In den verÂganÂgeÂnen farÂbig-milÂden OktoÂberÂtaÂgen wurÂden die letzÂten TrauÂben geleÂsen. Die ErnÂte ist einÂgeÂbracht und hat nach dem turÂbuÂlenÂten WeinÂjahr Zeit zu reiÂfen. Auch in den AarÂgauÂer WeinÂkelÂlern entÂwickeln sich exzelÂlenÂte TropÂfen und einiÂge der lokaÂlen WeiÂne schafÂfen es vom KelÂler in den Kelch. Doch das ist gegen die Regeln. Die AarÂgauÂer WinÂzer wolÂlen das nun ändern.Die offiÂziÂelÂle RegeÂlung klingt einÂfach: Die «AllÂgeÂmeiÂne EinÂfühÂrung in das RömiÂsche MessÂbuch» hält unter ZifÂfer 284 fest: «Der Wein für die EuchaÂriÂstieÂfeiÂer muss ‚vom Gewächs des WeinÂstocks’ (vgl. Lk 22,18) stamÂmen und naturÂrein, das heisst ohne BeiÂmiÂschung von FremdÂstofÂfen, sein.» Dazu schreibt Josef-Anton WilÂla auf der WebÂseiÂte des LitÂurÂgiÂschen InstiÂtuts der deutschÂspraÂchiÂgen Schweiz liturgie.ch: «Alle WeiÂne, ob rot oder weiss, die dieÂse GrundÂsätÂze erfülÂlen, könÂnen für die EuchaÂriÂstie verÂwenÂdet werÂden. Da die QuaÂliÂtätsÂanÂforÂdeÂrunÂgen an WeiÂne heuÂte hoch sind, dürfÂte wohl jeder QuaÂliÂtätsÂwein dieÂse KriÂteÂriÂen erfülÂlen.»
Drei ProÂduÂzenÂten in der Schweiz
DenÂnoch kann die SakriÂstanin nicht einÂfach zum lokaÂlen WinÂzer gehen und einen Harass MessÂwein besorÂgen. Denn für die ZulasÂsung eines Weins als MessÂwein ist der Bischof zustänÂdig. Er stellt einem WeinÂbauÂbeÂtrieb die entÂspreÂchenÂde UrkunÂde aus. In der ganÂzen Schweiz besitÂzen ledigÂlich drei ProÂduÂzenÂten dieÂse bischöfÂliÂche UrkunÂde und stelÂlen somit offiÂziÂelÂlen MessÂwein her: Die KelÂleÂrei im KloÂster EinÂsieÂdeln, ein ProÂduÂzent im WalÂlis und – als einÂziÂger im BisÂtum Basel – WeinÂbau und KelÂleÂrei LamÂpert im thurÂgauiÂschen SteckÂborn.
AarÂgauÂer Wein in AarÂgauÂer KelÂchen?
Eine nicht repräÂsenÂtaÂtiÂve aber denÂnoch aufÂschlussÂreiÂche UmfraÂge bei PfarrÂämÂtern im KanÂton zeigt: Etwa die HälfÂte der angeÂfragÂten PfarÂreiÂen verÂwenÂdet einen offiÂziÂell approÂbierÂten MessÂwein, die meiÂsten davon den spaÂniÂschen SüssÂwein San Pedro, der für cirÂca sechs FranÂken beim GetränÂkeÂhändÂler erhältÂlich ist. Die andeÂre HälfÂte der PfarÂreiÂen erklärt, sie brauÂche für die EuchaÂriÂstie einen WeissÂwein aus lokaÂler ProÂdukÂtiÂon.So zum BeiÂspiel AndreÂas WieÂland, GemeinÂdeÂleiÂter der PfarÂreiÂen HerzÂnach, HorÂnusÂsen und ZeiÂhen im SeelÂsorÂgeÂverÂband HomÂberg: «Wir verÂwenÂden ganz norÂmaÂlen WeissÂwein aus unseÂrer RegiÂon. Ich kenÂne die RegeÂlung, aber es wäre Unsinn, Wein ausÂwärts zu beschafÂfen, da wir von RebÂberÂgen umgeÂben sind.»
ViertÂgrössÂter RebÂbauÂkanÂton der Deutschschweiz
Laut dem BranÂchenÂverÂband AarÂgauÂer Wein ist der AarÂgau mit 400 Hektaren RebÂfläÂche der viertÂgrössÂte DeutschÂschweiÂzer RebÂbauÂkanÂton. BewirtÂschafÂtet werÂden die ParÂzelÂlen von rund 800 WinÂzeÂrinÂnen und WinÂzern. Elf WeinÂbauÂgeÂnosÂsenÂschafÂten und 60 SelbstÂkelÂteÂrungsÂbeÂtrieÂbe sowie 19 RebÂverÂeiÂne und RebÂbauÂgeÂnosÂsenÂschafÂten zählt der kanÂtoÂnaÂle BranÂchenÂverÂband. AngeÂsichts dieÂser ZahÂlen liegt für vieÂle PfarÂreiÂen der GedanÂke nahe, den Wein aus dem Dorf für die MesÂse zu verÂwenÂden. Und nicht weniÂge tun dies auch ohne grosÂse GewisÂsensÂbisÂse. Doch das BisÂtum hält fest: «HerÂstelÂler von MessÂwein erhalÂten vom jeweiÂliÂgen Bischof eine ErlaubÂnis. Falls eine PfarÂrei den Wein aus ihrem eigeÂnen RebÂberg als MessÂwein verÂwenÂden will, muss der regioÂnaÂle WinÂzer vom Bischof die ErlaubÂnis erhalÂten, MessÂwein zu proÂduÂzieÂren.» So kommt es, dass vieÂlerÂorts ein zerÂtiÂfiÂzierÂter MessÂwein aus SpaÂniÂen anstelÂle des Weins aus dem benachÂbarÂten RebÂberg auf den Altar kommt.
Regeln lockern oder anpassen
MarÂkus Ries, ProÂfesÂsor für KirÂchenÂgeÂschichÂte an der UniÂverÂsiÂtät Luzern, berichÂtet, dass bis zum zweiÂten VatiÂkaÂniÂschen KonÂzil anfangs der 1960er-JahÂre die VorÂschrifÂten in Bezug auf den MessÂwein sehr genau einÂgeÂhalÂten wurÂden. «Dies ist wahrÂscheinÂlich heuÂte nicht mehr überÂall der Fall.», verÂmuÂtet er. Doch zeiÂge sich am BeiÂspiel des MessÂweins, dass kirchÂliÂche Regeln, die früÂher ihre BerechÂtiÂgung hatÂten, heuÂte getrost gelockert werÂden könnÂten: «Die RegeÂlung dienÂte der QuaÂliÂtätsÂsiÂcheÂrung, der Wein durfÂte nicht gepanscht oder gezuckert sein. HeuÂte ist die QuaÂliÂtät des Weins eher gesiÂchert», sagt der KirÂchenÂhiÂstoÂriÂker. Man könnÂte die Regel an die heuÂtiÂge Zeit anpasÂsen, finÂdet er: «HeuÂte würÂde man wohl besÂser den Aspekt der kurÂzen Wege in den VorÂderÂgrund stelÂlen. Das bedeuÂtet, dass es sinnÂvolÂler sein kann, den Wein beim WinÂzer im Dorf zu bezieÂhen, als zerÂtiÂfiÂzierÂten MessÂwein aus SpaÂniÂen zu imporÂtieÂren.»
KeiÂne Kontrollen
Das BisÂtum Basel verÂneint die FraÂge, ob konÂtrolÂliert werÂde, dass PfarÂreiÂen approÂbierÂten MessÂwein verÂwenÂdeÂten: «Jeder PrieÂster weiss um die entÂspreÂchenÂden VorÂschrifÂten.» Und AndreÂas WieÂland, GemeinÂdeÂleiÂter im SeelÂsorÂgeÂverÂband HomÂberg, erwähnt, dass der Bischof beim FeiÂern eines GotÂtesÂdienÂstes in seiÂner PfarÂrei den Wein aus dem lokaÂlen RebÂberg ohne AufÂheÂbens getrunÂken habe. DieÂse pragÂmaÂtiÂsche HalÂtung stösst auf VerÂständÂnis und finÂdet Anklang: «Bischof Felix in SoloÂthurn hat wahrÂscheinÂlich andeÂre SorÂgen, als sich darÂum zu kümÂmern, welÂcher Wein in den AarÂgauÂer KirÂchen getrunÂken wird», sagt eine SakriÂstanin.
In DeutschÂland bereits abgeschafft
In DeutschÂland hat der StänÂdiÂge Rat der DeutÂschen BischofsÂkonÂfeÂrenz die RegeÂlung bereits 2014 abgeÂschafft. In der neuÂen MessÂwÂeinÂordÂnung hält der Rat fest, dass die staatÂliÂche RechtÂspreÂchung die ReinÂheit des WeiÂnes ordÂnet und die BeiÂmiÂschung von FremdÂstofÂfen weiÂtestÂgeÂhend unterÂsagt. ZugeÂlasÂsen für die FeiÂer der EuchaÂriÂstie sind jetzt WeiÂne, die «minÂdeÂstens den AnforÂdeÂrunÂgen eines QuaÂliÂtätsÂweiÂnes (nach deutÂschem WeinÂrecht)» genüÂgen. TafelÂwein ist als MessÂwein wegen seiÂner VerÂwäsÂseÂrung nicht zugeÂlasÂsen. Die ApproÂbaÂtiÂon einÂzelÂner MessÂweinÂlieÂfeÂranÂten entÂfällt.
Was bedeuÂtet «naturÂbeÂlasÂsen»?
OffiÂziÂell zerÂtiÂfiÂzierÂten MessÂwein proÂduÂziert die KelÂleÂrei des KloÂsters EinÂsieÂdeln. Auf die FraÂge, welÂche KriÂteÂriÂen der MessÂwein mit dem Namen «MisÂsa» erfülÂle, heisst es: «UnseÂre Regel lauÂtet ‚naturÂbeÂlasÂseÂner Wein’, wir geben nichts zu und nehÂmen nichts weg.» DieÂse ForÂdeÂrung erfüllÂten vieÂle hanÂdelsÂübÂliÂche WeiÂne nicht, denn es gebe diverÂse MitÂtelÂchen auf dem Markt, um Wein zu «verÂschöÂnern». BeiÂspielsÂweiÂse könÂne KupÂfer oder Zucker beiÂgefügt oder auch GerbÂstofÂfe entÂfernt werÂden. Dies widerÂspreÂche der offiÂziÂelÂlen DefiÂniÂtiÂon, nach der MessÂwein «naturÂrein und ohne BeiÂmiÂschung von FremdÂstofÂfen» sein müsÂse.
BranÂchenÂverÂband AarÂgauÂer Wein plant AnfraÂge an Bischof
Roland Michel, PräÂsiÂdent des BranÂchenÂverÂbands AarÂgauÂer Wein, bestäÂtigt, dass es diverÂse FremdÂstofÂfe gibt, die einem Wein zugeÂfügt werÂden könÂnen. In Bezug auf die AarÂgauÂer WeiÂne sagt er: «Ich wäre zurückÂhalÂtend zu behaupÂten, jeder AarÂgauÂer Wein erfülÂle das KriÂteÂriÂum «naturÂbeÂlasÂsen». Aber je nachÂdem, wie streng der Begriff ausÂgeÂlegt wird, gibt es sicher WeiÂne, welÂche dieÂse AnforÂdeÂrung erfülÂlen.» Dem VerÂsuch, einen Wein aus AarÂgauÂer ProÂdukÂtiÂon als MessÂwein zerÂtiÂfiÂzieÂren zu lasÂsen, stünÂde also nichts im Weg. Nun will der BranÂchenÂverÂband dieÂsen VerÂsuch wagen: «Wir werÂden uns beim GeneÂralÂviÂkaÂriÂat nach den genauÂen KriÂteÂriÂen für die ZerÂtiÂfiÂzieÂrung erkunÂdiÂgen. SollÂten es ganz strenÂge KriÂteÂriÂen sein, müsÂsen wir schauÂen, welÂcher WinÂzer die BedinÂgunÂgen erfüllt. AnsonÂsten geht die AnfraÂge, wer sich vorÂstelÂlen könnÂte, einen AarÂgauÂer MessÂwein zu proÂduÂzieÂren, an alle unseÂre MitÂglieÂder», stellt Roland Michel in AusÂsicht.
InitiaÂtiÂve muss von den WinÂzern kommen
ÄhnÂliÂches ereigÂneÂte sich im Jahr 2011 im ThurÂgau. Bis dahin wurÂde in den heiÂliÂgen MesÂsen im ThurÂgau meist Wein aus SpaÂniÂen oder ItaÂliÂen gereicht. Ein EheÂpaar ergriff die InitiaÂtiÂve, weil es ihm sinnÂvolÂler schien, wenn regioÂnaÂler Wein zum EinÂsatz käme. Die beiÂden machÂten sich auf die Suche nach einem motiÂvierÂten WinÂzer. HeuÂte proÂduÂziert die KelÂleÂrei LamÂpert von BriÂgitt und OthÂmar LamÂpert in SteckÂborn einen offiÂziÂelÂlen MessÂwein. «Die VerÂeiÂdiÂgung war ein feiÂerÂliÂcher und einÂzigÂarÂtiÂger Moment», sagÂte OthÂmar LamÂpert damals gegenÂüber dem ThurÂgauÂer PfarÂreiÂblatt.ManÂche AarÂgauÂer PfarÂreiÂen verÂwenÂden zwar einen approÂbierÂten MessÂwein, würÂden sich aber freuÂen, auf ein regioÂnaÂles ProÂdukt zurückÂgreiÂfen zu könÂnen. «Für WinÂzer ist es mögÂlich, sich vom BisÂtum zerÂtiÂfiÂzieÂren zu lasÂsen. Das fänÂde ich eine sehr schöÂne Idee für unseÂre RegiÂon», heisst es von SeiÂten einer GemeinÂdeÂleiÂtung.Wer weiss, vielÂleicht finÂdet schon im nächÂsten OktoÂber eine ganz besonÂdeÂre Ladung TrauÂben den Weg in einen WeinÂkelÂler. Bestimmt für den ersten MessÂwein aus dem Aargau.