Buchstabensuppe mit einer Prise Dankbarkeit

Buchstabensuppe mit einer Prise Dankbarkeit

  • Beim Pro­jekt «Zäme ässe schmöckt bess­er» in Brem­garten kochen Frei­willige für Gäste.
  • Unter ihnen sind Valerii, Liubov und Alla, die ver­gan­ge­nes Jahr aus der Ukraine geflüchtet sind.
  • Aus Dankbarkeit haben auch sie für die Mit­tags­ge­mein­schaft gekocht.

«Zäme ässe schmöckt bess­er» ste­ht auf der Tafel, die in Rich­tung Schul­haus Prom­e­nade zeigt. Da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt. Denn wer gerne in Gemein­schaft essen möchte, ist an der Garten­strasse 1 in Brem­garten im Haus der evan­ge­lis­chen Gemeinde goldrichtig. Um 11.30 Uhr sind die Tis­che im Saal gedeckt, in der Küche ste­ht das Essen parat. Zur Vor­speise gibt‘s Buch­staben­suppe, Nüsslisalat mit Käse, Pilzen, Zwiebeln und Speck als Haupt­gang und Mar­roni-Beerenkuchen zum Dessert.

Auch fürs kleine Portemonnaie

Die Idee für den Mit­tagstisch, der am ersten und drit­ten Don­ner­stag im Monat stat­tfind­et, hat Pas­toral­raum­leit­er, Andreas Boss­mey­er von Baden mit­ge­bracht. Sie ist ganz ein­fach: Frei­willige Gast­ge­berin­nen und Gast­ge­ber laden zum Mit­tagessen ein. Vom Einkauf, über den Ser­vice bis zum Tis­chep­utzen, erledi­gen sie alle Arbeit­en, die anfall­en. Die Gäste lassen sich der­weil ver­wöh­nen oder helfen mit, wies grad passt. Auswärts essen auch für Men­schen mit kleinem Porte­mon­naie – Essen in bunt zusam­mengewür­fel­ter Gesellschaft, ist das Pro­gramm. Wer kann, zahlt zehn Franken oder so viel, wie es ger­ade geht.

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Unter­dessen sind die rund vierzig Gäste eingetrof­fen. Der lei­t­ende Priester, Uche Iheke, begrüsst die Anwe­senden und wün­scht allen einen guten Appetit. Alle Gen­er­a­tio­nen sind vertreten, ver­schiede­nen Sprachen zu hören. Seit Beginn des Pro­jek­ts vor einem Jahr haben Andreas Boss­mey­er und sein Team auf genü­gend Frei­willige zählen kön­nen. Anfänglich haben zwei aus­ge­bildete Köche mit­gear­beit­et. Es sei nicht ein­fach, Frei­willige zu find­en, die sich zutrauen, für 40 bis 60 Gäste zu kochen. «Es braucht Mut, die Leitung in der Küche zu übernehmen», sagt Karen Hug. Sie ist Stan­dortlei­t­erin des von Car­i­tas Aar­gau geführten Kirch­lichen Regionalen Sozial­dien­stes (KRSD) Mutschellen-Reusstal und seit Beginn in der Organ­i­sa­tion­s­gruppe von «Zäme ässe schmöckt bess­er» mit dabei.

Ter­mine und Anmel­dung

«Zäme ässe schmöckt bess­er» ist eine nieder­schwellige, unkom­plizierte Begeg­nungsmöglichkeit für alle, jeden ersten und drit­ten Don­ner­stag im Monat. Näch­ste Ter­mine: ​1. Feb­ru­ar, 15. Feb­ru­ar, 7. März, 21. März, 4. April, 18. April, 2. Mai, 16. Mai, 6. Juni.​Anmeldungen sind erwün­scht, jew­eils bis Dien­stagabend, bei Cäcil­ia Stutz, 079 752 90 29, . Bitte mit Angabe, ob Fleisch oder Vegi.

Dankbare Gäste

Umso erfreulich­er, dass sich Valerii, Liubov und Alla bere­it erk­lärt haben, in naher Zukun­ft wieder zu kochen. Valerii ist im Feb­ru­ar ver­gan­genen Jahres mit sein­er Frau Liubov und sein­er Schwest­er Alla und zwei Enkeln von der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Sie leben nun in ein­er Woh­nung in Zufikon und besuchen zweimal in der Woche das Sprach-Café von Car­i­tas in Wohlen. Dort haben sie vom Mit­tagstisch in Brem­garten erfahren. «Wir woll­ten uns bedanken bei den Men­schen in der Schweiz für das, was sie für uns tun», sagt Alla. Darum haben sie schon zweimal für «Zäme ässe» gekocht. Valerii hat die Gele­gen­heit genutzt und vor dem Essen eine kleine Dankesrede an die Schweiz gehal­ten. Alla hat die spon­tane Rede ihres Brud­ers über­set­zt. Für das feine Essen und die war­men Worte habe es Applaus gegeben, sagt Karen Hug. Das Kochen habe ihnen die Möglichkeit gegeben mitzu­machen, auch wenn sie sich sprach­lich noch nicht so gut aus­drück­en kön­nten. Aus diesem Grund hat die sozial Arbei­t­ende ein Stel­lenin­ser­at für eine Köchin oder einen Koch auf der Job­börse der Frei­willigenor­gan­i­sa­tion benevol speziell für Men­schen mit gerin­gen Sprachken­nt­nis­sen aus­geschrieben.

Ein Grund, dabei zu sein

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Patrick sitzt neben sein­er Gross­mut­ter. Er ist zwölf Jahre alt und beim Mit­tagstisch dabei, weil seine Mut­ter heute in der Küche hil­ft. Er komme regelmäs­sig her, wenn seine Mut­ter helfe, son­st wäre er ja allein zu Hause. Heikel sei er nicht, esse eigentlich alles. Auss­er vielle­icht Bohnen. Patrick gefällt das «Zäme ässe schmöckt bess­er». Auf die Frage, was er verän­dern würde, fällt ihm gar nichts ein. Rolf Ziegler ist seit einem Jahr das erste Mal wieder am Mit­tagstisch dabei. Er komme immer dann, wenn seine Frau am Don­ner­stag auss­er Haus ist. Der Pen­sionär hat sie sich zum Vor­bild genom­men. Seine Frau engagiere sich in mehreren Frei­willi­gen­pro­jek­ten, das habe ihn motiviert, beim Digi-Tre­ff von Car­i­tas Aar­gau mitzu­machen. Kür­zlich hat er ein­er Frau mit ihrem Lap­top geholfen. «Da ging nichts mehr, den musste ich kom­plett zurück­set­zen», erzählt Rolf Ziegler. Die Frau habe den Com­put­er drin­gend gebraucht, um sich auf Stellen zu bewer­ben, da sie ger­ade ohne Arbeit war. Neulich sei er ihr auf der Strasse begeg­net und sie habe ihm freud­e­strahlend von ihrer neuen Arbeit berichtet.

Alle sind willkommen

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Jet­zt serviert Stefi­ca Gajic den Kuchen. Die 75-Jährige hat vom Mit­tagstisch in der Lokalzeitung erfahren und sich sofort gemeldet. Ihr gefällt, dass «Zäme ässe» für alle Men­schen offen ist. «Ich habe keine Ahnung, ob ich den Teller ein­er Uni­ver­sität­spro­fes­sorin oder einem Gärt­ner hin­stelle», sagt die ehe­ma­lige Bankangestellte. Es komme auch nicht darauf an, ob und welch­er Kirche jemand ange­höre. Alle seien willkom­men. Sie sei hier schon vie­len inter­es­san­ten Men­schen begeg­net, denen sie manch­mal auf der Strasse wieder begeg­ne und mit ihnen einen Schwatz halte. Ausser­dem seien sie ein super Frei­willi­gen­team, alle dürften mitentschei­den, kein Chef rede rein. Die neuen Frei­willi­gen wür­den fre­undlich aufgenom­men und gut eingear­beit­et. Gegen 14 Uhr löst sich die tem­poräre Tis­chge­mein­schaft auf. Der Abwasch ist schon fast gemacht und die Tis­che wer­den wieder ver­sorgt. Priester Uche Iheke macht den Kassen­sturz und ist zufrieden. Das gemein­same Essen liege ihm am Herzen, denn das Seel­sor­geteam wolle Gott zu den Men­schen brin­gen. «Gottes­di­enst ist nicht nur in der Kirche. Gott ist mit­ten unter den Men­schen, auch hier, wenn wir zusam­men essen.»

Eva Meienberg
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