Gottesboten mit und ohne Flügel

Gottesboten mit und ohne Flügel

  • Am kom­menden Son­ntag, 2. Okto­ber, feiert die katholis­che Kirche das Schutzen­gelfest.
  • Weil Lit­er­atur zum The­ma Engel vielfach «eso­ter­isch» daherkommt, geri­et der bib­lis­che Ursprung der Schutzen­gel in Vergessen­heit.
  • Der Besin­nungstag «Engel als Weg­weis­er» im Auszei­thaus Beromün­ster am Sam­stag, 1. Okto­ber, ent­deckt den Engelschatz in der Bibel bewusst wieder neu.

Immer am 2. Okto­ber feiert die katholis­che Kirche das Schutzen­gelfest. Der Gedenk­tag ent­stand erst im 15. Jahrhun­dert in Spanien und Frankre­ich durch die Verehrung des Erzen­gels Michael, welch­er im Juden­tum zusam­men mit dem Erzen­gel Gabriel als Für­bit­ter und Schutzen­gel des Volkes Israels gilt. Ab dem 17. Jahrhun­dert wurde das Schutzen­gelfest dann in der gesamten katholis­chen Kirche gefeiert, nach­dem Papst Clemens X. den Gedenk­tag im Jahr 1670 auf auf den 2. Okto­ber fix­iert hat­te.

Engel sind Gottesboten

«Engel», von Alt­griechisch «Ange­los» («Bote») beze­ich­net die Boten Gottes. In der Bibel find­en solche himm­lis­chen Boten etwa 300-mal Erwäh­nung. Beson­ders bekan­nt ist der Psalm 91 des Alten Tes­ta­ments, in dem es heisst: «Gott befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tra­gen dich auf ihren Hän­den, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.»

Besinnungstag

Auch im näch­sten Jahr bietet das Auszei­thaus Beromün­ster, in Zusam­me­nar­beit mit dem Chorher­ren­s­tift St. Michael, am 7. Okto­ber 2023 einen Besin­nungstag anlässlich des Schutzen­gelt­ags an. www.auszeithaus.ch

Die bib­lis­che Über­liefer­ung der Exis­tenz der Engel ist die Grund­lage für den Glauben an die Schutzen­gel. Allerd­ings ist das Wis­sen um den bib­lis­chen Ursprung der Schutzen­gel nicht mehr selb­stver­ständlich­es All­ge­meingut. Wer nach Lit­er­atur zum The­ma Engel sucht, find­et vieles, das sich mit dem Begriff «eso­ter­isch» beze­ich­nen liesse. Diese Erfahrung hat auch Jörg Ger­ber gemacht. Er organ­isiert am Sam­stag, 1. Okto­ber, einen Besin­nungstag zum The­ma «Engel als Weg­weis­er». Das Chorher­ren­s­tift St. Michael in Beromün­ster sowie das Auszei­thaus, das auf dem Gelände des Stifts liegt, führen den Besin­nungstag gemein­sam durch. Ger­ber betont, dass er «eso­ter­isch» nicht neg­a­tiv ver­standen haben will, son­dern damit lediglich den Unter­schied zu den Engeln in der Bibel und der christlichen Tra­di­tion markiere. Denn die bib­lis­chen Engel gibt es in gross­er Menge und Vielfalt. «Für den Besin­nungstag ent­deck­en wir diesen Schatz in der Bibel ganz bewusst.»

«Spirituelle Superstars»

Der Schutzen­gelt­ag in Beromün­ster find­et dieses Jahr zum zweit­en Mal statt. Schon bei der ersten Durch­führung im ver­gan­genen Jahr nah­men etwa 20 Frauen und Män­ner teil. Jörg Ger­ber, der das Auszei­thaus zusam­men mit Brigitte Dresch­er leit­et, spürte ein gross­es Inter­esse am The­ma. Beson­ders erin­nert er sich an die Aus­tauschrunde zu Beginn des Tages: «Jede Per­son hat­te eine eigene Erfahrung mit Schutzen­geln gemacht und berichtete davon. Das war sehr berührend.»[esf_wordpressimage id=40343 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Eine Befra­gung im Jahr 2005 in Deutsch­land ergab, dass die Deutschen eher an Schutzen­gel glauben als an Gott. 66 Prozent waren überzeugt, dass es Schutzen­gel gibt, während nur 64 Prozent an die Exis­tenz Gottes glaubten. Die NZZ am Son­ntag schrieb in einem Artikel im Jahr 2017 gar vom «Auf­stieg der ein­sti­gen Neben­darsteller aus der Bibel zu spir­ituellen Super­stars».

Unsterblich und blitzschnell

Engel faszinieren und berühren die Men­schen. In einem Artikel in der Zeitung Kirchen­bote der Evan­ge­lisch-Reformierten des Kan­tons St. Gallen vom Novem­ber 2020 sagte die Pfar­rerin Annemarie Pfiffn­er, dass die Vorstel­lung der Schutzen­gel so weit ver­bre­it­et sei, dass sie wohl in jed­er men­schlichen Seele zu find­en sei. Auch wenn heute viele nicht mehr an Gott glaubten oder sich schw­ertäten, mit Gott in eine per­sön­liche Beziehung zu treten, so ver­traut­en doch viele ihrem Schutzen­gel: «Für mich ist das auch Glaube an Gott; eine Art ‹suchen­der› Glaube. Durch die Engel macht sich Gott uns bemerk­bar, wird seine Liebe konkretisiert. Engel als Medi­um Gottes liessen uns Men­schen Seine Botschaft leichter erken­nen, da wir uns Engel bess­er vorstellen kön­nten als Gott, erk­lärte Pfiffner.[esf_wordpressimage id=40340 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Laut Annemarie Pfiffn­er begeg­nen Engel in der Bibel den Men­schen zum grossen Teil in Men­schengestalt, also ohne Flügel. «Alle Engel­swe­sen sind in der jüdisch-christlichen Tra­di­tion eigen­ständi­ge Wesen mit freiem Willen, geschlecht­s­los, unsterblich, also ohne Geburt und ohne Tod, heilig in ihrem Ver­hal­ten, erfüllt von über­men­schlichem Wis­sen und in der Lage, sich blitzschnell über­all hin zu bewe­gen», beschreibt Annemarie Pfiffn­er.

Ein Engel als Wegbegleiter

Für die Leit­er des Auszei­thaus­es und den Propst des Chorher­ren­s­tifts St. Michael war es nahe­liegend, vom Erzen­gel Michael auszuge­hen. Jedoch beschränken sich Jörg Ger­ber und seine Mitor­gan­isatoren nicht auf ihn. Das The­ma dieses Jahr lautet «Engel als Weg­be­gleit­er». Dazu find­et sich im Alten Tes­ta­ment, im Buch Tobit, die Geschichte des from­men Israeliten Tobit, der schwere Glauben­sprü­fun­gen erfährt. In der Not schickt Gott Tobit seinen Engel Rafael zu Hil­fe. «In dieser Geschichte wirkt der Engel auf ganz ver­schiedene Arten», erk­lärt Jörg Ger­ber, «Er tritt in Men­schengestalt auf, fast wie eine Art Coach». Mit dieser Erzäh­lung machen die Autoren der Bibel deut­lich: In Gestalt sein­er Boten ist Gott uns ganz nah.

«Durch die Engel erfahren wir auf men­schliche Art und Weise Gottes Nähe», hielt Pfar­rerin Annemarie Pfiffn­er im Kirchen­boten fest. Der Schutzen­gelt­ag am 2. Okto­ber kann uns dazu anre­gen, unseren Mit­men­schen im All­t­ag aufmerk­sam zu begeg­nen und die christliche Näch­sten­liebe konkret zu leben. Ein­fach wie ein Schutzen­gel zur richti­gen Zeit am richti­gen Ort zu sein.

Marie-Christine Andres Schürch
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