Hat die Klimakrise eine Religion?

Hat die Klimakrise eine Religion?

  • Die christlichen Schöp­fungs­geschicht­en haben den Umgang der Men­schen mit ihrer Mitwelt neg­a­tiv geprägt.
  • Ökofem­i­nis­tis­che The­ologin­nen haben seit den 1980er-Jahren diese Zusam­men­hänge aufgezeigt und neue Sichtweisen auf Gott und die Welt entwick­elt.
  • Doris Strahm hat am fem­i­nis­tisch-the­ol­o­gis­chen Stu­di­en­tag in Bern für neue Bilder von Gott und der Schöp­fung plädiert.

Am Boden leuchtet ein rot­er run­der Kreis: «Anders als Sie glauben» ste­ht drauf. Er klebt vor der Ein­gangstür des Haus­es der Begeg­nung der katholis­chen Kirche im Bern­er Läng­gass-Quarti­er. Am ver­gan­genen Sam­stag fand dort ein fem­i­nis­tisch-the­ol­o­gis­ch­er Stu­di­en­tag statt. Der Katholis­che Frauen­bund Bern hat­te dazu ein­ge­laden. Die fem­i­nis­tis­che The­olo­gin Doris Strahm referierte zum The­ma: «Eine ökofem­i­nis­tis­che The­olo­gie der Erde».

Zwei Schöpfungsgeschichten

In der Bibel gibt es zwei Schöp­fungs­geschicht­en. In der ersten erhal­ten die Men­schen den Auf­trag, die Erde mit allem, was auf ihr lebt, zu beherrschen. In der zweit­en set­zt Gott den Men­schen in den Garten Eden und gibt ihm den Auf­trag, den Garten zu bebauen und zu behüten. Und er erschafft die Tiere für die Men­schen, damit sie ihnen helfen. In Gen 2 wird der Men­sch also in sein­er Ver­bun­den­heit mit der Erde und sein­er engen Beziehung zu den Tieren geschildert.

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Die erste Geschichte mit dem Herrschaft­sauf­trag sei viel stärk­er rezip­iert wor­den, sagte Doris Strahm in ihrer Ein­führung. Die Geschichte habe den Umgang der Men­schen mit ihrer Mitwelt geprägt. Die ver­meintliche Kro­ne der Schöp­fung habe so, im Auf­trag die Erde zu beherrschen, ihre Mitwelt aus­ge­beutet und tue dies bis zum heuti­gen Tag, sagte Doris Strahm.

Die Schuldfrage

Trägt das Chris­ten­tum also eine Mitschuld an der Kli­makrise? Diese Frage stellte Doris Strahm den Teil­nehmerin­nen. 25 Frauen waren gekom­men, die meis­ten in reifer­em Alter, aber jung im Geist, wie sich in den Diskus­sio­nen zeigte. Die obige Frage hat­ten bere­its ökofem­i­nis­tis­chen The­ologin­nen in den 1980er-Jahren gestellt. Sie hätte nichts an Dringlichkeit ver­loren angesichts der Kli­makrise, in der wir uns befän­den, sagte Doris Strahm.

Ökofeministische Theologinnen

Warum inter­essierten sich die Fem­i­nistin­nen beson­ders für ökol­o­gis­che The­men? „Weil es einen Zusam­men­hang gibt zwis­chen der Beherrschung der Natur und der Beherrschung der Frau“, sagt Doris Strahm. Das Chris­ten­tum hat­te sich mit seinen jüdis­chen Wurzeln zunächst im hel­lenis­tis­chen Raum entwick­elt, der von der aris­totelis­chen Philoso­phie geprägt war. Diese ver­trat eine dual­is­tis­che Sicht, in der eine Seite die andere dominierte. Der Geist sei dem Kör­p­er über­legen, die Kul­tur der Natur, der Mann übertr­e­ffe die Frau, wurde damals gedacht. Das weib­liche Geschlecht, das in Zusam­men­hang gebracht wurde mit Kör­per­lichkeit und Natur, wurde darum abgew­ertet.

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Ökofem­i­nis­tis­che The­ologin­nen zeigen diese Zusam­men­hänge auf und entwick­eln eine andere Sicht der Beziehung von Gott und Welt, Men­sch und Natur, Mann und Frau und knüpfen dafür auch an alter­na­tive bib­lis­che Bilder an.

Die aktuelle Her­bert-Haag-Preisträgerin, Julia Enx­ing, macht es ganz ähn­lich und set­zt für ihren Apell, nach­haltig mit der Schöp­fung umzuge­hen, bei den bib­lis­chen Erzäh­lun­gen an. In ihrem aktuellen Buch: «Und Gott sah, dass es schlecht war» kri­tisiert auch sie den bib­lis­chen Herrschaft­sanspruch. Sie sieht den Men­schen ger­ade in ein­er beson­deren Ver­ant­wor­tung, um eine Zukun­ft im Ein­klang mit allem Existieren­den zu gestal­ten.

Neue Bilder

«Wir brauchen Bilder, die lebens­fördernd sind und die Präsenz Gottes in allem Geschaf­fe­nen, in der ganzen Schöp­fung beto­nen», sagte Doris Strahm. Sie ver­wies dabei als Beispiel auf das Bild der «Grünkraft» –Virid­i­tas –,das sich in den Tex­ten von Hilde­gard von Bin­gen find­et, und für die neuere Zeit beson­ders auf die Meta­pher von der «Welt als Kör­p­er Gottes» bei Sal­lie McFague. Die amerikanis­che The­olo­gin gehörte zur ersten Gen­er­a­tion ökofem­i­nis­tis­ch­er The­ologin­nen. Im Buch «The Body of God» stellt sie sich die Welt als Kör­p­er Gottes vor: Die Men­schen begeg­nen Gott im Kör­p­er der Welt. «Was würde es bedeuten, wenn wir uns und jedes Lebe­we­sen als von Gott durch­wirk­ten Kör­p­er begreifen wür­den? Wie kön­nten die Men­schen diesem Kör­p­er schaden wollen?», fragte Doris Strahm die Teil­nehmerin­nen der Tagung.

“Was würde es bewirken, wenn wir die Schöp­fung als eine uner­messliche Menge von Kör­pern sehen ler­nen wür­den, die von Gottes Geist durch­wirkt sind, und Gottes Leben­satem in jedem Lebe­we­sen erken­nen, das existiert? Wenn wir uns sel­ber als von Gottes Geist durch­wirk­te Kör­p­er begreifen wür­den, zutief­st ver­bun­den mit allen anderen Kör­pern und allem Geschaf­fe­nen unseres Plan­eten, aber aus­ges­tat­tet mit ein­er beson­deren Ver­ant­wor­tung für das Woh­lerge­hen der göt­tlichen Schöp­fung?”

(Sal­lie MCFague: The Body of God. An Eco­log­i­cal The­ol­o­gy, Min­neaplis 1993)

Für Sal­lie McFagues Sicht gibt es Ansatzpunk­te in der christlichen Tra­di­tion: Etwa die Inkar­na­tion – die Fleis­chw­er­dung – Gottes in Jesus oder die Meta­pher vom kos­mis­chen Chris­tus, in der die Schöp­fung, der ganze Kos­mos, als Ort der Erlö­sung für alle Geschöpfe ver­standen wird.

Weg vom Fokus auf den Menschen

Es sei dringlich, in der The­olo­gie wegzukom­men von der Fokussierung auf die Men­schen, hin zu ein­er schöp­fungszen­tri­erten The­olo­gie der Inter­de­pen­denz: «Alle Lebe­we­sen sind zutief­st miteinan­der ver­bun­den – Teil der Erde als Kör­p­er Gottes», sagt Doris Strahm.

«Anders als Sie glauben»: Der rote runde Kle­ber vor der Türe hat sein Ver­sprechen gehal­ten.

Eva Meienberg
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