Eine Atmosphäre grösstmöglicher Geborgenheit
- JewÂeils am ersten MärzÂwochÂenende begeÂht die KatholisÂche Kirche den KrankenÂsonÂntag. Aus diesem Anlass besuchte HorÂiÂzonte die SpiÂtalseelÂsorgÂerin Franziska Schär. Die TheÂoloÂgin begleitÂet Eltern und Kinder in der Klinik für Kinder und Jugendliche (KKJ) im KanÂtonÂsspiÂtal Aarau.
- Im ZusamÂmenÂspiel von MediÂzin, Pflege und SeelÂsorge ist gute KomÂmuÂnikaÂtion das A und O; KonÂfesÂsion oder ReliÂgion treten im RahÂmen des SpirÂiÂtuÂal Care Konzeptes des KanÂtonÂspitals Aarau (KSA) auch mal in den HinÂterÂgrund.
Zwei kleine MädÂchen. Rote Pullover, helle Hosen. Die grössere hat lange wilde dunÂkle LockÂen. Sie ist vielleÂicht 5‑jährig und hält ihr tapÂsiges jünÂgeres GeschwisÂterchen an der Hand. HinÂter ihnen komÂmen die Eltern. Im VorÂbeigeÂhen sieht man auf dem linken SchulÂterblatt des kleineren Kindes einen lanÂgen, dünÂnen, aufgerollÂten SauerÂstoffÂschlauch: Ein EngelsÂflügel ohne FedÂern, schiesst die AssoziÂaÂtion durch den Kopf.
Rettende Technik
Zu Besuch am ArbeitÂsort von Franziska Schär. Die reformierte TheÂoloÂgin steÂht im Flur der NeonaÂtoloÂgie. In dieser Abteilung der KKJ des KanÂtonÂsspiÂtals Aarau werÂden FrühgeÂborene und neugeÂborene Babys mediÂzinisch und pflegerisch begleitÂet. «Hier sind es besonÂders die Eltern, denen ich mich vorstelle. Für sie ist die SitÂuÂaÂtion oft unerträglich. Sie sollen wisÂsen, dass es mich gibt und sie mich ansprechen könÂnen», sagt Franziska Schär. Vom PflegeÂbereÂich geht es durch eine Glastür in den intenÂsivmediÂzinisÂchen BereÂich. TransÂportÂbettchen, sie sind mehr TechÂnik als Bett, steÂhen an der SeitÂenÂwand. Der Blick fällt durch eine GlassÂcheibe zunächst auf noch mehr TechÂnik, auf ÜberwachungsmonÂiÂtore und InfuÂsionÂsstänÂder, auf IntenÂsivÂbetÂten. ZwisÂchen der monÂströs anmuÂtenÂden TechÂnik, die Leben ermöglicht, sitzen MänÂner und Frauen. Es sind Eltern, die bei ihren Kindern sind.Ab der 24. SchwangerÂschaftswoche könÂnen FrühgeÂborene in Aarau betreut und in ihrer EntwickÂlung unterÂstützt werÂden, der StanÂdard der NeonaÂtoloÂgie entspricht dem der UniÂverÂsitätsspitäler. «ManchÂmal verÂlegt das InselÂspiÂtal Bern aus «PlatzÂgrünÂden» FrühgeÂborene hierÂher. In einem Fall hätte die MutÂter mit ihrem Kind wieder nach Bern zurückÂkehren könÂnen, verzichtete aber darauf. Die Beziehung zum Pflege- und Ärzteteam hier war so gut, dass es unnötiÂgen Stress bedeutet hätte, in Bern in der NeonaÂtoloÂgie ein neues BeziehungssysÂtem aufzubauen», sagt Franziska Schär. BesonÂders in diesem intenÂsivmediÂzinisÂchen BereÂich sei es eine HerÂausÂforderung, einen geschützten Raum zu schafÂfen. «Am Anfang schüchtert die TechÂnik ein und alle sind in einem ZimÂmer. Wenn es einem Kind schlechter geht, bekomÂmen das auch die anderen Eltern mit», beschreibt Franziska Schär.
Careteam statt Seelsorge
Beziehung ist das A und O in der KKJ. Nicht nur zwisÂchen den Eltern, den PfleÂgenÂden und Ärzten, dem SeelÂsorÂgeteam und den Kindern und Eltern, sonÂdern auch zwisÂchen SpiÂtal und SeelÂsorÂgeteam. «Es gibt einen gesetÂzlichen Anspruch auf seelÂsorÂgliche BetreuÂung im SpiÂtal», erkÂlärt Franziska Schär. Doch es gehe nicht einÂfach darum, auf diesem Anspruch zu beharÂren, sonÂdern im Gespräch zu sein. Céline GauÂtiÂer, StaÂtionÂsleiÂtÂerin der NeonaÂtoloÂgie, bestätigt diese AusÂsage: «Wir sind sehr froh, dass Franziska Schär mit ihrer perÂsönÂlichen Erfahrung durch ihre vier Kinder im KinderÂspiÂtal arbeitÂet. Wenn Eltern den WunÂsch haben, sich mit ihr zu unterÂhalÂten, kann dies sehr heilÂsam sein. Sie begegÂnet den Eltern auf AugenÂhöhe.»Alle SeelÂsorÂgenÂden am KSA sind gleÂichzeitÂig auch Teil des interÂnen Careteams. Sie sind als «CareÂgivÂer» nach dem StanÂdard des Nationalen NetÂzwÂerkes PsyÂcholÂoÂgisÂche NothilÂfe ausÂgeÂbildet. Franziska Schär erkÂlärt: «BesonÂders beim NotÂfall werÂden wir als Careteam aufgeÂboten. KonÂfesÂsion und ReliÂgion treten dabei in den HinÂterÂgrund, es geht darum, Eltern oder AngeÂhörige in ihrem Stress und ihrer Angst aufzÂuÂfanÂgen und zu beruhiÂgen. Ein Gespräch ist ganz oft erst möglich, wenn sich die Kinder staÂbilÂisiert haben. Die Sorge der Eltern ist gross, wenn sie mit ihrem Kind in den NotÂfall komÂmen», sagt Franziska Schär. Die Diplomierte PflegeÂfachÂfrau SeliÂna RengÂgli, die auf der NeonaÂtoloÂgie arbeitÂet, forÂmuliert es so: «Die Eltern befindÂen sich während dem SpiÂtaÂlaufenÂthalt in einÂer AusÂnahmeÂsiÂtÂuÂaÂtion. Wenn sie aktiv in ihren SorÂgen und ÄngÂsten begleitÂet und unterÂstützt werÂden, kann der AufenÂthalt erleÂichtert werÂden. Denn wenn die Eltern sich sichÂer und ernÂstgenomÂmen fühlen, überträgt sich diese Ruhe auch auf das Kind.»
Mehr als Medizin
Ein weitÂerÂer BereÂich der Arbeit sind die sogeÂnanÂnten «EthisÂchen Dialoge». SpiÂtal-SeelÂsorÂgende und MitÂglieder des EthikÂfoÂrums, die dafür ausÂgeÂbildet sind, modÂerieren diese Dialoge, die sich um FraÂgen der weitÂeren BehandÂlung aus ethisÂchÂer Sicht drehen. «Ein ethisÂches Gespräch modÂeriere ich allerdÂings im Fall der NeonaÂtoloÂgie nur, wenn ich nicht befanÂgen bin, weil ich beispielÂsweise die Eltern seelÂsorÂglich begleite», verdeutÂlicht Franziska Schär auch GrenÂzen ihrer Tätigkeit.Akute EinÂsätze im RahÂmen des Careteams, Gespräche mit Eltern auf der InfekÂtiÂoloÂgie oder NeonaÂtoloÂgie, Gespräche mit PfleÂgenÂden – auch aus anderen Kliniken des KSA –, Franziska Schär bringt sich als SeelÂsorgÂerin in vieÂlen Momenten ins SysÂtem SpiÂtal ein und ist damit ein Teil des SpirÂiÂtuÂal-Care-Konzeptes. Dieses gewinÂnt in Spitälern an Gewicht und anerkenÂnt, dass eine rein mediÂzinisÂche BetraÂchÂtung des kranken MenÂschen zu kurz greift. «Manche Kinder komÂmen immer wieder», sagt Franziska Schär, «es entsteÂhen BindunÂgen zwisÂchen den Kindern und Jugendlichen auf der einen Seite und den mediÂzinisÂchen FachÂleuten, den PfleÂgenÂden und SeelÂsorÂgenÂden auf der anderen Seite. Die AtmoÂsphäre auf der KKJ ist speziell. Die PfleÂgenÂden schafÂfen hingeÂbungsvoll eine UmgeÂbung grösstÂmöglichÂer GeborÂgenÂheit. Ein JugendlichÂer, der mit 18 von der KKJ auf die ErwachÂseÂnenÂstaÂtion wechÂseln musste, empÂfand das gerÂadezu als Schock.»
KrankenÂsonÂntag 2018Alljährlich, meist am ersten SonÂntag im März, gedenkt die Kirche in der Schweiz der Kranken. Der diesjährige KrankenÂsonÂntag steÂht unter dem MotÂto «Zeit für mich – Zeit für dich – Zeit für uns». Bei aller VerÂschiedenÂheit von KrankheitÂen hätÂten doch alle gemeinÂsam, dass DiagÂnose, AkzepÂtanz, Heilung, NeuorÂganÂiÂsaÂtion wegen und mit der Krankheit Zeit beanspruchen würÂden, heisst es im FakÂtenÂpaÂpiÂer zum Tag der Kranken 2018 auf der Seite des VereÂins «Tag der Kranken». Das Wort der SchweizÂer BisÂchöfe, verÂfasst von MarÂiÂan EleÂganÂti, bezieht sich auf die Botschaft von Papst Franziskus zum diesjähriÂgen WeltÂtag der Kranken. Der Papst weist auf Maria, die MutÂter Jesu, als Beispiel hin. Sie habe unter dem Kreuz dem LeiÂden standgeÂhalÂten «ohne aufzuhören, an die Liebe und Weisheit der Ratschlüsse Gottes zu glauben». Es sei paraÂdox, doch das LeiÂden sei für viele ChrisÂten ein Ort der GottesÂbegegÂnung geworÂden, heisst es im Schreiben.
www.bischoefe.chwww.tagderkranken.ch