Mit Co-Pilot durch den Alltag steuern

Mit Co-Pilot durch den Alltag steuern

  • Das Car­i­tas-Pro­jekt «Co-Pilot» bringt Migranten mit Frei­willi­gen zusam­men, die sie bei ihrer sozialen Inte­gra­tion unter­stützen.
  • Ein Jahr lang tre­f­fen sich die Frei­willi­gen mit den Flüchtlin­gen monatlich zwei- bis vier­mal.
  • Am «Match­ing-Day» am Sam­stag, 24. Feb­ru­ar, sind in Baden die ersten Paare ges­tartet.
Die Beze­ich­nung «Match­ing-Day» erin­nert an Online-Part­ner­börsen, welche passende Sin­gles zusam­men­brin­gen. Genau­so ist auch die Stim­mung im Chorher­ren­haus Baden an diesem Sam­sta­gnach­mit­tag. 30 Erwach­sene und 12 Kinder sitzen auf­fal­l­end still an den Tis­chen. Einige mustern ver­stohlen ihr Gegenüber, andere rutschen auf dem Stuhl hin und her. Die Stille hat einen nervösen Unter­ton.

Wer ist mein Gegenüber?

Nach­dem Pro­jek­tlei­t­erin Isabelle Oder­matt die Anwe­senden begrüsst und das Pro­gramm bekan­nt gegeben hat, erre­icht die Span­nung ihren Höhep­unkt: Die Migran­tinnen und Migranten sowie die Frei­willi­gen suchen mit Hil­fe von Namenss­childern nach dem ihnen zugeteil­ten Gegenüber. Nach und nach find­en sich die Paare. Tan­ja geht auf Tek­le zu, sie geben sich die Hand. Co-Pilotin Brigitte wech­selt erste Worte mit ihrer Fam­i­lie aus Afghanistan. Weit­er vorne gesellt sich eine vierköp­fige Fam­i­lie zu ein­er Mut­ter mit zwei Buben aus Tibet. Und Pilotin Rahel aus Eritrea hat ihre Baden­er Co-Pilotin Veroni­ka aufge­spürt. Nun ist es nicht mehr still, nur noch ein wenig nervös.

Postenlauf

Die Teams besuchen ver­schiedene Posten in der Stadt. Es warten Auf­gaben, die beim Ken­nen­ler­nen helfen. Elis­a­beth und Shi­lan bemalen am ersten Posten je eine Tasse, die sie einan­der danach schenken. Am zweit­en Posten tauschen Brigitte und der junge Fam­i­lien­vater Safa Adresse und Tele­fon­num­mer aus und vere­in­baren gle­ich das erste Tre­f­fen. Sie habe ihre eigene Prax­is aufgegeben und sei neu in den Raum Baden gezo­gen, erzählt Brigitte. Die 60-Jährige kann sich nicht vorstellen, nichts mehr zu tun. Und weil sie früher mit Kindern gear­beit­et hat, freut sie sich, neben Man­izheh und Safa auch deren Kinder, den vier­jähri­gen Yus­suf und die anderthal­b­jährige Melis­sa zu begleit­en.

Papierflieger

Am drit­ten Posten in der Stadtkirche fal­ten Tek­le und Tan­ja Papier­flieger. Der Eritreer erzählt sein­er Co-Pilotin, dass er in seinem Heimat­land keinen Beruf gel­ernt, son­dern 14 Jahre im Mil­itär­di­enst ver­bracht habe. Nun wird er bald einen Reini­gungskurs bei der SBB absolvieren. Tan­ja sagt, sie habe im Moment Zeit, sich für ein solch­es Pro­jekt wie «Co-Pilot» zu engagieren und deshalb gefun­den: «Wenn ich das nicht mache, wer dann?»

Selbständig fliegen

Zwei Stun­den später sind alle wieder an der Wärme, plaud­ern und stärken sich am Buf­fet. Die Anspan­nung ist fort, fast wirken die Paare schon ein wenig ver­traut. Von nun an wer­den Piloten und Co-Piloten selb­ständig zusam­men «fliegen». Zwei bis vier­mal im Monat tre­f­fen sich die Teams. Wo und wann, ist ihnen über­lassen. Auch was sie tun möcht­en, sprechen sie untere­inan­der ab. Die Tre­f­fen dienen ein­er­seits dem Aus­tausch, die Frei­willi­gen kön­nen jedoch in ver­schieden­ster Hin­sicht Unter­stützung und Bere­icherung sein: Bei der Woh­nungssuche, der Deutsch-Kon­ver­sa­tion, der Freizeit­gestal­tung oder im ganz nor­malen All­t­ag.

«Matching» bewährt sich

«Grund­sät­zlich ist es gut, wenn die Paare Dinge unternehmen, welche die Flüchtlinge später auch sel­ber ein­mal machen kön­nen. Also eher Bräteln im Wald als Europa­park», erk­lärt Isabelle Oder­matt. Neb­st einem Aus­tausch Ende April bekom­men die Frei­willi­gen von ihr Tipps und Unter­stützung. Erfahrungs­gemäss läuft die Zusam­me­nar­beit zwis­chen Piloten und Co-Piloten sehr gut. Im Kan­ton Solothurn, wo das Inte­gra­tionspro­jekt seit einem Jahr beste­ht, mussten von 57 Paaren nur ger­ade zwei während des Pro­jek­ts aufgeben. Das «Match­ing» anhand von Frage­bo­gen über die per­sön­lichen Inter­essen und Wün­sche scheint sich zu bewähren. Am 14. März starten die näch­sten Teams in Aarau und nach den Som­mer­fe­rien, am 23. August 2018, find­et für inter­essierte Frei­willige ein Infoabend im Chorher­ren­haus in Baden statt.

«Das schaffst du»

Den­noch erwartet die Co-Piloten eine Auf­gabe, die nicht immer nur leicht und lustig sein dürfte. Eine Co-Pilotin sagt besorgt und mit­füh­lend über ihre junge Pilotin aus dem Iran: «Ich glaube, sie ist sehr isoliert». Sie spricht ihr Mut zu: «Jet­zt gehen wir Schritt für Schritt, schreiben ler­nen, Deutsch sprechen – du wirst das schaf­fen.»
Marie-Christine Andres Schürch
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