Trösten und getröstet werden

Trösten und getröstet werden

2. Korinther­brief 1,3–4Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Her­rn Jesus Chris­tus, der Vater des Erbar­mens und Gott allen Trostes. Er tröstet uns in all unser­er Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet wer­den.Ein­heit­süber­set­zung 2016 

Trösten und getröstet werden

Josef, der Lev­it aus Zypern, wurde von den Apos­teln «Barn­abas» genan­nt. Das heisst über­set­zt «der Sohn des Trostes». Seine Botschaft, sein Leben und sein Dasein für die anderen wur­den offen­bar als Trost und Ermu­ti­gung wahrgenom­men.Wann habe ich zulet­zt Trost erfahren oder sel­ber jeman­dem Trost gespendet? Die unglaublich trost­losen Bilder aus der Ukraine weck­en diese Sehn­sucht in mir. Aber nicht nur dort – auch in unseren je eige­nen Lebenssi­t­u­a­tio­nen sind wir auf Trost angewiesen: Wenn wir beispiel­sweise ver­lieren, was uns zuvor Sicher­heit gegeben hat, oder wenn uns ein Ereig­nis den Boden unter den Füssen wegzieht und unser eigen­er Lebensen­twurf ins Wanken gerät.Doch woher bekom­men wir Trost? Was ver­ste­hen wir unter Trost? Und wann wird Trost zur bil­li­gen Vertrös­tung?Ein Blick in das Herkun­ftswörter­buch kann uns helfen, bess­er zu erfassen, was über­haupt mit Trost und Getröstet-Wer­den gemeint ist: «Trost» und «Treue» haben den gle­ichen Wort­stamm, heisst es da. Und ja, wenn mir jemand treu ist, so ist das tröstlich. Weit­er erfahren wir: Ursprünglich bedeutete das Wort Trost «innere Fes­tigkeit» – «einen fes­ten Halt haben». Einen fes­ten Halt bei Men­schen und im Glauben zu haben, das ist tröstlich. Und dann erfahren wir noch: Trost ist mit dem englis­chen Wort «trust» ver­wandt, und das heisst «ver­trauen». Wer also ver­traut, find­et Trost.«Kopf hoch, das wird schon wieder!» Wie schnell sind solche Floskeln dahinge­sagt! Und sie wirken ein biss­chen wie ein Pflaster, das man schnell auf eine Wunde klebt. Hier lauert die bil­lige «Vertrös­tung» – und diese hat so gar nichts mit echtem Trost zu tun. Trost deckt das Leid nicht ein­fach zu und über­pin­selt es mit rosa Farbe. Das Leid kleinzure­den oder darüber hin­wegzuse­hen tröstet nicht. Dem Leid jedoch in die Augen zu blick­en, es auszuhal­ten und trotz­dem die Hoff­nung nicht aufzugeben, das bedeutet Trost.«Es ist schön, dass Sie da sind. Das hat mir gut getan. Das war jet­zt sehr tröstlich.» Solche und ähn­liche Aus­sagen höre ich oft von Pati­entin­nen und Patien­ten, die ich als Spi­talseel­sorg­erin in ihren Kranken­z­im­mern besuchen darf. Dann sitze ich nach­her in meinem Büro und wun­dere mich. Ich habe ja gar nicht viel gemacht. Ich bin ein­fach da gewe­sen. Ich habe nur zuge­hört, vielle­icht auch mit-aus­ge­hal­ten oder mit­gelit­ten.Wahrschein­lich ist es genau das, was tröstet: Dass jemand ein­fach da ist, zuhört, das Leid oder die Not ernst nimmt und aushält – und es auch aushält, dass es auf so vieles keine Antwort gibt.Macht Gott nicht genau das mit uns? Er ist da. Er hört uns zu. Er nimmt uns ernst. Unser Leben liegt in sein­er Hand – in der Hand des Gottes allen Trostes. Ist dies nicht der tief­ste Trost über­haupt?Nadia Miri­am Keller, The­olo­gin, arbeit­et als Spi­talseel­sorg­erin i.A. am St. Claraspi­tal in Basel      
Christian von Arx
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