit an der Basis und verÂnetÂzen und beratÂen FachÂleute in der kirchÂlichen Männer‑, Väter- und JugenÂdarÂbeit.
über Männlichkeit sprechen
Informationen und Anmeldung
Die Tagung «Gottes Liebe ist bunt» wird getraÂgen von der FachÂstelle BilÂdung und PropÂstei der Römisch-KatholisÂchen LanÂdeskirche, der Paulus-Akademie Zürich und von Männer.ch, dem DachverÂband SchweizÂer MänÂner- und VäterorÂganÂiÂsaÂtioÂnen. RefÂerÂentinÂnen und RefÂerÂenten sind: Pierre Stutz, katholisÂchÂer TheÂologe und spirÂitueller Lehrer, Dozent und Autor. Stephan LopÂpachÂer, PrävenÂtionsÂbeaufÂtragter des BisÂtums Chur. Elke Pahud de MorÂtanges, ProÂfesÂsorin für DogÂmatik und Dozentin rund um GenÂder und QueerÂness. Christoph Walser, TheÂologe und reformiertÂer PfarÂrer, FachÂmann für MänÂnerÂbilÂdung und ‑beratung.
Hier könÂnen Sie sich zur Tagung anmelden. AnmeldeÂschluss ist der 18. FebÂruÂar.
Fünf Monate später findÂet nun eine Tagung zu SexÂuÂalÂität und SpirÂiÂtuÂalÂität in der Zürcher Paulus Akademie statt. Wo SexÂuÂalÂität und SpirÂiÂtuÂalÂität zusamÂmenkomÂmen, sehen die OrganÂisatoren den fruchtÂbaren Boden für eine konÂstrukÂtive PrävenÂtion gegen MissÂbrauch. Denn mit RichtlinÂien, MassÂnahÂmen und SankÂtioÂnen, wie sie in den Schutzkonzepten der Bistümer forÂmuliert sind, sei es nicht getan. «Das ProbÂlem liegt unter der Haut, in den KörÂpern der MenÂschen», sagt Christoph Walser im Gespräch. Die Bilder von Männlichkeit und die religiösen PräÂgunÂgen haben die MenÂschen verinÂnerÂlicht. Er kriÂtisiert, dass das TheÂma MissÂbrauch nicht in ZusamÂmenÂhang mit MännlichkeitsÂbildern diskuÂtiert wird. Die VorstelÂlung, was männlich sei, unterÂliege gesellschaftlichen NorÂmen. Die Bilder von Männlichkeit und männlichÂer SexÂuÂalÂität gelte es zu dechiffrieren und alterÂnaÂtive ErzähÂlunÂgen darüber zu diskuÂtieren, sagt Christoph Walser.
Lust als Lebenskraft
Ideen zu einÂer neuen PerÂspekÂtive auf die männliche SexÂuÂalÂität haben Daniel Ammann und Christoph Walser schon lange. 2013 haben sie am MänÂnertag in HertenÂstein (LU) ein «Sex ManÂiÂfest» verÂabÂschiedet. Das beginÂnt damit, dass es den Mann als ein sexÂuelles Wesen ernst nimmt. Lust wird darin als LebenÂskraft verÂstanden und sexÂuelle ErfülÂlung als Geschenk. Die sexÂuelle BilÂdung als lebenslanger Prozess, dem der Einzelne und die Gesellschaft verpflichtet sind. Das ManÂiÂfest endet damit, dass sich die VerÂfassÂer verpflichtÂen, über SexÂuÂalÂität zu sprechen, damit so realÂisÂtisÂche Bilder männlichÂer SexÂuÂalÂität sichtÂbar werÂden. Dieses VerÂsprechen einÂgelöst hat Pierre Stutz in seinen BuchÂpubÂlikaÂtioÂnen. In seinem jüngÂsten Buch «Wie ich der wurde, den ich mag» erzählt er, wie er sein PriesterÂamt 2002 niedergelegt hat und heute mit einem Mann verÂheiratet ist. An der Tagung in der Paulus Akademie wird sein VorÂtrag «Ich steÂhe nicht mehr zur VerÂfüÂgung für eine Kirche der Angst» der biographisÂche Zugang zum TheÂma sein.
Spirituelle Spitzensportler
MänÂner, die sich entschliessen, Priester zu werÂden, fällen ihren Entscheid in einÂer Phase ihres Lebens, in der sie am Anfang ihrer sexÂuellen EntwickÂlung steckÂen, sagt Christoph Walser. SexÂolÂoÂgisch sei klar, dass die UnterÂbrechung dieses ProzessÂes negÂaÂtive FolÂgen habe. «Priester gelÂten als die spirÂituellen SpitzenÂsportler.» An ihnen sollen sich alle MänÂner oriÂenÂtieren. «Je weniger sexÂuell, umso spirÂitueller» sei das MotÂto der priesterÂlichen SozialÂiÂsaÂtion. Christoph Walser hat in seinen SemÂiÂnaren erfahren, wie viele MänÂner – nicht nur Priester – dieses Bild von Männlichkeit in sich traÂgen und daran leiÂden.
Elke Pahud de MorÂtanges ist DogÂmatikÂerin und befasst sich in ihrer Forschung mit GenÂder-AspekÂten. Sie wird an der Tagung über «KörÂperÂlichkeit, SexÂuÂalÂität und SexÂualÂmoral der KatholisÂchen Kirche» sprechen. Stephan LopÂpachÂer, PrävenÂtionsÂbeaufÂtragter des BisÂtums Chur und KirchenÂrechtler, wird in seinem Beitrag über die HerÂausÂforderunÂgen in der PrävenÂtion sprechen. «Die SexÂuÂalÂität ist unter Druck», sagt Christoph Walser, «nicht nur durch die religiöse DimenÂsion.» Seit der AufkÂlärung mit ihrer konÂtrolÂlierenÂden VerÂnunÂft und dem KapÂiÂtalÂisÂmus, der den Sex zum KonÂsumgut mache, sei es umso wichtiger, die spirÂituelle DimenÂsion der SexÂuÂalÂität wiederzufindÂen.


