Weihnachten mitten im Herbst

  • Bere­its zur Herb­st­fe­rien­zeit starten viele Geschäfte ihr Wei­h­nachts­geschäft, woran sich nach wie vor viele Men­schen stossen, wie Hor­i­zonte her­aus­fand.
  • Das Phänomen sei nicht neu, erk­lärt der Mark­tleit­er ein­er grossen Migros­fil­iale. Das ganze sei der Logis­tik geschuldet. «Mit­nicht­en», meint dazu der The­ologe und Sozialethik­er Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki: «Alles nur, um den Kon­sum voranzutreiben».
 Niedliche kleine Wei­h­nachtswich­tel lachen mich aus dem Regal im Einkauf­szen­trum an. Daneben ste­hen Nikoläuse, kleine süsse Engel in allen Far­ben und For­men. Und mit­ten drin ein Wei­h­nachts­baum — geschmückt mit vie­len roten und gold­e­nen Kugeln. Dies, so ver­rät mir der Mark­tleit­er, sei dieses Jahr der Trend in Sachen Wei­h­nachtss­chmuck.

Verfrühter Weihnachtsverkauf: «Ein Stimmungskiller«

Ich schlen­dere über den roten Tep­pich­bo­den im Wei­h­nachts­markt im Buchser Wyne­cen­ter. Dieses ist voll mit Kund­schaft, immer wieder begeg­ne ich Besuch­ern in der fes­tlich geschmück­ten Abteilung im Untergeschoss. Doch nicht alle sind begeis­tert von dieser vor­wei­h­nächtlichen Stim­mung. Immer wieder höre ich den Satz: «Es ist mir noch viel zu früh». 

«Ein absolute Zumutung»

«Sobald der Wei­h­nachts­markt ste­ht, bin ich neugierig, was es alles zu kaufen gibt», ver­rät mir jedoch eine Kundin, die fröh­lich durch die geschmück­ten Regale zieht. Ohne dass ich über­haupt danach gefragt habe, zeigt sie mir, was sie soeben ent­deckt hat. In der Hand schüt­telt sie eine Schneekugel und streckt sie mir ent­ge­gen — wohl der einzige Schnee, der momen­tan fällt, geht mir durch den Kopf.Eine weit­ere Kundin kommt dazu und schüt­telt, anstelle ein­er zweit­en Schneekugel, ener­gisch ihren Kopf. «Ich finde das eine absolute Zumu­tung», schimpft sie über das Ange­bot. «Das hat über­haupt nichts mehr mit Wei­h­nacht­en zu tun».Die ältere Dame aus der Region möchte, genau­so wie die andere Kundin, nicht mit Namen genan­nt wer­den. Der Ärg­er über das Wei­h­nacht­sange­bot bei notabene 16 Grad und Son­nen­schein lässt sie aber trotz­dem nicht los: «Mit­ten im Herb­st feiern wir bere­its Wei­h­nacht­en», rüf­felt sie und läuft, ohne auch nur einen einzi­gen Blick auf die glitzern­den Kugeln zu wer­fen, aus dem Laden. Ich drehe mich zu den Lichter­ket­ten um. Aussen­beleuch­tung für Sträuch­er und Tan­nen­bäume blinken mir ent­ge­gen. Ich stelle mir vor, wie ich diese heute Nach­mit­tag mit T‑Shirt und kurzen Hosen im Garten mon­tieren kön­nte. Keine kalten Hände, keine feucht­en Strom­steck­er. So gese­hen hat Wei­h­nacht­en im Herb­st ja doch etwas Gutes.

«Es geht den Läden nicht um Jesus»

The­ologe Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki, Präsi­dent a.i. der bis­chöflichen Kom­mis­sion «Jus­tizia et Pax», sieht es kri­tisch: «Es geht den Läden nicht um Jesus», meint er und hält für einen kurzen Moment inne. «Es geht auch nicht um Wei­h­nacht­en, son­dern nur darum, den Kon­sum voranzutreiben», so der Sozialethik­er. Die Leute seien nicht mehr daran inter­essiert auf etwas zu warten, zu «plan­gen». Und nach ein­er Pause meint Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki nach­den­klich: «Der Advent fällt ab sofort eigentlich aus. Man kauft sich die Ware jet­zt und braucht sie häu­fig sofort. Das ver­frühte Wei­h­nacht­sange­bot in den Läden nimmt», so fürchtet Wal­li­mann, «den Leuten die Vor­freude und die Möglichkeit, bewusst zu warten».«Mama, wann ist denn Wei­h­nacht­en?», höre ich eine zarte Stimme fra­gen, welche mich aus meinen Gedanken zurück in die Real­ität, ins Wyne­cen­ter in Buchs holt. Neben mir ste­ht eine Fam­i­lie mit einem kleinen Mäd­chen. Ihre Augen leucht­en, sie freut sich sichtlich auf das Wei­h­nachts­fest. «Für die Kinder ist es nicht gut, sie müssen ja trotz­dem warten bis Wei­h­nacht­en und wer­den ungeduldig», erk­lärt mir ihre Mut­ter, die 35-jährige Susanne Meis­ter aus Meren­schwand.

Die Logistik ist schuld

Seit sein­er Lehre arbeite er schon in der Migros, und seit da begin­nen die Wei­h­nachtsvor­bere­itun­gen auch immer um dieselbe Zeit, erk­lärt mir der Mark­tleit­er des Wyne­cen­ter Buchs, Christoph Schmid. «Wir starten in den grossen Fil­ialen immer in der Kalen­der­woche 42. Die kleineren Geschäfte fol­gen in der Kalen­der­woche 43». Dies sei vor allem auf die Logis­tik zurück­zuführen. «Wenn die Ware bei uns ein­trifft, bin ich froh, sie auf die Mall­fläche brin­gen zu kön­nen», erk­lärt uns der Fach­mann. In den Lagern sei schlicht zu wenig Platz, um alles Verkauf­s­ma­te­r­i­al, welch­es von den Logis­tikzen­tren angeliefert wird, noch für ein paar Wochen zur Seite zu stellen. Zudem sei die Arbeit für den Auf­bau nicht zu unter­schätzen, gibt der Mark­tleit­er weit­er zu bedenken. «Das Tages­geschäft läuft nor­mal weit­er und die Verkäuferin­nen räu­men die zusät­zliche Ware in die Wei­h­nacht­sre­gale ein. Das braucht entsprechend Zeit», erk­lärt Christoph Schmid.Zum Schluss möchte ich vom Mark­tleit­er aber trotz­dem noch wis­sen, was in sein­er Wei­h­nachtsabteilung denn beson­ders empfehlenswert sei. «Die selb­st­gesteck­ten Adventskränze unser­er Floristin­nen sind dieses Jahr neu im Ange­bot», ver­rät uns Christoph Schmid mit stolz­er Stimme und führt weit­er aus: «Auch die hell­blauen Meer­jungkatzen und Wassertiere sind dieses Jahr neu und sehr beliebt».

Meerkatzen, Delphine und Wassermänner für den Baum

Ich werfe einen kurzen Blick zum Regal mit den Wassertieren. Fis­che, Wasser­män­ner und glitzernde Delfine sind zu sehen — alles eher aussergewöhn­lich­er Schmuck für den Wei­h­nachts­baum. Und ich schmun­zle beim Gedanken, dass, wer Wei­h­nacht­en bere­its im Okto­ber feiert, seinen Tan­nen­baum ja dur­chaus mit Delfinen und Wasser­män­nern schmück­en kann.
Andreas C. Müller
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