Wenn einer sein Leben hingibt …

Wenn einer sein Leben hingibt …

Johannes 10,11–15.18Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kom­men, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reisst sie und zer­streut sie. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen ken­nen mich, wie mich der Vater ken­nt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Nie­mand entreisst es mir, son­dern ich gebe es aus freiem Willen hin.                  Ein­heit­süber­set­zung 2016 

Wenn einer sein Leben hingibt …

Als Dami­an De Veuster am 10. Mai 1873 als erster Gesun­der frei­willig die Hawaii-Insel Molokai betritt, kommt er nicht als Tourist. Er kommt nicht, um sich auf ein­er abgele­ge­nen Insel vom All­t­agsstress zu erholen und dann braunge­bran­nt und neu gestärkt an seine bish­erige Wirkungsstätte zurück­zukehren. Vielmehr hat er sich wohl die Worte Jesu zu eigen gemacht: «Ich gebe mein Leben hin für die Schafe.»Dami­an weiss genau, dass er nicht mit heil­er Haut davonkom­men wird. Denn Molokai ist eine Insel des Schreck­ens, eine Hölle mit­ten im Paradies, ein Ort, wo die Lep­rakranken der Hawaii-Inseln auf unmen­schliche Art «entsorgt» wur­den, wo die Kranken wie Müll an das Ufer der abgele­ge­nen Insel gekippt wur­den. Von ihr gibt es kein Zurück. Nach Molokai zu kom­men, bedeutet: lebendig begraben zu wer­den.Als der Bischof von Hon­olu­lu einen Seel­sorg­er suchte für die Aussätzi­gen auf Molokai, meldete sich Dami­an: «Herr Bischof haben mich daran erin­nert, dass ich am Tag mein­er Orden­spro­fess in ein Leichen­tuch gehüllt wurde, um zu ler­nen, dass aus dem frei­willi­gen Tod neues Leben entspringt; daher bin ich bere­it, mich lebendig zu begraben mit diesen Unglück­lichen.» – «Wie alt sind Sie?» fragte der Bischof. – «33 Jahre. » – «So alt wie unser Herr in der Stunde des Kreuzes», erwiderte der Bischof.Nach­dem die ersten Berührungsäng­ste über­wun­den waren, begann der Pater, sich um die Aussätzi­gen zu küm­mern und begleit­ete sie auf ihrem Weg. Er scheute sich nicht, die Kranken zu berühren und mit ihnen zu essen: «Ich kann sie zwar nicht heilen wie der Herr, doch ich kann sie zumin­d­est trösten.» Sein Dasein und Mit-Sein bedeutete Trost und Licht in der Dunkel­heit. Das lateinis­che Wort con-sola­tio, Trös­tung, drückt dies sehr schön aus, indem es die Vorstel­lung eines Mit-Seins in der Ein­samkeit weckt, die dann keine Ein­samkeit mehr ist … Durch Dami­ans Wirken wurde aus der «Insel der Ver­dammten» eine men­schliche Sied­lung, in der die Würde der Aus­gestosse­nen geachtet wurde.So kon­nten die Aussätzi­gen sein­er Predigt von der Liebe Gottes zu allen Men­schen glauben. Diese Liebe, die uns ger­ade in der Kar­woche wieder vor Augen geführt wird, wenn wir Jesus in seinem Lei­den und Ster­ben betra­cht­en. Er, der aus Liebe zu uns Men­sch gewor­den ist und sein Leben hingegeben hat, damit wir das Leben haben.Und es kam schliesslich, wie es kom­men musste. Dami­an infiziert sich mit Lep­ra. Ende März 1889 kon­nte er sein Zim­mer nicht mehr ver­lassen und erk­lärte: «Das ist das Ende, der Herr ruft mich, ich soll mit Ihm Ostern feiern.» Den Aussätzi­gen ein Aussätziger gewor­den, stirbt er am Mon­tag der Kar­woche, dem 15. April 1889, im Alter von 49 Jahren.Der Apos­tel der Aussätzi­gen ist ein leuch­t­en­des Beispiel dafür, dass die Liebe zu Gott uns nicht von der Welt tren­nen, son­dern vielmehr dazu führen sollte, unsere Mit­men­schen bis zur Gabe des eige­nen Lebens zu lieben.Nadia Miri­am Keller, The­olo­gin, ursprünglich Pflege­fach­frau, arbeit­et in der Pfar­rei St. Odil­ia, Arlesheim  
Redaktion Lichtblick
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