Zirkusgottesdienst: Jubiläum mit Wermutstropfen

Zirkusgottesdienst: Jubiläum mit Wermutstropfen

  • Am ver­gan­genen Son­ntag, 7. Juli, wur­den im Chapiteau des Zirkus Knie in Luzern anlässlich des jährlichen Zirkus­gottes­di­en­stes gle­ich drei Höhep­unk­te gefeiert: 100 Jahre Cir­cus Knie, 20 Jahre Philipp Neri-Stiftung und die Taufe von May­col Knie Junior.
  • Was viele nicht wis­sen: Die Seel­sorge für Zirkusleute und Schausteller wird nicht von den Kirchen finanziert.
Als sich um 10.30 Uhr  der rote Samtvorhang öffnet, sitzen über 2000 Men­schen im Zelt. Unter feier­lichen Klän­gen ziehen nicht nur Fah­nen­träger ver­schieden­er Mark­thändlersek­tio­nen, Zirkusseel­sorg­er Adri­an Bolz­ern, sein Vorgänger Ernst Heller und Pfar­rer Boris Schüs­sel ein, son­dern auch 103 Min­is­tran­ten, die zum 100-Jahr-Jubiläum des Zirkus Knie eigens aufge­boten wer­den kon­nten.

Prinzessin Stephanie von Monaco unter den Gästen

Den Besuch­ern wird nicht nur ein visuell über­wälti­gen­des Schaus­piel geboten, auch musikalisch gibt es Ungewöhn­lich­es zu hören. Als Geschenk an den Zirkus Knie und an die Philipp Neri-Stiftung treten mit dem Chor Brud­er Klaus Ober­wil Zug (Leitung. Armon Caviezel) und dem Kirchen­chor Con­cor­dia Ausser­dom­leschg (Leitung: Rico Caviezel) gle­ich zwei Gros­for­ma­tio­nen auf. Über 100 Sän­gerin­nen, Sänger und Musik­er führen die Messe für Chor, Stre­i­chorch­ester Klar­inet­ten und Hack­brett «Singed und juchzed» von Peter Roth auf. Selb­st Prinzessin Stephanie von Mona­co, die von vie­len unerkan­nt neben Marie-José Knie sitzt, staunt da.Die Taufe von May­col Junior, dem Sohn von Géral­dine Knie und ihrem Mann May­col, wird von Presse­fo­tografen eifrig fest­ge­hal­ten. Macol Junior gewin­nt sofort die Herzen der Zirkus­be­such­er.

Würdigung der Philipp Neri-Stiftung

Im Zirkus­gottes­di­enst wird an diesem Tag auch die Arbeit der Philipp-Neri-Stiftung gewürdigt. Diese Stiftung wurde vor 20 Jahren vom ehe­ma­li­gen Zirkusp­far­rer Ernst Heller ins Leben gerufen. Sie fol­gt den Spuren des in Flo­renz gebore­nen und im Jahr 1595 in Rom ver­stor­be­nen Priesters und Heili­gen Philipp Neri, der als «Gauk­ler Gottes» bekan­nt ist. Das Ziel: Finanzielle Hil­fe leis­ten für in Not ger­atene Artis­ten, Schausteller und Mark­t­fahrer.Im Jubiläum­s­jahr tourt Adri­an Bolz­ern mit einem Zirkuswa­gen in ein­er «Road­show» durch die Schweiz. «Die Res­o­nanz seit­ens der Leute war bis­lang gross und die Tour kon­nte zur Bekan­ntheit der Stiftung beitra­gen», sagt Adri­an Bolz­ern.

Fehlendes Engagement der Kirchen stösst auf Unverständnis

Was nur wenige wis­sen: Die Arbeit von Zirkusp­far­rer Adri­an Bolz­ern wird von der Kirche bis­lang nicht finanziert. Der Aar­gauer sagt: «Viele Zirkus­fam­i­lien, die das erfahren, kön­nen das nicht nachvol­lziehen.» Auf Unver­ständ­nis stosse er dies­bezüglich auch bei Kol­le­gen, wenn er sie an Zirusseel­sorge-Kon­gressen tre­ffe.Luc Hum­bel, der als Präsi­dent der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz für die staat­srechtlichen Bere­iche der Kirche ver­ant­wortlich ist, ken­nt diesen Sachver­halt. Er sagt: «Die Zirkusseel­sorge, wie sie von Adri­an Bolz­ern geleis­tet wird, deckt nach mein­er Ken­nt­nis die Deutschschweiz und gewisse Betriebe im nahen süd­deutschen Bere­ich ab. Aus­ge­hend davon han­delt es sich dabei wed­er um eine Auf­gabe der Lan­deskirche Aar­gau noch um eine solche des Bis­tums Basel. Zuständig wäre somit die Dien­st­stelle Migra­tio der Schweiz­erischen Bischof­skon­ferenz. Dort ist beispiel­sweie auch die Seel­sorge für Fahrende ver­ankret. Auf diesen Umstand habe ich Adri­an schon mehrfach hingewiesen. Mir ist nicht bekan­nt, ob Migra­tio bere­its ein­mal mit einem solchen Gesuch ange­gan­gen wurde».

Existenzprobleme der Schausteller

Die Arbeit der Zirkus-Seel­sorge ist jedoch nötiger denn je, wie Adri­an Bolz­ern auch an diesem Son­ntag mehrfach betont. Im Gespräch mit Hor­i­zonte spricht er von «immer mehr Exis­ten­zprob­le­men unter Artis­ten und Schaustellern» Der Aar­gauer Zirkus Nock, der in diesem Jahr aufgeben musste, nen­nt er als trau­riges Beispiel. Immer höhere Platzkosten, die starke Konkur­renz und verän­dertes Freizeitver­hal­ten führen laut Bolz­ern zu ver­schärfteren Arbeits­be­din­gun­gen.Der umtriebige Priester nen­nt einige Beispiele, wie die Philipp Neri-Stiftung in jüng­ster Zeit helfen kon­nte: Einem Schausteller wur­den Krankenkassen­beiträge, die er nicht leis­ten kon­nte, bezahlt; einem Chilbi-Mitar­beit­er, dessen Motor­rad kaputt ging, erhielt von der Stiftung ein Dar­lehen für ein neues Fahrzeug; ein Schausteller ver­lor auf der Auto­bahn seinen Anhänger, der sich über­schlug und schrot­treif war. Schlecht ver­sichert, kon­nte er sich kein neues Gefährt leis­ten. Auch hier half die Stiftung finanziell aus.

Ein Angebot, das ankommt

Der Zirkus­gottes­di­enst, an dem sich die Philipp-Neri-Stiftung in Erin­nerung gerufen hat, gehört bei vie­len Fam­i­lien jeden­falls zu ein­er fes­ten Tra­di­tion, die sie pfle­gen. Als die Besuch­er aus dem Zelt strö­men, leucht­en die Augen begeis­tert. Aus ver­schiede­nen Wort­fet­zen ist zu ent­nehmen, wie sehr die humor­volle Art von Adri­an Bolz­ern ankommt. Armon Caviezel sagt zudem: «Ich finde diesen Gottes­di­enst eine gute Sache, weil die Kirche auf die Strasse geht und in ein Zelt kommt. Sie spricht dadurch eine ganz andere Kien­tel an als son­st.»Für Matthias Mut­ter, der schon dem deutschen Pater Heinzpeter Schönig, Ernst Heller und nun Adri­an Bolz­ern organ­isatorisch bei diesem Gottes­di­enst unter die Arme griff, gehört dieser Anlass zu einem «per­sön­lichen Jahreshöhep­unkt».Hei­dy Erni wiederum, die in der Admin­is­tra­tion der Philipp Neri-Stiftung arbeit­et, zeigt sich beein­druckt «über die vie­len Men­schen, die sich bei diesen Anlass helfend engagieren». Auch die Immenseerin sagt: «Dieser Gottes­di­enst geht zu den Leuten und holt sie emo­tion­al ab. Sie kom­men in den Genuss ein­er einzi­gar­ti­gen Atmo­sphäre».
Andreas C. Müller
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