Wo Leben und Tod sich begegnen

Wo Leben und Tod sich begegnen

  • Der Fried­hof ist kein tri­ster Ort, son­dern ein wert­vol­ler Lern- und Lebensraum. 
  • Eine Wei­ter­bil­dung für kate­che­tisch Täti­ge am 23. Febru­ar 2024 ermun­tert zu einem Fried­hofs­be­such mit Kin­dern und Jugendlichen.
  • Eine Füh­rung auf dem Fried­hof Lie­ben­fels in Baden zeigt, wie viel Leben in dem Ort steckt, wo die Toten ruhen.

Frei­tag­mor­gen, die Son­ne glit­zert auf den frisch ver­schnei­ten Ästen. Das Tor aus Beton über­ragt die Bäu­me, es mar­kiert den Zugang zum Fried­hof und weist hin­auf in den Him­mel, ver­weist auf jene ande­re, unsicht­ba­re Welt. Wer zum ersten Mal hier ist, hält beein­druckt inne, bevor er oder sie hin­durch­schrei­tet. [esf_wordpressimage id=48226 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Hier, auf dem Fried­hof Lie­ben­fels in Baden, wird die Wei­ter­bil­dung «Wie ist das mit dem Tod? Was Kin­der bei einem Fried­hofs­be­such ler­nen kön­nen» (sie­he Box) statt­fin­den. Chri­stia­ne Bur­gert von der Fach­stel­le Kate­che­se-Medi­en lei­tet den Nach­mit­tag zusam­men mit zwei Berufs­kol­le­gin­nen und dem «Fried­hofs­gärt­ner», der des­we­gen in Anfüh­rungs­zei­chen steht, weil er viel mehr macht als Gar­ten­ar­beit. Robert Suter ist beim Werk­hof der Stadt Baden ange­stellt. Er arbei­tet im Wech­sel mit sei­nen Kol­le­gen eine Woche im Kre­ma­to­ri­um, dann zwei Wochen draus­sen auf dem Friedhof.

Fuchs, du hast die Ker­ze gestohlen

Kin­der könn­ten auf dem Fried­hof eine Men­ge ler­nen, sagt Chri­stia­ne Bur­gert. Und zwar nicht nur theo­re­tisch, son­dern lebens­nah und prak­tisch. Zum Bei­spiel erfah­ren die Kin­der, dass es ein Beruf ist, den Fried­hof zu pfle­gen, die Grä­ber vor­zu­be­rei­ten und die Bestat­tung zu begleiten.

Die Kin­der erle­ben, dass der Fried­hof kein «gfürchi­ger» Ort ist, son­dern ein stil­ler und schö­ner Ort, wo sich viel Leben ver­steckt.  Hier hat die Natur Spiel­raum auf Öko­flä­chen und Mager­wie­sen. Blind­schlei­chen, Eich­hörn­chen, Mar­der oder Dach­se woh­nen auf dem Fried­hof. Suter erzählt: «Nach­dem auf einem Fami­li­en­grab mehr­mals die Ker­ze aus einer Later­ne ver­schwun­den war, ver­mu­te­te die Fami­lie nächt­li­che Van­da­len als Täter. Die pri­vat auf­ge­stell­te Wild­ka­me­ra zeig­te dann aber, dass nachts ein Fuchs die Later­ne geschickt öff­ne­te und sich mit der Ker­ze in der Schnau­ze davonmachte.»

Emo­tio­nen und Fakten

Chri­stia­ne Bur­gert war schon mit Schul­klas­sen auf dem Fried­hof und hat gemerkt, dass sie sich oft für Fak­ten inter­es­sie­ren. «Wie viel PS hat dein Auto?», frag­te ein Kind den Bestat­ter, der zufäl­lig vor­ge­fah­ren war. Auch die Namen und Jah­res­zah­len auf den Grä­bern geben zu Gesprä­chen Anlass: Wie alt wur­de eine Per­son? Wie lan­ge ist sie schon tot? Wer war mit­ein­an­der ver­wandt? Rich­tig gelei­tet, wird ein Fried­hofs­rund­gang für Kin­der zu einer guten Mischung aus emo­tio­na­lem und reli­giö­sem Erle­ben, Wis­sens­ver­mitt­lung und Natur­er­leb­nis. [esf_wordpressimage id=48224 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Ein Ort für die Lebenden

Wäh­rend sei­ner Arbeit allein auf dem Fried­hof zu sein, beschert Suter immer wie­der schö­ne Momen­te. Zum Bei­spiel dann, wenn es an einem Win­ter­mor­gen zuerst noch dun­kel ist, dann die Son­ne leuch­tend auf­geht und ihre Strah­len sich in den Fen­stern der Abdan­kungs­hal­le spie­geln. Suter ist über­zeugt: «Der Fried­hof ist nicht für die Toten, er ist für die Leben­den. Ein Ort des Erin­nerns, ein Ort des Lebens.» Für die Trau­er­ver­ar­bei­tung hilft es, einen Ort zu haben, an dem man die Toten besu­chen kann. So gibt es einen Ort für die Trau­er und das Toten­ge­den­ken, der ört­lich getrennt ist vom täg­li­chen Leben, das ja weitergeht.

Jetzt anmel­den für die Wei­ter­bil­dung am 23. Februar


Wei­ter­bil­dung «Was Kin­der bei einem Fried­hofs­be­such ler­nen kön­nen» am Fr, 23. Febru­ar 2024, 13.30 bis 17.30 Uhr. Mit Füh­rung über den Bade­ner Fried­hof Lie­ben­fels und Impul­sen zur didak­ti­schen Umset­zung in Reli­gi­ons­un­ter­richt und Kate­che­se. Anmel­dung bis 16. Febru­ar unter aareka.ch/weiterbildungskurse/

Feu­er oder Erde

Chri­stia­ne Bur­gert sagt: «Mit jün­ge­ren Kin­dern, Erst- oder Zweit­kläss­lern, kann man auf den Dorf­fried­hof gehen. Doch mit Jugend­li­chen, zum Bei­spiel mit Fir­man­den, sind grös­se­re Fried­hö­fe wie jener in Baden inter­es­sant.» Auf dem Fried­hof Lie­ben­fels etwa sind alle Reli­gio­nen ver­tre­ten. Die ver­schie­de­nen Bestat­tungs­ar­ten und ‑ritua­le sind etwas, das bei älte­ren Kin­dern auf Inter­es­se stos­se, weiss Chri­stia­ne Burgert.

Ein­ge­packt in sei­ne war­me Arbeits­jacke deu­tet Robert Suter auf eine Hand­voll Grab­stei­ne auf einem anson­sten lee­ren Schnee­feld: «Das ist das mus­li­mi­sche Grab­feld, wo Bade­ner Mus­li­me nach Mek­ka aus­ge­rich­tet beer­digt wer­den kön­nen.» Für Mus­li­me ist die Erd­be­stat­tung ein Muss. Kon­ser­va­ti­ve oder ortho­do­xe Chri­sten wünsch­ten meist eben­falls eine Erd­be­stat­tung. Für Hin­dus und Bud­dhi­sten hin­ge­gen ist die Feu­er­be­stat­tung zen­tral. Bei einer hin­du­isti­schen Beer­di­gung wird die ver­stor­be­ne Per­son erst nach einem mehr­stün­di­gen Ritu­al in der Abdan­kungs­hal­le ins Kre­ma­to­ri­um über­führt, das Teil der Fried­hofan­la­ge ist. «Es ist ein­drück­lich, die ande­ren reli­giö­sen Kul­tu­ren zu erle­ben», fin­det Robert Suter.

Wer glaubt, ist zufriedener

Die Ange­stell­ten des Werk­hofs haben täg­lich Kon­takt mit trau­ern­den Ange­hö­ri­gen. Offen­heit und Tole­ranz sei­en die wich­tig­sten Eigen­schaf­ten bei die­sen Begeg­nun­gen, sagt Suter. Er und sei­ne Kol­le­gen gehen soweit mög­lich auf indi­vi­du­el­le Wün­sche ein: «Wir sind rela­tiv offen und machen mög­lich, was wir kön­nen», erklärt Suter. Er geht unver­krampft mit den The­men Ster­ben, Tod und Glau­ben um. Als gläu­bi­ger Katho­lik, der sich auch in der Bade­ner Kir­chen­pfle­ge enga­giert, hat er die Erfah­rung gemacht, dass der Glau­be und die reli­giö­sen Ritua­le hel­fen, Zufrie­den­heit zu fin­den: «Solan­ge der Mensch und sein Wohl­erge­hen bei einer Reli­gi­on im Mit­tel­punkt ste­hen, habe ich gegen die­se Reli­gi­on nichts ein­zu­wen­den.» Das Unver­krampf­te ist Chri­stia­ne Bur­gert wich­tig: «Wenn die Erwach­se­nen ent­spannt mit dem The­ma Tod umge­hen, wer­den das die Kin­der auch tun.»

Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben