Zwischen Marsch und Momenten der Stille

Zwischen Marsch und Momenten der Stille

Zwischen Marsch und Momenten der Stille

Einblicke in die Armeeseelsorge

Ob Rekruten oder son­stige Armeeange­hörige, sie alle kön­nen auf die über 170 Armeeseel­sorg­erin­nen und ‑seel­sorg­er zählen – im täglichen Smalltalk für das seel­is­che Wohlbefind­en aber auch bei exis­ten­ziellen The­men.Am 1. Juli wer­den zum RS-Start wieder junge Män­ner und Frauen in die Rekruten­schulen der Schweiz­er Armee ein­rück­en. In der Armee tre­f­fen sich Men­schen mit unter­schiedlich­sten Aus­bil­dun­gen, Lebensen­twür­fen und Weltan­schau­un­gen. Auch ver­schiedene Reli­gio­nen tre­f­fen aufeinan­der. Eine immer wichtigere Rolle kommt den Armeeseel­sorg­erin­nen und ‑seel­sorg­ern zu.Die Armeeseel­sorge ste­ht allen Armeeange­höri­gen für Begeg­nun­gen und Gespräche zur Ver­fü­gung. Sie kön­nen sich mit per­sön­lichen, exis­ten­ziellen, ethis­chen, weltan­schaulichen, spir­ituellen oder religiösen Fra­gen und Anliegen an die Seel­sorgeper­son wen­den. Chef der Armeeseel­sorge ist Samuel Schmid. Der 51-Jährige hat reformierte The­olo­gie studiert und ist seit 25 Jahren Seel­sorg­er bei der Schweiz­er Armee. Seit 2018 arbeit­et er auch beru­flich für diesen Dien­stzweig, seit zwei Jahren als dessen Chef. «Wo gibt es das heute noch?», ist der spon­tane Gedanke, wenn Schmid erk­lärt: «Wir Seel­sor­gen­den haben keine ‹Fälle›, wir müssen kein bes­timmtes Ziel erre­ichen und das Besproch­ene unter­liegt dem Seel­sorgege­heim­nis und ist abso­lut ver­traulich. Die Basis für unsere Arbeit sind Respekt, Tol­er­anz und die Fähigkeit, offen und vorurteils­frei auf Men­schen zuzuge­hen.»

Ausbau der Seelsorge

Armeeseel­sor­gende sind Ange­hörige der Armee. Sie absolvieren die mil­itärische Grun­daus­bil­dung und teilen den mil­itärischen All­t­ag der Truppe. Sie sind bei Übun­gen dabei, gehen mit auf einen Marsch, schauen in der Küche vor­bei. Dabei ergeben sich Gespräche – oft Smalltalk, doch immer wieder auch tiefer­ge­hende Gespräche. Trotz Säku­lar­isierung sei bei den mehrheitlich jun­gen Men­schen in der Armee Gesprächs­be­darf vorhan­den, viele Fälle beträfen das zivile Leben, sagt Schmid. In den let­zten Jahren wurde deshalb in der Armeeseel­sorge ein Aus­bau angestossen. Die Zahl der Armeeseel­sorg­erin­nen und Armeeseel­sorg­er soll kon­tinuier­lich von 171 auf 242 erhöht wer­den. Ziel ist, dass pro Batail­lon oder Abteilung je ein Seel­sorg­er oder eine Seel­sorg­erin zur Ver­fü­gung ste­ht. Auch in den Rekruten­schulen soll es bald pro Rekruten­schul­start und Sprache eine Seel­sorgeper­son geben.Auch in qual­i­ta­tiv­er Hin­sicht wird die Armeeseel­sorge aus­ge­baut: Im Jahr 2020 wur­den erst­mals Seel­sor­gende mit freikirch­lichem Hin­ter­grund zum Dienst als Armeeseel­sorg­er zuge­lassen. Ein Jahr später schloss die Armeeseel­sorge Part­ner­schaften ab mit der Föder­a­tion islamis­ch­er Dachor­gan­i­sa­tio­nen Schweiz und dem Schweiz­erischen Israelitis­chen Gemein­de­bund. Im Früh­ling 2022 haben die ersten Armeeseel­sorg­er mit jüdis­chem und mus­lim­is­chem Hin­ter­grund den Lehrgang absolviert. Schmid sagt: «Unser Auf­trag war schon immer, seel­sor­gliche Betreu­ung für alle zu gewährleis­ten. Dazu wollen wir unsere Kom­pe­ten­zen erweit­ern, denn es gibt Fälle, in denen es auf die Reli­gion ankommt. Zum Beispiel wenn ein Katho­lik bei einem Priester die Beichte able­gen möchte oder ein Imam für ein mus­lim­is­ches Gebet gebraucht wird.»

Die Basis: christliche Werte

Offen­heit bedeutet in der Armeeseel­sorge nicht Beliebigkeit: Die gemein­same Grund­lage aller Armeeseel­sor­gen­den sind die Weisun­gen zur Armeeseel­sorge aus dem Jahr 2020, welche die damals vol­l­zo­gene Öff­nung für andere Reli­gio­nen regeln. In diesen Weisun­gen ist ein Wertekanon definiert, auf dem die Schweiz und ihre Armee ste­hen. Samuel Schmid: «Es ist ein his­torisch­er Fakt, dass diese Basis christlich geprägt ist. Das Doku­ment mit den Weisun­gen zur Armeeseel­sorge ist das einzige Doku­ment, das diese christliche Prä­gung expliz­it fes­thält. Zu den darin fest­ge­hal­te­nen Werten wie Respekt, Tol­er­anz, Frei­heit oder Gle­ich­be­hand­lung müssen sich alle Part­ner der Armeeseel­sorge klar beken­nen.»Die Tätigkeit in der Armee kann ins­beson­dere gläu­bige Men­schen in ein Dilem­ma brin­gen. Auch Feinde sind Geschöpfe Gottes, denen man mit Respekt begeg­nen sollte. Schmid sagt: «Die Armee lässt zu, dass solche Fra­gen gestellt wer­den. Wider­sprüche wer­den nicht aus­ge­blendet. Wir müssen sie ansprechen und aushal­ten, mit dem Ziel, hand­lungs­fähig zu bleiben.»Marie-Chris­tine Andres— - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — - — -Voraus­set­zun­gen für die Tätigkeit als Armeeseelsorger/in sind die Schweiz­er Staats­bürg­er­schaft, eine anerkan­nte the­ol­o­gis­che, seel­sor­gliche Aus­bil­dung oder Qual­i­fika­tion und die mil­itärische Grun­daus­bil­dung (schon absolviert oder dazu bere­it) sowie die Empfehlung ein­er Kirche oder religiösen Gemein­schaft, welche eine Part­ner­schaft mit der Armeeseel­sorge einge­gan­gen ist. Weit­ere Infos hier.
Leonie Wollensack
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